Camou

In der heutigen Zeit, in der Überwachung von zunehmender Bedeutung ist, stellt sich die Frage, inwiefern man sich überhaupt noch davon entziehen kann. Der Font «Camou» ist eine Möglichkeit, seine Botschaften zu schützen. Wir haben die Schrift entworfen und für euch getestet.

Wie funktioniert diese Schrift? Zugegeben, der Font selbst kann von einer Maschine, sei es von einem Scanner oder einem sonstigen Lesegerät, nur optisch nicht richtig interpretiert werden. Der Font selbst basiert auf den Ziffern 0 und 1, wodurch das Texterkennungsprogramm einzelne Buchstaben als Zahlen interpretiert. Das Ergebnis sind aneinandergereihte Zahlen und Buchstaben, die so keinen Sinn ergeben.

Test mit «Google Translate»
Dieser übersetzt den Inhalt über die Kameralinse in die gewünschte Sprache. Wir haben folgenden Text für euch getestet:

Ligatur 1980
Eine Ligatur bezeichnet in der Typografie die Verschmelzung zweier oder mehrerer Buch­staben einer Satzschrift zu einer Glyphe. Auch in handschriftlichen Kurrentschriften kommen Ligaturen vor. Dort entstanden diese entweder durch schnelle Schreibweise häufig genutzter Zeichenkombinationen oder zur optischen Korrektur!?

«Google Translate» interpretiert den Text jedoch folgendermassen:

hisotun 1980
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Wie man unschwer sieht, erkennt die App nur einzelne Wörter, die jedoch nicht ausreichen, um den Inhalt in einen entsprechenden Kontext zu bringen.

Der Testblock, gesetzt in «Camou».

Test mit «Tesseract»
Um jedoch sicher zu gehen, wurde der Font auch mit «Tesseract» getestet, einem optischen Texterkennungsprogramm, welches über das «Terminal» bedient wird. Dafür haben wir wiederum denselben Text verwendet. Hierbei kam folgendes Resultat heraus:

L’Igotub 1980
8106 L’Igo’LUP bege’lcboet 10 deb quogbofie d’le TevscbmeLguog 3wC1CP OdCt‘ mebbebeb Buchstobeo 6106b Sotgscbb’lft ’30 CJIOCD BLqpbe. Buch10 hoodschb’lm’lcbeo Huweotschb’lfieo Rommeo L180’L0beo TOD. DOD’L eotstoodeo d’lese eotwedeb dumb scboeLLe Scbbe’lbwe’lsehOuE‘Ig SCOUT/flab 861Cbeokomb1oot1ooeo odeb ’30P op’flscheo Homehtuvl?

Auch bei diesem Test scheitert das Programm, den Inhalt auch nur annähernd zu erkennen. Damit liefert unser Font das gewünschte Resultat und macht Sätze für Texterkennungsprogramme unlesbar. Gerne stellen wir unseren selbstentwickelten Font gratis über Digezz zum Download bereit. Hier noch eine Specimen-Vorschau des Fonts.

(le)

Kritik
von Diego Sturzenegger und Patrick Vögeli

Absicht

Im 5. Semester hatten wir im Modul «Visualisieren 5» das Thema «Camouflage». Dort wurde die Frage aufgeworfen: «What does it mean to be analyzed by machines?» (Zu Deutsch: «Was bedeutet es, von einer Maschine gelesen zu werden?»). Im Rahmen der Projektwoche entwarf Diego einen von Maschinen «nicht lesbaren» Font, sozusagen eine Art Gegenbewegung zu der «OCR-B» von Adrian Frutiger. Diese wurde in den 70er-Jahren speziell für Lesegeräte entwickelt und findet auch heute noch auf Identitätskarten und Pässen Verwendung.

Während diesem begrenzten Zeitraum wurden lediglich die deutschen Kleinbuchstaben gestaltet. Aufgrund der positiven Resonanz zahlreicher Kommilitonen entschied sich Diego, einen kompletten Zeichensatz des Fonts zu entwerfen und diesen exklusiv für Digezz als Gratis-Download zur Verfügung zu stellen. Für die Erweiterung und Digitalisierung der Schrift hat er sich mit Patrick zusammengetan, welcher sich ebenfalls für Typografie und Design begeistern kann.

Vorbereitung

Als Vorbereitung für diesen Beitrag dienten uns die bereits von Diego gestalteten Buchstaben vom Modul «Visualisieren 5». Diese waren zu diesem Zeitpunkt als Illustrator-Files abgespeichert. Wie man die Buchstaben als Font zusammenfasst, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Als wir nach Lösungen suchten, stiessen wir auf den Digezz-Beitrag von Myriam Frisano «Die Pinsel-Odyssee: Der Weg zum eigenen Brush Lettering Font». Der Beitrag erklärt sehr schön, wie man eine Schrift digitalisiert und was dabei berücksichtigt werden muss. Daraufhin installierten wir das Font-Programm «FontForge», damit wir nach der Erstellung aller nötigen Zeichen loslegen konnten.

Umsetzung

Uns war es ein Anliegen, eine funktionierende Schrift zu erstellen, die man auch für Dokumente brauchen kann. Die Gestaltung der Grossbuchstaben und Ziffern nahm schon viel Zeit in Anspruch, doch als wir mit den Sonderzeichen begannen, wurde uns erst richtig bewusst, wie viel Aufwand es braucht, eine verwendbare Schrift zu entwerfen.

Gerade die Sonderzeichen stellten sich doch als eher mühsam heraus. Als wir die Zeichen ins FontForge importierten, bemerkten wir, welche Zeichen und Buchstaben uns alle noch fehlten. Dann folgte ein erster Test der Schrift in InDesign, welcher uns wiederum auf fehlende Schriftzeichen hinwies. Schliesslich gab es fast ein Dutzend Testdurchläufe, bis wir alle nötigen Zeichen hatten.

Der Zeichensatz «Camou» im Programm «FontForge».

Plötzlich machten wir eine weitere Entdeckung in InDesign: Uns fehlten die Ligaturen. Um die Schrift leserlicher und flüssiger zu machen, erstellten wir Ligaturen für «fh», «fi», «fj», «fk», «fl», «ff», und «ffi», sowie für Doppelkonsonanten wie «rr» und «tt». Dies nahm erneut viel Zeit in Anspruch. Doch als das Werk vollendet war, konnten wir endlich aufatmen.

Selbstreflexion

Uns hat diese Arbeit riesig Spass gemacht. Die Erstellung einer solchen Schrift hatte uns schon immer fasziniert. Digezz bat uns schliesslich die Plattform, einen solchen Font zu entwerfen. Die Arbeit hat uns den Aufwand und die Komplexität eine solche Schrift zu entwerfen direkt vor Augen geführt. Dass es viel Zeit in Anspruch nehmen würde, war uns bewusst. Dennoch unterschätzten wir den Aufwand enorm.

Schade ist, dass es diesen Font nur in einem Schriftschnitt gibt. Mit der Erstellung mehrerer Schriftschnitte wäre der Aufwand doppelt oder sogar dreimal so gross geworden. Das hätte uns von der Zeit her nicht mehr gereicht.

Die Buchstaben könnten ein bisschen schöner ausgearbeitet sein, die Schrift selbst, könnte wie bereits erwähnt, mehrere Schriftschnitte enthalten. Doch wir verstehen unsere Schrift als einen Prototyp, welcher wie im Beitrag gezeigt, seinen Tarnungszweck erfüllt. Für das nächste Mal könnte man zusätzlich eine kurze Video-Dokumentation der Schrift erstellen, die das Leiden zweier MMP-Studenten beim Gestalten und Erstellen eines Fonts lebhaft zeigt.

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