Stage at home Konzerte

Corona-Projekt «Stage at home»

Die Coronakrise traf Kulturschaffende hart. Partys, Konzerte und Veranstaltungen aller Art konnten nicht durchgeführt werden. Um Kulturinteressierte trotzdem bedienen zu können und Kulturschaffenden eine Möglichkeit zu bieten, ihrer Arbeit weiterhin nachgehen zu können, wurde das Projekt «Stage At Home» ins Leben gerufen. Eine Zusammenarbeit von «Musikförderung Bern» und «Gärn Gschee – Bärn hiuft» in Partnerschaft mit «Gaskessel Bern», «pro Nachtleben Bern», «bewegungsmelder.ch», «Migros Kulturprozent», «Burgergemeinde Bern» und «Kultur Stadt Bern».

Corona trifft Kulturschaffende hart

Noch im März war in der Berner Kulturszene alles normal. Jedes Wochenende gingen hunderte junge bis alte Menschen aus dem Haus, um Musik zu hören, zu tanzen, sich zu vergessen und aus dem Alltag zu entfliehen. Plötzlich kam der Lockdown und alle Veranstaltungsorte durften ihre Türen nicht mehr öffnen. Die Normalität der Partys und der Exzesse wurden uns entrissen, genauso wie die Lebensgrundlage vieler Menschen, die sich in der Veranstaltungsbranche ihr Einkommen verdienten.

Eine langweilige und unterfordernde Zeit fing für viele Menschen an. Jedes Wochenende mussten wir daheim bleiben. Das Leben, oder zumindest der Teil des Lebens der Musik und soziale Interaktionen beinhaltete, verlagerte sich ins Internet. Eine spannende Erfahrung, wenn auch zumindest aus meiner Sicht nicht eine wünschenswerte Entwicklung.

Unzufriedenheit fördert Kreativität

Aber neue Umstände und Unzufriedenheit bieten eine gute Grundlage kreativ zu werden. Eine Gruppe von Menschen, die wie ich nicht gänzlich auf Kultur verzichten wollten, starteten das Projekt «Stage at home». Die Vision war relativ simpel: Kulturschaffende sollten weiterhin ihr Einkommen verdienen können und dem interessierten Publikum soll weiterhin gute Kultur geliefert werden.

Das Resultat: 16 Konzerte in acht Wochen für Partygänger*innen und Kulturinteressierte, direkt ins Wohnzimmer. Die letzte Ausgabe wird am 12. Juni vom Gurtenfestival gehostet.

Nr. 1: Soukey & Tomazobi

Soukey gilt als eine der vielversprechendsten Newcomerinnen im CH-Rap. Aus einer musikalischen Familie stammend, schrieb sie bereits als Kind ihre ersten Texte.

Tomazobi sind ein Haufen Herren aus Bern. Freunde, die mit viel Leidenschaft und nicht wenig Humor die weite Welt des Berner Mundart Troubadour ausloten.

Nr. 2: Studeyeah & Jessiquoi

Sänger Stude und seine drei Mitmusiker klingen leicht trashig und überraschend leichtfüssig. Die kreativen Zeilen mit alten berndeutschen Ausdrücken und Bieler Slang sind mit sphärischen Synthi-Klängen untermalt.

Jessiquoi ist eine ursprünglich aus Australien stammende und jetzt in der Schweiz lebende Musikproduzentin und Performerin. Ihre Beats bewegen sich irgendwo zwischen Electronica und Rap, mit einer Prise Pop.

Nr. 3: Lia Sells Fish & Eskimo

Die zwei Berner Musiker Takeshi Röthlisberger und Ricky Casablanca haben es sich zum Ziel gemacht, den Schweizer Alltag zu vertonen. Mundartgeschichten mit Geschichten zwischen den Geschichten.

Ruhig geatmet hat Christine Hasler kaum je. Seit über einem Jahrzehnt ist die Musikerin und Performerin unterwegs, sei es mit Theater- und Tanzproduktionen oder als ihr Alter Ego, die Singer-Songwriterin Lia Sells Fish.

Nr. 4: Biandapid & Rafael Kasma – Hosted by KAPITEL Bollwerk

Biandapid, das sind die beiden Bernerbuben Kenny Niggli (keys) und Fabian Hänni (drums). Mal sphärisch und fein verwoben, mal pumpend hässig, treibt uns die Musik stetig voran, tiefer hinein in Klangsphären, die frei improvisiert einen diversen Teppich weben, der sowohl im Club als auch in einer Konzerthalle eine gute Falle macht.

Wilde Musik mit struben Tempowechseln – das ist Rafael Kasma. Der Berner produziert, legt auf, ist Live-Act und hat mit seinem jungen Alter bereits einige Releases vorzuweisen.

Nr. 5: Kate Birch & Namaka – Hosted by bee-flat im PROGR

Kate Birch hat die Stadt-Menschen genau studiert: Sie eilen vorbei und hören nicht zu, weder ihrer inneren Stimme noch den Klängen ihrer Umwelt. Stille und Innehalten bilden den Nährboden für kreative Lebendigkeit.

Namaka suchen nach einem konstanten Austausch zwischen analog und digital, zwischen organisch und mechanisch. Philipp Schlotter (Me&Mobi, Swatka City) und Fred Bürki (Anna Aaron, Me&Mobi) kreieren einen Klangkörper zwischen Schlichtheit und Extravaganz, auf dem die Stimme von Sophie Adam hypnotisch goldene Linien zieht.

Nr. 6: Irina & Jones und Jay Jules – Hosted by Gaskessel Bern

Das Duo Irina & Jones serviert Soul auf engstem Raum. Möglich macht’s eine abenteuerliche Apparatur aus Pedalen und Schläuchen, die es Jonas Zahnd ermöglicht, gleichzeitig als Gitarrist und Drummer zu figurieren.

Jay Jules war schon mit knappen 6 Jahren fasziniert von der Hip-Hop-Kultur. Aufgewachsen in geschiedenen multikulturellen Haushalten, musste er schon früh lernen, zwischen zwei Welten hin und her zu pendeln.

Der Gaskessel bemüht sich eine inklusive Location zu sein. Daher wurden je zwei Songs sowie alle Moderationen auf Gebärdensprache übersetzt.

Nr. 7: Casanora & Baze & Fabian M. Mueller – Hosted by ISC Club Bern

Casanora, die junge Berner Künstlerin mit italienischen Wurzeln, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Grenzen zu sprengen. Seit ihrem 16. Lebensjahr produziert sie Musik. Diese hat sie in den letzten zehn Jahren zu einer faszinierenden eigenen künstlerischen Sprache verdichtet, unter anderem während ihres Sound-Arts-Studiums an der Hochschule der Künste Bern.

Nach dem Musikpreis des Kanton Berns (2017) und dem Swiss Music Prize (2018), erhielt Baze diesen Februar 2020 an den Swiss Music Awards den «Artist Award» für sein zwanzigjähriges künstlerisches Schaffen.

Nr. 8: 12.06.2020 Das grosse Finale – Acts TBA – Hosted by Gurtenfestival

Die Acts werden im Laufe der Woche bekannt gegeben.

(bae)

Kritik
von Manuel Schneider

Ungewisser Anfang

Das Projekt wurde im Eiltempo aufgegleist. Etwa zwei Wochen vor der geplanten Erstausstrahlung wurde ich angefragt, ob ich mich als Verantwortlicher für das Kamera-Setup sowie Stream-Technologie verpflichten will.

Natürlich war meine Antwort ja! Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch noch herzlich wenig Erfahrung was dieses Metier betrifft. Aber ich war gelangweilt und an der Materie sehr interessiert.

Wie gross und mit welchen Qualitätsansprüche diesen Projekt herkommen sollte war noch nicht bekannt. Dies hing von diversen Variablen ab: Welches Equipment steht uns zur Verfügung? Wieviel Budget haben wir? Wie viele Menschen dürfen vor Ort beteiligt sein?

Viel Bauchgefühl und learning on the spot war gefragt!

Grossartige Unterstützung von der BFH!

Als ersten Schritt kontaktierte ich meinen Dozenten Andrin Egger. Er war sofort bereit mir mit Rat und Equipment zur Seite zu stehen. An dieser Stelle nochmals: Vielen Dank Andrin!

Erste Tests

Zuerst testeten wir eine ganz simple Lösung: Die Mevo Boost Kamera zeichnet 4K auf. Auf dem aufgezeichneten Frame kann man dann zwischen verschiedenen, vordefinierten Kamera-Ausschnitten hin und her schalten. Auch die benötigte Streaming-Technologie hätte dieses Gerät schon beinhaltet.

Leider mussten wir sehr schnell merken, dass diese Lösung nicht unseren Ansprüchen gerecht wurde. Zu wenig lichtstark, zu statische Bilder.

Ich kontaktierte Andrin noch einmal, um ihm meine Bedenken zu schildern. Er verstand sofort was ich meinte und wir arbeiteten zusammen die finale Lösung aus.

TV-Studio mit dem Bus vom SRF in den Gaskessel

Das setup, für welches wir uns entschieden, war das TV-Studio des MMP-Studiengangs. Ein grosser Turm, mit Live-Schnitt-Switcher, Teradek VidiU Streaming-Box, drei Blackmagic-Studiokameras und sehr, sehr vielen Kabel.

Zusammen fuhren Andrin, Lukas (ein guter Freund von mir mit einem Bus) und ich das ganze Material in den Gaskessel. Zu diesem Zeitpunkt kam auch Mathieu Gabi von der Firma Bildsektor dazu. Er steuerte schlussendlich noch vier kleine, neuere Studiokameras und eine grosse, bewegte URSA-Kamera bei.

Somit waren wir gewappnet, Live-Produktionen zu starten, die sogar das SRF neidisch machen dürften!

Licht und Audio als weitere Herausforderung

Licht

Das Bild war nur eine der drei grossen Baustellen. Die Bühnenbelichtung musste anders als bei einer herkömmlichen Live-Show muss das Licht nicht auf das Ambiente im Raum abgestimmt werden, wo schwaches Licht meist den besten Effekt erzielt. Das Licht musste hell genug sein, damit für den Endkonsumenten alles gut sichtbar ist, aber nicht zu hell, so dass die Künstler*innen immer noch gut performen konnten. Glücklicherweise gibt es in Bern viele junge, talentierte Lichttechniker*inne, die stets fantastische Arbeit leisteten.

Ton

Beim Audio stellten sich uns schnell ähnliche Herausforderungen: Anders als bei einer Herkömmlichen Produktion wurde das Konzert nicht nur über das PA (Public Adress - Clubsound-Anlage) als Output gesendet, sondern auch noch als Stereo-Signal auf meine Schnitt-Station.

Dies hatte zu Konsequenz, dass wir jeweils mit zwei Audiotechniker*innen arbeiten mussten. Eine war für den Sound im Haus verantwortlich und eine für das Signal, welches via SDI-Kabel auf meinem Stream landete.

Beide Sound-Pegel mussten konstant kontrolliert werden, damit wir im Raum aber auch die Leute zu Hause nicht mit einem zu leisen Signal, oder noch schlimmer, mit Tinitus und kaputten Boxen weiterleben mussten.

Dies lief eigentlich jeweils sehr gut. Manchmal passierten kleinere Fehler, wie zum Beispiel ein Mikrofon, welche für die Moderation zu früh - oder zu spät - gepegelt wurde.

Nur einmal war die Arbeit sehr mühsam, als eine der Bands ihren eigenen, unerfahrenen Soundtechniker brachten, der sie abmischen sollte. Er war sehr gestresst und als folge eher unkooperativ. Den Sound denn er über das PA sendete war beim Soundcheck zwischenzeitlich bei durchschnittlich 104 DB (das ist in einem leeren Raum so laut, dass einem die Ohren richtig weh tun und eine Kommunikation im Raum gänzlich verunmöglicht). Nach etlichem Zureden konnten wir ihn dann endlich überzeugen, mit der Lautstärke ein bisschen zu chillen.

Meine Rolle als Regie

Auf der einen Seite fühle ich mich in der Rolle als Dirigent sehr wohl, da dies genau die Rolle ist, in der ich mich auch in meinem Berufsleben befinde. Koordination und Überblick macht mir meist keine Probleme.

Meine Arbeit bei Stage at home beinhielt jedoch nicht nur Zeitmanagement und Overview sondern auch die ganzen Technischen Aspekte des streams. Zudem war ich auf Grund der ganzen Hardware gezwungen stets stationär zu arbeiten. Dies ist auf der einen Seite eine Entlastung, denn was nicht unmittelbar neben mir passiert geht mich nichts an, auf der anderen Seite wäre es manchmal auch praktisch gewesen, mit den Lichttechniker*innen und Tontechniker*innen sprechen zu können. Während den Streams konnten wir uns nur mit Zeichensprache Verständigen.

Fazit

Stage at home war für mich bisher ein sehr spannendes und lehrreiches Projekt! Bisher lief alles mehr oder weniger reibungslos. Dank allen die mit einem riesigen Engagement mitgemacht haben, und ohne finanzielle Motivation ein cooles Projekt auf die Beine stellen wollten.

Ich persönlich habe nun einen Einblick in eine Welt erhalten, in der ich mich auch in Zukunft gut sehen könnte. Mal schauen was draus wird!

Ich bin sehr gespannt auf das grosse Finale nächste Woche und freue mich schon auf die (hoffentlich) bald stattfindende Abschlussparty des ganzen Stage at home-teams!

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