Denn wenn alle Regeln gebrochen werden können, gibt es keine Regeln. Wenn jede Unschuld korrumpiert werden kann, gibt es keine Unschuld. Wenn jede Schönheit vergänglich ist, gibt es keine Schönheit. Und wenn jedes Verständnis von richtig und falsch durch einen einzigen schlechten Tag verkehrt werden kann, gibt es weder richtig noch falsch.
Herzlich willkommen in der Welt von Batmans Joker
Schönheitsideale, soziale und gesellschaftliche Anerkennung, Geld, Macht oder Ruhm. All das bedeutet ihm nichts. Für den Joker gibt es nur eines: Chaos. Chaos wiederum bedeutet, frei von Angst zu sein. Denn wenn alles brennt, wird der Feuerlöscher überflüssig.
Der Joker verkörpert die nihilistische Seite, die jeder von uns in sich trägt. Er drückt die Sehnsucht aus, sich ausserhalb der Normen zu bewegen und einfach sein eigenes Ding durchzuziehen. Und das immer mit einem Lächeln auf den Lippen.
Denn auch wenn er geschminkt ist wie ein Clown, lacht der Joker über uns, nicht wir über ihn. In der Sinnlosigkeit des Seins ist er der Einzige, der akzeptiert, dass es keinen Grund gibt. Dass alle Menschen gleich gut oder gleich schlecht sind. Und dass wir alle wieder zu Tieren würden, wenn es unserem Überleben diente. Schliesslich formt das Erlebte den Menschen – so seine Überzeugung.
Doch ohne Licht kein Schatten. Und so könnte auch der Joker nicht sein, ohne einen Gegner zu haben: Batman. Ebenso wie der Joker lebt er ausserhalb des Gesetzes und hatte, vermutlich genau wie der Joker, einmal einen schlechten Tag. Doch Batman zieht seine Werte aus sich heraus und trägt sie in Form von Taten nach aussen, anstatt dass Taten seine Werte bestimmen. Damit manifestiert sich in ihm die Gegenthese zu Joker.
Ein Kampf entbrannt, der trotz vieler Kugelhagel, Bombenattentate und fliegenden Fäusten dennoch ein Innerer ist. Wer wird gewinnen: Chaos oder Ordnung? Gut oder Böse? Licht oder Schatten?
Bevor der Joker aber zu jenem genialen wie irren Superschurken geworden ist, der er heute ist, hatte er einen weiten Weg vor sich. Denn mit seinem ersten Erscheinen 1940 sollte der kriminelle Clown eigentlich auch schon wieder verschwinden. Im letzten Moment jedoch entschieden sich die Schaffer der Comicserie «Batman» dagegen und liessen in einem zusätzlichen Panel den Joker doch noch eine Messerattacke überleben. Es begann ein nie da gewesener Aufstieg zum Superschurken und Erzfeind Batmans.
Nach einem kurzen Ausflug in seichtere, komödiantischere Gefilde in den Fünfziger durch den Comics Code, einer Art Selbstzensur der Comicverleger, entwickelten sich Joker sowie Batman zu immer komplexeren, düstereren Figuren. Jedoch nicht ohne einen selbstironischen Zwischenstopp in den Sechzigerjahren.
In «Batman hält die Welt in Atem» 1966 ist der Joker eine nicht weiter ernst zu nehmende Nebenfigur, um nicht zu sagen: Witzfigur. Das charakteristische Lachen und die beiden Handschocker sollten ihn jedoch weiter begleiten und ihm schon im nächsten Film helfen, einen Rivalen durch den Stromschock zu einer verkohlten Leiche zu grillen. In «Batman» von Tim Burton wird dann 1989 klar, dass der Joker schon vor seiner «Verwandlung» fasziniert vom Mann im Fledermauskostüm ist, gleichzeitig jedoch auch eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die dieser bekommt, weshalb er versucht, Gotham City ins Chaos zu stürzen. Chaos scheint schliesslich 2008 die einzige Antriebskraft von Heath Ledgers Joker in «The Dark Knight» zu sein. Sein einziges Ziel: Zu zeigen, dass ein schlechter Tag einen Menschen verderben kann, was ihm auch am Beispiel vom Staatsanwalt Harvey Dent zu beweisen gelingt. In seiner aktuellsten Spielfilmversion von 2016 driftete der Joker wiederum in eine Nebenrolle ab. Wohl auch aus Angst, nach dem Flop des düsteren «Superman vs. Batman» einen weitern Misserfolg zu landen. Jared Letos Joker ist unerwartet brutal, wie auch emotional. Erstmals scheint die Beziehung zwischen Harley Quinn und Joker eine – wenn man so will – einigermassen liebevolle zu sein.
Welcher ist nun der wahre, der beste Joker? Die Geister scheiden sich. Und vielleicht halten wir uns einfach an die Erkenntnis Batmans durch den Möbius-Stuhl in der DC-Rebirth-Reihe. Dieser verkündete unlängst: Es gibt nicht einen, sondern drei.
(fs)