Interview Maik Lüscher

60° Grad

10’000 Menschen in der Schweiz sind blind. Ganze 325’000 Menschen sind so stark sehbeeinträchtigt, dass sie sich ohne Hilfsmittel nicht zurechtfinden würden. Maik Lüscher ist einer von denen, über die man zu selten spricht. Im Fokus stehen meist nur die erblindeten Menschen. Wir haben den jungen Mann getroffen, um mit ihm über seine Krankheit zu sprechen, die von den Ärzten zu spät bemerkt wurde, und sein ganzes Leben verändert hat.

Zurzeit sind knapp 20% der Schweizer Bevölkerung an einer Teilnahme der digitalen Welt ausgeschlossen. Zahlreiche Webseiten und Applikationen sind für Menschen mit einer Behinderung nicht oder nur sehr schwer zugänglich.

Wir haben eine Website konzipiert, die für Maik und die weiteren 325’000 Sehbeeinträchtigten Menschen in der Schweiz besser zugänglich ist. Darin erzählt er über sich, sein Leben und gibt Einblicke in eine Welt, die für normal sehende Menschen nur schwer greifbar ist.

(mm)

Kritik
von Marc Wiedmann und Monica Oliveira

Idee

Mit dem Projekt wollten wir ein Thema behandeln, mit dem man im Alltag nicht oft in Berührung kommt, wenn man nicht selber davon betroffen ist. Jeder Mensch nimmt die Welt auf eine bestimmte Art und Weise wahr, geht mit seiner Umgebung um und lebt somit das Leben mit seinen Sinnen.

Wir haben uns jedoch gefragt, was mit den Personen ist, die das nur eingeschränkt können. Wie nimmt ein blinder oder gehörloser Mensch die Welt wahr und viel wichtiger, was kann er oder sie dadurch besser? Die erste Idee für das Projekt war es also, einen gehörlosen und einen sehbehinderten Menschen gegenüberzustellen und aufzuzeigen, was die Personen unterscheidet. Dabei wollten wir in einer Dokumentation beide Leben abbilden und eine emotionale Perspektive geben. Aufgrund kurzfristiger Absagen mussten wir jedoch die Thematik ändern.

Durch Kontaktaufnahmen hatten wir früh eine Verbindung zu einem sehbehinderten Lernenden bekommen. Wir haben uns dafür entschieden, das Projekt zu ändern und den Fokus auf die Sehbeeinträchtigung zu lenken. Gleichzeitig konnten wir die Inhalte auf einer Webseite verpacken, die einige Grundregeln für ein barrierefreies Webdesign berücksichtigt.

Umsetzung

Vorbereitung

  1. Positive Learning!
    Nach einer Anfrage bei der Obvita St Gallen erhielten wir einen Kontakt zu einem sehbehinderten Lernenden - Maik Lüscher. Der erste Kontakt gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Lange E-Mails waren ein Problem für Maik, da ihn die Texte aufgrund seiner Beeinträchtigung schnell ermüdeten. Informationen bezüglich Drehbuch, Fragenkatalog oder geplantem Ablauf mussten wir also telefonisch weiterleiten. Das war kein Problem für den Arbeitsablauf, aber bereits hier merkte man, dass man das Thema, oder den Kunden, nicht anders, aber mit mehr Gedanken behandeln muss. Multimedia Producer sind es gewöhnt, eine E-Mail aufzusetzen und dann auf eine Antwort zu warten - man lernt schnell dazu. Arbeitsabläufe können sich schnell ändern, aber das erweitert den Horizont.


  2. Zufrieden mit dem Ergebnis!
    Da die Entscheidung mit Maik zu filmen relativ kurzfristig entstand, haben wir keine Shotliste oder Storyboard angefertigt. Wir hatten jedoch schon früh das Gefühl, dass wir aufgrund unserer Erfahrung, bestimmte Situationen spontan entscheiden konnten ohne Gefahr zu laufen etwas zu verpassen. Zusätzlich kannten wir Maiks Geschichte nicht ausführlich genug, um einen Ablauf zu erstellen. Durch die Spontaneität konnten wir uns ganz auf ihn und seine Geschichte einlassen.


  3. Frühe Absagen
    Wir hatten bereits früheren Kontakt zu anderen Organisationen in Graubünden und der Ostschweiz. Wie es der Zufall aber so wollte, haben wir zwei Mal eine kurzfristige Absage erhalten. Das hat nicht nur den Produktionsplan über den Haufen geworfen, sondern auch den Fokus unseres Projektes verändert. Da wir keinen Zugang mehr zu einer blinden und gehörlosen Person hatten, mussten wir eine alternative Lösung finden. Da die Thematik von Sehbehinderten nicht oft behandelt oder aufgegriffen wird, konnten wir schnell eine neue Idee finden.


  4. Für das nächste Mal!
    Da wir den Aufbau für die Webseite früh kannten, wussten wir, dass wir kurze Videoausschnitte brauchen, die mit textlichen Informationen ergänzt werden. Die spontane Interviewsituation eignete sich also gut für den Inhalt; den Tagesablauf mit Maik konnten wir aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit leider nicht besser planen. Für eine wirklich emotionale und tiefe Dokumentation ist es aber zwingend notwendig, dass man die Person, mit der man drehen möchte, schon möglichst vorher kennt. Ein Treffen ohne Kamera, nur mit einem Notizblock und ein paar Stunden Zeit zum Reden sollten ungemein helfen, Themen, spannende Geschichten oder auch eventuelle Probleme zu besprechen.

Produktion

  1. Sei Spontan!
    Vor Ort haben wir sehr spontan gehandelt. Da wir noch nie bei der Obvita im Büro waren, konnten wir vorab keinen Platz für Interview oder Filmaufnahmen festlegen. Doch die Mitarbeiter und auch Maik selber waren sehr zuvorkommend und wir haben einen Raum gefunden, in dem wir das Interview aufnehmen konnten. Generell mussten wir feststellen, dass man durch eine klare und freundliche Kommunikation immer auf ein offenes Ohr stösst - am Ende war die Obvita sogar an Praktikanten von der HTW interessiert.


  2. Film & Ton
    Durch eine hervorragende Audio- und Kameravorbereitung durch Roy Stahl hatten wir eine gute Routine im Aufnehmen von Bild und Ton. Zwei Kameras haben dafür gesorgt, dass die Interviewaufnahmen dynamisch ausgefallen sind. Über ein Zoom H5 und Lavalier sowie Richtmikrofone konnten wir den Ton ideal aufnehmen. Die Routine macht sich bei solchen Aufgaben bezahlt und gerade im 5. Semester hat man viele Fehler bereits einmal gemacht. Wir hatten genügend Akkus, der Weißabgleich stimmte, die SD-Karten waren formatiert, der High-Pass Filter filtert das tiefe Brummen aus der Tonspur und während dem Interview sollte man einfach nur die Fragen stellen und sich auf bestätigende Nicker beschränken - ergo, nicht alle zwei Sekunden "Ja. Achso. Ok." sagen. Das macht die Aufnahmen später unbrauchbar! Das nächste Mal versuchen wir jedoch, das Lavalier besser zu verstecken und einen kleineren Popschutz für das Kugelmikrofon zu organisieren.


  3. Schnee ist hell!
    Die Kameraaufnahmen, die wir gegen Ende des Tages aufgenommen haben sind leider überbelichtet.Wir haben schlichtweg vergessen auf den Schnee zu achten. In der Postproduction konnten wir einen Teil ausgleichen, aber ganz ging dann doch nicht.


  4. Maik der Superheld
    Da Maik ein sehr spontaner und aufgeschlossener junger Mann ist, konnten wir viele Dinge spontan mit ihm entscheiden. Er hat uns im Handumdrehen erklärt, wie seine Orientierungshilfe funktioniert, welche Aufgaben er beim Arbeiten übernimmt, wie er mit der Vergrößerungssoftware auf dem Computer umgeht und was er im normalen Leben anders macht als wir - Maik war sicher die größte Hilfe an diesem Drehtag!

Material

  • 1x Canon 5D
  • 1x Canon C100
  • 1x Zoom H5
  • 1x Sennheiser Funkset AVX
  • 2x Mikrofone (1x Lavalier und 1x Richtmikrofon)
  • 3x Licht

Postproduktion

Große Teile des Materiales vom Drehtag konnten wir nicht verwenden, da die Ausschnitte der Videos auf der Website kurz gehalten sind. Wir haben eine Übersicht mit den spannendsten Aussagen gemacht und anschließend eine Gliederung für die Geschichte erstellt. Die Postproduction der Videos funktionierte super, da wir das Material bereits am Drehtag sortiert und synchronisiert haben, konnten wir schnell mit der eigentlichen Arbeit beginnen. In Youtube wurden ebenfalls Untertitel gesetzt, damit blinden Menschen der Inhalt erzählt werden könnte.

 

Kritik Webseite

Anordnung der Informationen auf der Webseite

Im Vorfeld haben wir uns mit dem Thema barrierefreiem Webdesign beschäftigt und gleichzeitig eine kleine Informationsgrafik darüber erstellt, die für das Thema sensibilisieren soll. In diesem Zusammenhang haben wir uns die Überlegung gemacht, welchen Inhalt wir auf der Webseite präsentieren sollen und vor allem, wie wir diesen Inhalt gliedern wollen. Grundsätzlich gibt es drei Elemente: Videoausschnitte von Maik, Texte zu barrierefreiem Webdesign und eine Informationsgrafik. 

Für sehbehinderte Menschen ist eine einheitliche Strukturierung von Inhalten von Vorteil, da ihnen die Orientierung auf einer Webseite somit leichter fällt. Für eine multimediale Darstellung unseres Projektes mussten wir die Inhalte jedoch mischen, da der Fokus zu stark auf einem der drei Elemente gefallen wäre.

Die Entscheidung fiel schlussendlich auf der "normalen Gliederung", da wir sonst einen großen Teil der Geschichte verloren hätten. Der Fokus des Projektes sollte auf Maik liegen, nicht auf den Gestaltungsregeln für Webdesign oder der allgemeinen Problematik in der Gesellschaft.


Um die Webseite für sehbehinderte Menschen besser zugänglich zu machen, haben wir die Regeln der WCAG 2.0 (Web Content Accessibility Guidelines) beachtet. Da die Guidelines jedoch sehr ausgefallen und breit gefächert sind, enthält die Webseite nur einen Teil davon.

Verwendete Elemente von barrierefreiem Webdesign

  1. Kontrast
    Über die Webseite wave 
    Web (Accessibility Evaluation Tool) kann man bestimmte Gesichtspunkte der Webseite analysieren lassen. Der Kontrast stimmt nur bei den Menüpunkten nicht, da wir nicht gänzlich auf ein modernes Design verzichten wollten.
  2. Textgröße
    Die Textgrößen sind über eine Steuerung im Menü wechselbar. Oftmals verwenden sehbehinderte Menschen ein Programm, welches ihnen bei der Bedienung hilft. Für die Webseite ergibt sich so aber ein höheres Mass an Zugänglichkeit.
  3. Typografie
    Um eine Verwirrung oder Verwechslung durch die Wahl der Schriftart zu vermeiden haben wir eine serifenlose moderne Schrift verwendet, die besondere Merkmale auf dem Unterschied von verwechselbaren Buchstaben legt.
  4. Screenreader
    Das Einbinden eines Screenreaders ergab sich als umständlich, da viele Menschen einen unterschiedlichen Browser verwenden. Diese bieten oft Plugins, die allerdings vom Endnutzer gesteuert werden. Wir haben nach einer Lösung gesucht, die den markierten Text der Webseite abspielt - da diese aber nur mit einer Lizenz und einer Zahlung von Geld verwendbar sind, haben wir darauf verzichtet. Kleinere Plugins wie screenreader.js oder andere Freeware ergaben sich leider als suboptimal.
  5. Steuerung durch Tastatur
    Die Webseite ist mit der Tastatur, durch eine Strukturierung im DOM der Webseite, möglich. Der Aufwand ist nicht aufwändig, jedoch muss man sich Gedanken darüber machen, wie die Webseite ohne Maus zu steuern ist. Gleichzeitig ist es eine gute Möglichkeit die index.html-Datei aufzuräumen und den Syntax zu checken.
  6. Testing
    Wir konnten leider kein finales Testing mit Maik durchführen, wir haben schlichtweg im Programmierwahn nicht daran gedacht. Bei einem realen Projekt mit einem Kunden sind ein konstanter Austausch von Informationen und eines oder mehrere Testings jedoch unumgänglich.

Kritik Multimedialität

Verbindung von Protagonisten und Informationen zu Barrierefreiem Webdesign

Die Verbindung zwischen Maik und den Informationen zu barrierefreien Webdesign funktioniert unserer Meinung nach gut. Da wir uns aber sehr lange mit dem Thema beschäftigt haben, ist der Blick auf die Informationen für uns nicht mehr derselbe. Wir haben versucht ein ausgewogenes mediales Produkt zu erstellen und haben dabei viel für weitere Projekte gelernt. Das Projekt hat uns Spaß gemacht und die Zeit vor der Bachelorthesis noch mal ein wenig aufgelockert. Wir konnten alles anwenden, was wir die letzten 5 Semester lernen durften und haben dabei trotzdem noch etwas neues gelernt. Die Welt der Applikationen und Webseiten ist gross und wird die nächsten Jahre nur noch steigen. Doch man sollte dabei nicht die Menschen vergessen, die einen anderen Zugang wählen müssen als wir - vor allem als medienschaffende Menschen sollten wir uns häufiger über einen Zugang für alle Menschen Gedanken machen.

Fazit

Mit dem Projekt sind wir sehr zufrieden. Wir hoffen eine Site geschaffen zu haben, die nicht nur eine interessante Geschichte über einen jungen, aufgestellten Mann erzählt, sondern auch diejenigen Menschen erreicht, die sich nicht immer so selbstverständlich bewegen können wie wir bzw.
normal Sehende Menschen tun.

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