Chey – Rapper und Modefan

In tausend Jahren, nach dem Weltuntergang, sucht ein Team von Archäologen nach Spuren der früheren Menschen und entdeckt die grossen Zeichen unserer Zeit: Jeans mit Löchern an den Knien, viel zu lange Shirts und Instagram. Diese Phänomene zelebriert der Winterthurer Rapper Chey in seinem neusten Song: Modefan.

In seinem Videoclip rappt Chey in einem alten verstaubten Keller (vielleicht einem Atombunker?) über Modefans, die ständig den neusten Trends hinterherlaufen. Dabei schaut der Rapper keineswegs auf die «Modefans» herunter. Etwas selbstironisch gibt er in seinem Song zu Protokoll, er selbst sei der grösste Modefan.

Chey ermutigt dazu, nicht auf negative Stimmen zu hören. Mit seiner neusten Single strahlt der Mundart-Rapper Lebensfreude aus. Freude an den kleinen Dingen, selbst wenn sie keinen entscheidenden Nutzen haben. Chey feiert die Modefans: «Es ist ok, Freude an den Trends zu haben, selbst wenn sie nur kurzfristig sind.» Trotzdem gehören Mode und Trends zu unserer Kultur, auch noch in tausend Jahren.

Hier also das Relikt unserer heutigen Zeit von Rapper Chey:

(ae)

Kritik
von Timo Stump

«Komm wir machen einen Film, ist nur ne kleine Sache.»
Mit diesen Worten beginnt jedes endlose Hyperprojekt, das einem alle Nerven raubt. Glücklicherweise fand der «Modefan« Videoclip aber ein Ende. Und sogar einige wenige Nerven blieben übrig. Trotzdem: Einmal mehr haben wir es unterschätzt.

Die Idee entstand im lockeren Gespräch über zwei Monitore hinweg – im Büro des Radiosenders, wo ich nebenbei arbeite. Der Ort für kreative Glanzleistungen schlechthin. Zwischen Diskussionen über selbstgeschriebene Büchern, eigene Songs und Filmproduktionen kam auch die Idee, unsere Fähigkeiten zu fusionieren: Mit einem Videoclip für den neusten Song des Rappers Chey– auch bekannt als mein Arbeitskollege.

Der Plan
Von Anfang an war klar, der Aufwand sollte sich in Grenzen halten. Denn wir weder viel Geld noch unendlich viel die Zeit. Die Lösung: Wir drehen nur an einem Ort. Nur einmal filmen. Nur einmal Equipment schleppen und aufbauen. Und an diesen Plan hielten wir uns vernünftig.

Auch der Song war schnell bestimmt: Chey hatte bereits einen Song in der Pipeline, der in den kommenden Monaten herauskommen sollte: Modefan. Ein Song darüber, wie wir der neusten Mode und den Trends hinterherlaufen. Ein leicht ironischer Song über die Freude an den kleinen und teilweise nutzlosen Dingen. Das sollte auch im Videoclip zum Ausdruck kommen. Mit witzigen, verspielten und trendigen Effekten. Eine spannende Sache, von der ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch kaum eine Ahnung hatte.

Mit einem Auge auf dem Text und der Musik auf den Ohren skizzierte ich auf einem Storyboard meine Ideen. Ich plante die wichtigsten Shots, um die Effekte überhaupt hinzukriegen. Ziemlich ausführlich für einen Dreh an nur einer Location, wie ich fand.

Der (einzige) Drehtag
Wir drehten im unbenutzten, fast leerstehenden Kellerabteil eines dritten Arbeitskollegen. Ein Hoch auf die Vetterli-Wirtschaft! Eine weitere Mitarbeiterin kam als Dreh-Assistentin zum Einsatz. Für den Dreh sollte ein verlängerter Nachmittag reichen, dachte ich. Einen genauen Zeitplan befand ich als nicht notwendig. Eine Entscheidung mit ermüdenden Konsequenzen, wie sich später herausstellte.

Im verstaubten Keller angekommen war zuerst einmal harte Arbeit angesagt: Mitten im kleinen Raum standen alte Schienen auf schweren Steinblöcken mit einer Ladung Paletten obendrauf. Meine geplante Bildkomposition liess dies nicht zu: Deshalb schrie der Regisseur in mir: Weg damit! Nach einer halben Stunde dreiköpfiger und sechsarmiger Kraftarbeit war ich zufrieden. Und dann ging's erst los.

Die kommenden Stunden lassen sich kurz zusammenfassen: Zeitaufwendiger Aufbau, gutgelaunte Drehstunden, müder Abbau. Statt bis zum frühen Abend zog sich der Dreh hin bis gut 22:00 Uhr. Grund dafür: Wir hatten keinen Zeitplan, keine Deadlines, die uns anspornten. Danach war die Luft draussen. Glücklicherweise zog sich die gutgelaunte Atmosphäre bis zum Schluss durch. Trotz mehreren Stunden Verspätung.

Die Arbeit danach
Auch wenn es nur ein Drehtag war, brachte ich ein grosses Datenpaket nach Hause, das nun auf meine Bearbeitung wartete. Der Anfang war mir bekannt. Schneiden nach Storyboard. Wie immer. Schon dort fiel mir auf: Die Strophen sind reich an Inhalt und bringen viel Abwechslung rein. Der Refrain lieferte aber nur spärlich Stoff, da ich auch im Voraus dafür am wenigsten geplant hatte.

Die grosse Herausforderung folgte mit den Effekten. Stundenlang schaute ich mir andere Musikvideos an und liess mich von den verschiedensten Tutorials inspirieren. Die besten Effekte sammelte ich dann und liess sie in den Videoclip einfliessen. Eine unglaublich aufwendige Arbeit. Jeder einzelne Effekt erforderte sehr viel Zeit und Liebe zum Detail. Und nicht nur einmal nahm ich die Effekte wieder auseinander und krempelte sie komplett um.

Gegen Ende der Postproduction stellte ich fest: Die Effekte passen nicht wirklich zusammen. Sie waren wild durcheinander, kein System war ersichtlich. Ich hatte mir die Ideen aus so vielen Quellen zusammengesucht, sodass mir nun die Effekt-Vielfalt zum Verhängnis wurde. Es fehlte eine Einheit. Deshalb ging ich nochmals einen Schritt zurück und reduzierte, um mit weniger und gezielteren Effekten eine bessere Wirkung zu erzielen.

Bis zum Schluss blieb der Refrain meine Knacknuss. Meine Aufnahmen beschränkten sich auf das Frage-Antwort-Spiel von Rapper Chey. Sonst hatte ich kaum andere Shots oder B-Roll auf Lager. Deshalb musste ich das Beste aus den vorhandenen Aufnahmen herausholen. Nach langem hin und her Entschied ich mich, die Frage-Antwort-Aufnahmen parallel zu zeigen. Die verschiedenen Aufnahmen sollten per Split-Screen dynamisch erscheinen und verschwinden. Ein weiterer Punkt der eine Menge Aufwand mit sich brachte.

Und die letzte kleine Hürde: Das Colorgrading. Eine Arbeit die ich sehr schätze, mich jedoch ebenfalls etwas herausgefordert hat. Ich machte die Aufnahmen mit zwei Kameras: Mit der Canon 5D Mark IV sowie der Canon C100 Mark II. Auf der C100 benutzte ich ausserdem ein Log-Farbprofil. Diese beiden, sehr verschiedenen Bildstile schlussendlich wieder aneinander anzugleichen, entpuppte sich als weitere kleine Herausforderung.

Fazit
Das Projekt «Modefan» war intensiv: anstrengend, aber lehrreich. Anstatt in einem Roman über meine Erfahrungen und mein Fazit zu berichten, mache ich es hier kurz. Folgende drei Punkte nehme ich aus dem Projekt mit:

1. Unterschätze nie ein Projekt
Auch das kleinste Projekt wird intensiver, als du denkst. Rechne immer mit viel Aufwand. Plane zu viel Zeit ein. Setz dir Ziele und Deadlines. Und plane auch Aufnahmen, die relativ einfach erscheinen im Voraus genau durch. Nur so kannst du das beste rausholen.

2. Halte die Leute bei guter Laune
Als Regisseur bist du am Dreh verantwortlich. Auch wenn etwas schief geht: Bleib konzentriert und freundlich. Motiviere. Sorge für eine gute Stimmung. Physisch, psychisch und mit einer gesunden Prise Humor.

3. Wage immer wieder Neues
Auch komplizierte Effekte und abgehobene Ideen sind möglich. Lass dich nicht entmutigen, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Wage dich aufs Glatteis. Und wenn es schiefgeht, dann steh wieder auf, geh zurück und finde einen anderen Weg.

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