Alain Bergset – Aufstieg statt Ausgang

Wo sonst Bässe pumpen, Gläser klirren und Teenies kotzen herrschte ab April plötzlich Stille: Der Shutdown hat auch das Schweizer Nachtleben erfasst. Höchste Zeit, unserem akuten Ausgangs-Entzug etwas Paroli zu bieten: Mit einem DJ-Set mitten in der Natur.

In Zeiten der Pandemie zog es so manchen wieder nach draussen ins Grüne. So auch uns. Vier Studenten, alles Fans von bewegtem Bild und bewegten Beinen. Das Ziel: Ein DJ-Set mal etwas anders umsetzen: nicht in einem dunkeln Club oder in einer schummrigen Bar, sondern bei Sonnenaufgang auf dem Churer Mittenberg. Zu Ehren unseres Corona-Bundesrates und weil wir uns den Wortwitz einfach nicht verkneifen können, präsentieren wir: Alain Bergset.

(hil)

Kritik
von Linus Küng, Luc Billaud, Dominik Villoz und Raphael Bieri

Die Idee

"Hey, hast du Bock ein DJ-Set von mir auf dem Mittenberg aufzunehmen? Wär noch n witziges Digezz"

Eine Übernachtung auf dem Mittenberg, Fünf Kamerawinkel und eine Drohne später lag dann plötzlich ein ziemlich grosses Projekt auf unseren Festplatten. Als Zwei-Mann-Show angedacht, kamen Luc und Dominik dazu und plötzlich waren wir ein Team. Mit zunehmender Teamgrösse wurden auch die Ideen immer komplexer und das Projekt nahm plötzlich eine stattliche Grösse an.

Das Schöne: Wir brauchten nicht viel. Ein Zelt, Ein Camping-Tisch, die FHGR-Ausleihe, ein wenig DJ-Equipment und wir konnten loslegen.

Die Umsetzung

Ganz im Spirit der ursprünglichen Schnapsidee, wollten wir das Projekt mit minimaler Planung umsetzen. "Einfach mal machen" war das Motto. In zwei kurzen Sitzungen sprachen wir über Kamerawinkel, Logistik und darüber wie kalt es wohl in der Nacht auf dem Mittenberg wird. (Spoiler: ziemlich kalt) Richtig geplant haben wir nur die Anfangssequenz, das Word-Dokument mit dem Titel "Drehbuch" liegt heute noch ziemlich leer auf irgendeinem Desktop. Und das war gut so.

Keinenfalls wollten wir uns in der Planung verlieren, wichtig war dass das Wetter und die Technik mitspielten, den Rest liessen wir einfach mal so auf uns zukommen. So entstand das Projekt auch in einem relativ kurzen Zeitrahmen: Von Idee zur Umsetzung vergingen keine zwei Wochen.

Stolpersteine

  • Zeit: Zwei von uns übernachteten auf dem Berg, der Rest kam nach. Die Zeit für den Aufstieg um drei Uhr morgens hatten wir unterschätzt. Eigentlich wollten wir noch vor Sonnenaufgang anfangen zu drehen, fingen dann aber erst an als die Sonne schon oben war.
  • Zeit #2: In unserer "Planung" rechneten wir mit "etwa 15 Minuten" für das Setup auf dem Mittenberg. Auch hier hätten wir mindestens doppelt so lange einrechnen müssen. Alleine schon das Aufbauen des Camping-Tisches brauchte so lange. Auch das verschob den Drehbeginn etwas nach hinten.
  • Technik: Das ausgeliehen Gimbal funktionierte nicht wie gewollt. Aus Zeitgründen konnten wir das Gerät auch nicht rechtzeitig troubleshooten, weshalb das Gimbal zwischenzeitlich spontan in sich zusammenklappte.
  • Koordination: Im Schnitt machten wir mehrmals die  Erfahrung dass ein eigentlich schöner Shot durch einen durchs-Bild-laufenden Kameramann leider unbrauchbar war. Im Vornhinein hatten wir die Shots nicht sehr genau geplant, und auch nicht Laufwege und Abstände gesprochen.

Learnings

  • Testen, testen, testen: Viele unserer Probleme hätten sich mit einem Technik-Test im Vorhinein vermeiden lassen können. Wir sprachen zwar oft darüber aber einen richtigen, ausführlichen Technik und Material-Testlauf gab es schlussendlich nie. Und: Alles, was wir getestet hatten hat funktioniert, Probleme gab es nur bei ungetestetem Material. Dieser Punkt spielt auch in den nächsten Punkt hinein, den mit mehr Testing im Voraus hätten wir einen präziseren Zeitplan auf die Beine stellen können.
  • Man kann nicht zu viel Zeit einplanen: Zu wenig aber ganz sicher. Und das haben wir auch gespürt. Zeitdruck kann zwar manchmal zu kreativen Höhensprüngen verhelfen, auf dem Set ist er aber hauptsächlich Stressfaktor. Bei einem nächsten Mal würden wir bei jeden Punkt etwa 1.5x so viel Zeit einplanen.
  • Planen tut gut: Das wird jetzt niemanden überraschen, aber wir hätten definitiv etwas genauer planen dürfen. Wie vorhin schon gesagt: Die geplanten Sequenzen funktionierten alle, bei den "freien Shots", wo sich z.T. drei Kamerawinkel kreuzten, hatten wir deutlich mehr Mühe. Bei einem nächsten Mal würden wir sicher die Kamerawinkel etwas genauer planen.

Fazit

Bei der Planung und beim Testen gibt es sicher noch Luft nach oben. Diese Erfahrungen nehmen wir mit in unsere nächsten Projekte. Das Endergebnis kann sich, unserer Meinung nach, sehen lassen.

Denn:

Von der Idee zum Schnitt in zwei Wochen war eine schöne Erfahrung. Das frühere interne Facebook-Motto "move fast and break things" hat unserer Meinung nach klar seine Berechtigung. Kaputtgemacht haben wir zum Glück nichts, doch die einfache, schnelle Umsetzung einer Idee war für uns ein schönes Erlebnis. Neben mühsameren Projektarbeiten im restlichen Studium war das "Alain Bergset" eine sehr willkommene Abwechslung. Allein schon für das Gefühl, morgens um 6 Uhr mit zu wenig Schlaf, der Kickdrum noch im Ohr und ordentlich Footage im Kasten den Mittenberg herunterzuspazieren, hat sich das Projekt gelohnt.

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