9 Fr. Stundenlohn nach Studium. Sieht so unsere Zukunft aus?

Das Diplom frisch in der Tasche und jetzt liegt dir die Welt zu Füssen? Denkste! Das Leben eines Uni-Absolventen sieht nicht besonders rosig aus. Hungerlöhne und Überstunden stehen an der Tagesordnung. Wir haben mit einer frischfertigen Architektin über ihren Berufseinstieg in Chur gesprochen. Ein Interview mit Lena Guth* (25), das stutzig macht.

Lena Guth, nach fünfeinhalb Jahren Studium hast du soeben deine erste Stelle als Architektin in einem renommierten Büro angetreten. Wird deine Arbeit dort gewürdigt? 

Lena: (überlegt) Mhhm, man bekommt das Gefühl vermittelt, dass man sich glücklich schätzen darf, dort zu arbeiten. Die Angestellten arbeiten eigentlich nur darauf hin, den Chef zufriedenzustellen und seine Ideen umzusetzen. Eigene Ideen und Vorschläge werden überhaupt nicht entgegengenommen. Das nervt manchmal. Aber ich lerne dort sehr viel, darum gehe ich davon aus, dass ich nach meiner Zeit in diesem Büro Wertschätzung verdiene. Schliesslich kann ich dort viele Erfahrungen sammeln.

Lohnt sich deine Arbeit in finanzieller Hinsicht?

Nein. Ich arbeite zwischen neun und zehn Stunden pro Tag und erhalte 2000 Franken monatlich. Ich habe also einen durchschnittlichen Stundenlohn von neun Franken. Das reicht nicht aus, um mein Leben finanziell zu meistern.

Du arbeitest also trotz abgeschlossenem Studium und Diplom für das Gehalt eines Praktikanten. Nervt dich das?

Ja klar. Für eine zeitlang war mein Selbstwertgefühl am Tiefpunkt, aber man muss sich bewusst machen, dass das Studium einen nicht auf die Arbeitswelt vorbereitet. Hinzu kommt die Tatsache, dass ich aufgrund meiner deutschen Herkunft gerade mal die Hälfte dessen verdiene, was mir als Schweizerin zustehen würde. Was ja, unter uns gesagt, auch nicht gerade viel wäre.

Wie gehst du mit deiner Situation um. Hast du nicht das Bedürfnis, dich für fairere Arbeitsbedingungen stark zu machen. Schliesslich hast du genug Zeit und Geld in deine Ausbildung investiert?

Ich muss es halt hinnehmen, wie es ist. In meinem Arbeitsalltag kann ich keine Wertschätzung erwarten. Es gibt nun mal, vor allem in kreativen Berufen, zu viele Hochschulabgänger. Im Endeffekt bist du in meiner Lebenslage leicht austauschbar und Unternehmen haben es nicht nötig, uns Frischlinge zu honorieren. Darum lohnt es sich gar nicht, sich dagegen aufzulehnen.

Was ist deiner Meinung nach der Grund für die schlechte Bezahlung?

Jeder studiert und jeder erhofft sich ein gutes Gehalt. Das ist nicht die Realität. Man muss sich halt beweisen. Alles andere ist ein Trugschluss.
In meinem Bekanntenkreis sieht es ja nicht anders aus. Von meinen ehemaligen Kommilitonen werden alle unterbezahlt. In renommierten Unternehmen haben die Arbeitgeber es nicht nötig Studienabgängern, viel zu bezahlen. Qualifizierte Leute rennen ihnen die Bude ein. Schlussendlich bekommen alle nur einen Mindestlohn und sind überarbeitet.

Was wünscht du dir für deine Zukunft?

Ich hoffe, dass sich die Zeit und Arbeit, die ich in meine Ausbildung investiert habe eines Tages auszahlen wird. Mit meiner Situation habe ich mich aber abgefunden. Ich sehe meinen Job bei einem renommierten Unternehmen einfach als Sprungbrett, um einen möglichst guten Start in die Arbeitswelt hinzulegen. Die negativen Aspekte daran muss ich halt so akzeptieren.

* Name geändert

Statistiken zur Thematik findest du hier: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Doktor-Arbeitslos/story/24823956