SRG-Insider Karte vor der Londoner Tower Bridge

Aus dem Londoner Mediendschungel

Was machen Schweizer Auslandskorrespondentinnen und Auslandskorrespondenten, wenn sie nicht gerade auf Sendung sind? Wie ist das Leben in einer fremden und zugleich pulsierenden Weltstadt? Diesen und weiteren Fragen ist eine zehnköpfige Delegation des Vereins «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz» in London auf den Grund gegangen. Wir durften sie mit der Kamera begleiten.

Journalistische Karrieren verlaufen meist nach dem mehr oder weniger gleichen Schema. Am Anfang macht man als Volontär*in, Praktikant*in oder Quereinsteiger*in erste Gehversuche im Journalismus und versucht mit einem meist dürftigen Lohn über die Runden zu kommen. Einige schaffen später den Sprung zu namhafteren Medien und in Positionen wie die Ressortleitung oder gar die Chefredaktion. Aus karrieretechnischer Sicht betrachtet, ist damit für die meisten das höchste der Gefühle erreicht.

Im Ausland zu Hause

Auslandskorrespondentinnen und Auslandskorrespondenten nehmen in diesem scheinbar standardisierten Karriereweg eine Sonderstellung ein. Sie sind vom journalistischen Tagesgeschäft und von den herkömmlichen Redaktionsstrukturen losgelöst und meist auf sich alleine gestellt. Diese Andersartigkeit fasziniert. Besonders Jungjournalisten blicken meist mit grossen Augen zu ihren Berufskollegen und Berufskolleginnen im Ausland hoch und fragen sich:  «Wie komme ich nur dorthin?»

Der Verein «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz (JJS)» ging dieser und weiteren Fragen auf einer einwöchigen London-Reise nach. In der englischen Hauptstadt trafen die Jungjournalisten SRF-Korrespondentin Henriette Engbersen, «Finanz und Wirtschaft»-Korrespondent Pascal Meisser und Ursin Caderas, der als Produzent bei CNN arbeitet. Zudem besuchten sie während zwei Tagen den grössten Newsroom Europas bei BBC.

Was die drei erfahrenen Journalisten den Journis von Morgen auf den Weg gaben, seht ihr auf der Webseite von SRG Insider.

Einen kleinen Teaser gibt es aber schon hier:

Kein Bock auf ein zweiminütiges Video? Wie wärs mit einer Instagram-Story, in der JJS die wichtigsten London-Erlebnisse festhielten?

(sba)

Kritik
von Bernhard Aebersold, Charleen Bretteville und David Marbach

Idee/Hintergrund

Wir sind seit mehreren Jahren Mitglied im Verein «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz (JJS)». Im August 2019 hörten wir erstmals von der geplanten JJS-Reise nach London. Bereits zu diesem Zeitpunkt schwirrte uns die Idee einer filmischen Begleitung der Reise in den Köpfen umher.

Als die Anfrage von SRG Insider kam, war das für uns der finale Stein des Anstosses: Für ihre Rubrik «Öpis mit Usland» wollten sie gerne «ein paar Fotos und eine Instagram-Story» von JJS haben. Wir packten die Gelegenheit beim Schopf und meldeten uns für den Auftrag. Nach ersten Absprachen mit JJS und SRG Insider organisierte Bernhard ein Treffen bei SRG Insider, um den Mini-Auftrag in ein Digezz-Projekt erweitern zu können. Genau wussten wir auch noch nicht, in welche Richtung es gehen würde. Schlussendlich sollte mehr produziert werden als «ein paar Fotos und eine Instagram-Story». Im Gespräch zeigte sich SRG-Insider von unserer Bereitschaft begeistert und der Deal war perfekt.

Konzeption

Bei der Erarbeitung unseres Konzepts stützten wir uns auf das vorliegende London-Reiseprogramm. Wir wussten, welche Korrespondent*innen wir im Verlaufe der Woche treffen werden und welche Freizeitaktivitäten ungefähr geplant waren.

Zunächst mussten wir uns entscheiden, was wir in der finalen Produktion zeigen wollten. Da unser Auftraggeber SRG-Insider war und nicht JJS, entschieden wir uns dazu, gänzlich auf die Darstellung von Freizeitaktivitäten in der Reisegruppe zu verzichten und uns auf die einzelnen Treffen mit den Journalisten in London zu fokussieren. Der dokumentarische Charakter der Reise tritt dadurch in den Hintergrund, dafür werden wir dem Anspruch von SRG-Insider gerecht, einen Blick hinter die Kulisse journalistischer Arbeit zu werfen.

SRG-Insider spricht ein junges Zielpublikum an und die Inhalte sollten auf der Webseite, Instagram, Twitter und Youtube ausgespielt werden. Daher entschieden wir uns dazu, mehrere kürzere und thematisch voneinander abgegrenzte Videos zu produzieren. Für jedes Treffen mit einem Protagonisten sollte schliesslich ein Video entstehen. Parallel dazu erarbeiteten wir ein Konzept für die Instagram-Story. Die Vorgabe von SRG-Insider lautete circa 12 Slides.

Bei der Konzeption der Videos empfanden wir es als langweilig, jedem Protagonisten dieselben Fragen zu stellen. Viel spannender ist es, wenn jedes Video seine thematische Eigenheit hat. Deshalb überlegten wir uns pro interviewte Person ein Überthema, das den jeweiligen Protagonisten auszeichnet und auf das wir im Interview fokussierten.

Die Settings, in denen die Interviews stattfinden würden, waren uns vor jedem Dreh unbekannt. Dadurch mussten wir jederzeit bereit sein, auf Umwelteinflüsse reagieren zu können. Ausser beim Interivew mit Ursin Caderas (teilweise ausgebrannter Hintergrund, aufgrund wechselnder Sonneneinstrahlung) meisterten wir diese Herausforderung zufriedenstellend.

Materialliste

  • Sony FS-5 (Hauptkamera)
  • Canon 5D (B-Roll)
  • Ersatzakkus
  • Manfrotto Einbeinstativ
  • Richtmikrofon inkl. XLR
  • 2 Lavaliermikrofon Sennheiser
  • Handystativ
  • iPhone 7
  • Zoom H5 Audiorekorder

Was lief gut?

Team: Die Zusammenarbeit im Team gestaltete sich sehr angenehm und wir kamen trotz unterschiedlicher Ansichten immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner. Alle im Team waren ambitioniert bei der Sache und gewillt ein ansprechendes Projekt auf die Beine zu stellen: Sätze wie «Chum das passt scho» gab es nicht. Mit Blick auf die Resultate lohnte sich der Aufwand allemal. Mit Charleen konnten David und Bernhard vom Wissen einer Fünftsemestlerin profitieren. Diese semesterübergreifende Zusammenarbeit empfanden wir als sehr wertvoll. Auch die weiteren Mitglieder unserer Reisegruppe zeigten Verständnis, wenn hin und wieder ein kurzer Filmstopp eingelegt werden musste.

Arbeitstechnik: Im Vorfeld der Reise reichten zwei längere Skype-Calls aus, um die Materialbestellung, das Konzept der Instagram-Story und das Konzept der Videos auf ein zufriedenstellendes Anfangs-Niveau zu bringen. Es wurden klare Arbeitsaufteilungen vorgenommen und Fristen gesetzt, die von allen stets erfüllt wurden. Von daher war die zuverlässige und speditive Arbeitstechnik ein Genuss. Auf der Reise selbst, fanden wir einen guten Mix zwischen «heute müssen wir uns nochmals ans Konzept setzen» und «jetzt haben wir uns das Pub verdient».
Der Umgang mit den Protagonisten erwies sich als äusserst angenehm. Trotz der deutlich geringeren Journalismus-Erfahrung begegnete man uns auf Augenhöhe und als Berufskollegen. Dies wirkte sich positiv auf die Gespräche und die Antworten aus. Durch die unbekannten Drehorte wurden wir zu einer gewissen Spontanität gezwungen. Mit dieser Flexibilität kamen wir dank der guten Vorbereitung gut zurecht.

Zusätzlich zu unserem B-Roll Material, erhielten wir auch noch einige London Archiv-Sequenzen von SRG-Insider zur Verfügung gestellt. Diese waren insbesondere bei der Gestaltung des Intros hilfreich.

Konzeption: Gerade bei der Instagram-Story war das Konzept enorm wichtig. Wir spielten zwischenzeitlich mit dem Gedanken lediglich ein paar Fotos und Videos zu machen und SRG-Insider zu entscheiden, wie sie die Story aufbauen sollen. Glücklicherweise verwarfen wir diesen Gedanken wieder und planten im Zug zwischen Zürich und London jede einzelne Story von Montag bis Freitag minutiös durch. Dadurch waren wir bei den Treffen mit den Protagonisten gut vorbereitet und wussten genau, welches Statement wir in der 15-sekündigen Instagram-Story brauchten.Weil wir die einzelnen Protagonisten im Voraus nicht persönlich kannten, gestaltete sich eine sinnvolle Fokussierung auf einen bestimmten Themenbereich für die Videos als herausfordernd. Schliesslich kann eine Internetrecherche zwar hilfreich, aber auch trügerisch sein. Denn nach wenigen Gesprächsminuten hat man gleich ein anderes Bild von einer Person, als wenn man nur von ihr gelesen hat. Diesen Aspekt haben wir gut abgedeckt. Wir hatten im Vorfeld eine klare Leitfrage, aber auch einen thematischen Plan B und C, um während des Gesprächs umschwenken zu können.
Nach den Drehs haben wir die Aufgaben aufgeteilt. Während sich David und Bernhard um die Rohschnitte der vier Videos kümmerten, animierte Charleen das Intro und übernahm die Erstellung der Instastory. Diese Aufteilung hat wunderbar funktioniert, weil wir uns gegenseitig immer wieder unterstützt und Feedback gegeben haben. Im Endspurt halfen wir uns gegenseitig aus und korrigierten die Videos anhand der Verbesserungsvorschläge der beiden anderen Teammitglieder.

Endergebnis:  SRG-Insider, JJS und die interviewten Protagonisten waren mit den Videoproduktionen sehr zufrieden. Insbesondere SRG-Insider stellte mögliche Folgeaufträge aufgrund der guten Zusammenarbeit in Aussicht. Wenn der Kunde zufrieden ist, können auch wir mit den Resultaten zufrieden sein. Die Art und Weise wie wir die finale Produktion an SRG-Insider übermittelt haben, möchten wir dabei als besonders gelungen hervorheben. Denn wir haben nicht bloss die Videos produziert und übermittelt, sondern von der Youtube-Beschreibung, über den exakten Titel, Lead und Text auf der Webseite, bis hin zum letzten Detail in der Instagram-Story alles pfannenfertig vorbereitet; SRG-Insider musste salopp gesagt an nichts mehr denken und nur noch die Inhalte  «Copy+Pasten». Dieser «Service» wurde sehr geschätzt und gilt es für künftige Projekte beizubehalten.

Verbesserungspotential

  • Die Vorlaufzeit vor der Reise war zu kurz. Erst als die London-Reise bereits halb vorüber war, erhielten wir von SRG Insider die After-Effects-Templates, die beispielsweise die standardisierten Untertitel und Bauchbinden enthielten. Bei gewissen Drehs wussten wir folglich nicht genau, wie viel Platz noch für die Bauchbinde und die Untertitel eingeplant werden muss. Zusätzlich mussten wir am Anfang der Reise viel Zeit in die Konzeptionsarbeit stecken, die wir lieber in den Genuss britischer Hopfengetränke investiert hätten.
  • Beim Dreh mit Ursin Caderas verändert sich das Licht im Hintergrund aufgrund eines andauernden Wechselspiels zwischen Schatten und Sonne. Das wirkt für den Zuschauer störend und der Hintergrund ist zeitweise überbelichtet. Wir hatten leider nicht mehr genügend Zeit, um den Drehort zu wechseln. Beim nächsten Mal würden wir von Beginn weg an einem Ort filmen, auf den dieses Wechselspiel der Lichtsituation keine Auswirkung hat. Ein weiterer Schönheitsfehler in diesem Interview ist der Fokus: Die Schärfe ist nicht auf dem Gesicht von Ursin Caderas, sondern auf seinem Shirt, weil David im Stress nicht mit dem Focus Magnifier fokussiert hat.
  • Wir filmten die Videos mit der Sony FS-5 und der Canon 5D. Die Looks der beiden Kameras sind sehr unterschiedlich, was wir auch in der Postproduction nicht gänzlich verbergen konnten. Beim nächsten Mal werden wir den Cinematic Look bei der Canon 5D ausschalten, welcher den Bildern schon beim Aufnehmen einen Look verpasst.
  • Im Nachhinein hätten wir wohl noch mehr B-Roll gefilmt – es gibt nie genug B-Roll!
  • Die Instagram-Storys durften maximal 15 Sekunden lang sein. Diese Zeitspanne merzten wir meist auf die letzte Zehntelssekunde aus. Bei zwei Statements mussten wir den Schlussteil aufgrund der Länge etwas unschön schneiden. Bei einem nächsten Mal lieber nur 12 Sekunden-Statements vorbereiten und dafür noch Raum zum Atmen lassen.
  • Das Untertiteln der Videos gestaltete sich aufwändiger als gedacht. Wir konnten das Untertitel-Template von SRG Insider nicht direkt ins Premiere ziehen und dort Untertitel für Untertitel anpassen. Jeden Untertitel musste einzeln im After Effects erstellt und exportiert werden, was ein grosser Zeitaufwand mit sich brachte.
  • Bei der Auswahl der Musik erhielten wir Zugang zur Musikdatenbank der SRG, die so ziemlich jeden Song enthält, den man sich vorstellen kann. Die gezielte Suche nach brauchbaren Songs gestaltete sich allerdings aufgrund der komplexen und etwas veralteten Benutzeroberfläche innerhalb der Datenbank schwierig. Eine kurz vorgängige Einführung wäre für ein nächstes Mal nötig.

Alles in allem ein gelungenes Projekt mit guten Learnings, einem zufriedenen Auftraggeber und einmaligen Erfahrungen. Oder habt ihr schon mal eine SRF-Korrespondentin interviewt, währenddessen hinter euch neun weitere Journalisten zuschauen? – Ein spezielles Gefühl.

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