Aus dem Leben eines Sammlers

Hand aufs Herz, wer hat noch nie etwas gesammelt? Seien es Briefmarken, „Kafirahmdeckeli“, Fussballbilder, mittlerweile Freunde auf Facebook oder sonstiges „Gschmeus“. Wieso sammeln wir Menschen so gerne und wie sammeln wir? Heute gewährt uns Francesco einen ganz privaten Einblick in sein Leben als etwas ungewöhnlicher Sammler.

Francesco, wie bist Du darauf gekommen, gerade Puppen zu sammeln? Gibt es ein Erlebnis oder eine Person, die Dich besonders dazu inspiriert hat?

Meine Faszination für Puppen hat sich bereits in meiner Kindheit entwickelt. Ich habe sehr viel gezeichnet als kleiner Junge und egal was für ein Bild ich auch malte, waren es immer Frauen, die ich gezeichnet habe. Das Nachbarsmädchen hat mich dann dazu eingeladen, mit ihr Puppen zu spielen. Diese Nachmittage haben mir immer besonders gut gefallen. Die allererste Puppe habe ich mir selber aber dann erst mit 20 Jahren gekauft.  Ich hatte damals nicht die Absicht, eine Sammlung daraus zu machen. Sie hat mir einfach so als Einzelstück sehr viel Freude bereitet. Jedesmal, wenn ich dann mit der Arbeit wieder nach Miami geflogen bin, habe ich mir wieder eine neue Puppe gekauft. Das wurde zu einer Art Tradition für mich. Die Sammlerei war eigentlich völlig ungeplant und hat sich eher aus meiner Faszination als eine Sammlung ergeben.

Weisst Du, wie viele Puppen Du insgesamt in Deiner Sammlung hast?

Ich schätze um die 800. Vielleicht auch 1000. Ich habe sie noch nie gezählt. Man soll ja seine Frauen nicht zählen. (lacht) Es ist nicht die Menge, die für mich zählt und auch nicht, wie das viele Sammler machen, dass ich sie teurer wieder verkaufe, um einen Gewinn daraus zu machen. Es ist einzig die Freude an der Puppe oder an ihren Kleidern, die mich dazu bringt, immer mehr davon zu kaufen.

Was fasziniert Dich so an Puppen?

Mich faszinieren vor allem die Kleider und die Ausstrahlung der Puppen. Auch wenn viele glauben, die Puppen sehen alle genau gleich aus, so sehe ich immer wieder neue Aussagen oder Haltungen in den Puppen. Das kann Stolz, Eleganz, Ehrgeiz, Lebensfreude oder auch etwas mädchenhaft Naives sein. Ich sehe einfach Aussagen in ihnen, die mich je nach eigener Verfassung ansprechen. Aber auch die Geschichte der Puppen fasziniert mich. Man kann in ihnen die Entwicklung unserer Gesellschaft wiedererkennen.

Hast Du ein „Ranking“, welche Puppen Du lieber magst, oder sind alle gleichwertig für Dich?

Mir gefallen die Puppen aus den 60-er Jahren am besten. Sie bringen diese Zeit und das damit verbundene Lebensgefühl sehr gut zum Ausdruck. Eine einzelne Lieblingspuppe habe ich aber nicht.

Gab es Momente in denen Dir Deine Sammlung im Wege gestanden ist?

Ja, jetzt, wo ich gerade mitten im Umzug bin! (lacht)

Und wie ist das mit dem Platz? Puppen sind ja nicht wie z.B. Briefmarken, die man in einer Schublade aufbewahren kann.

Raum voll Puppen

In meinem Leben dreht sich extrem viel um meine Puppen. Daher gebe ich ihnen auch genügend Platz in meiner Wohnung. Ich habe zwei leere Zimmer alleine für meine Puppen.

Sind zwei Zimmer nicht etwas viel für eine Sammlung?

Wenn wir zwei Kinder hätten, wären die beiden Zimmer ja auch besetzt. (lacht) Es geht mir bei meinen Puppen auch nicht darum, sie einfach nur zu haben und irgendwo unterzubringen. Ich mag es nicht, wenn sie militärisch in einer Reihe stehen. Es geht darum, verschiedene Situationen mit den Puppen zu inszenieren und dafür braucht es nun mal Platz.

Was hält Dein Lebenspartner von Deinen Puppen?

Er selber sammelt nicht, aber er unterstützt mich sehr in meinem Hobby. Er findet es einfach schön, dass ich das mit einer solchen Leidenschaft mache.

Wie reagieren andere Menschen auf Dein eher spezielles Hobby?

Als ich noch jünger war, habe ich die Puppen immer im Schrank versteckt, wenn ich Besuch bekommen habe. Damals waren es aber auch erst etwa 20 Puppen. Weißt Du, 1989 war der Umgang mit Homosexualität noch nicht so offen wie heute. Man musste immer aufpassen, dass man den Leuten nicht zu viele „Hints“ auf sein Privatleben gibt. Es wäre sehr verdächtig gewesen, wenn zwei junge Männer eine WG teilen und der eine sammelt auch noch Puppen.

Mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich mich für meine Leidenschaft nicht schämen muss und wenn es jemandem nicht passt, dann ist mir das so ziemlich „scheissegal“! Man kann ja nicht sein Leben lang etwas verstecken, das ein grosser Teil von einem ist.

Mittlerweile sind die Leute, die zu Besuch kommen, meistens sehr begeistert von meiner Sammlung und sind immer neugierig, was für neue Puppen ich wieder habe.

Wie muss man sich die Puppen-Sammler-Szene vorstellen?

Die Sammler-Szene ist eine weltweite Community, die durch das Internet immer grösser wird. Vor dem Internet gab es regelmässig Puppenbörsen, an denen man Puppen austauschen und neue Puppen kaufen konnte. Manchmal musste man dafür aber auch einen weiten Weg auf sich nehmen. In den USA gibt es jedes Jahr eine „National Barbie Doll Convention“, die drei Tage dauert. Da nehmen etwa 1000 Leute teil. Dort trifft man sich und tauscht sich aus. Das ist immer sehr interessant für mich, weil ich dann sehen kann, wie andere Menschen sammeln. Es sammelt nicht jeder gleich!

Gibt es „die perfekte Schönheit“ auch im echten Leben?

Ich denke, Schönheit ist subjektiv. Jedem gefällt etwas anderes und das ist auch gut so.

Was sagt Du zu Kritikern, die finden, die Barbie-Puppen verzerren das Bild von Schönheit in den Augen junger Mädchen und lassen sie nach einem Ideal streben, das in Wirklichkeit gar nicht möglich ist?

Ich finde, es liegt an den Eltern, ihren Kindern zu erklären, dass eine Barbie nur eine Puppe ist und nicht der Realität entspricht. Und wenn ein Kind eine gesunde Erziehung bekommt, wird es auch selber erkennen, dass es selber nicht „Barbie“ sein muss.

Ausserdem ist „Barbie“ nicht immer nur „Glamour“. Es gibt sie auch als Hausfrau mit einer Küche oder als Sängerin…

…ist das nicht ein wenig frauenfeindlich in unserer Zeit?

Es gibt Barbie auch als Astronautin, Archäologin oder als Ärztin.  Ich denke, Barbie zeigt, wie gesagt, auch Entwicklungen in der Gesellschaft. Man kann sehr gut die Emanzipation der Frau in ihr erkennen. Es liegt wohl an den Eltern zu entscheiden, womit ihre Kinder spielen sollten oder in welche Rolle sie Barbie schlüpfen lassen.