Corona trifft Kulturschaffende hart
Noch im März war in der Berner Kulturszene alles normal. Jedes Wochenende gingen hunderte junge bis alte Menschen aus dem Haus, um Musik zu hören, zu tanzen, sich zu vergessen und aus dem Alltag zu entfliehen. Plötzlich kam der Lockdown und alle Veranstaltungsorte durften ihre Türen nicht mehr öffnen. Die Normalität der Partys und der Exzesse wurden uns entrissen, genauso wie die Lebensgrundlage vieler Menschen, die sich in der Veranstaltungsbranche ihr Einkommen verdienten.
Eine langweilige und unterfordernde Zeit fing für viele Menschen an. Jedes Wochenende mussten wir daheim bleiben. Das Leben, oder zumindest der Teil des Lebens der Musik und soziale Interaktionen beinhaltete, verlagerte sich ins Internet. Eine spannende Erfahrung, wenn auch zumindest aus meiner Sicht nicht eine wünschenswerte Entwicklung.
Unzufriedenheit fördert Kreativität
Aber neue Umstände und Unzufriedenheit bieten eine gute Grundlage kreativ zu werden. Eine Gruppe von Menschen, die wie ich nicht gänzlich auf Kultur verzichten wollten, starteten das Projekt «Stage at home». Die Vision war relativ simpel: Kulturschaffende sollten weiterhin ihr Einkommen verdienen können und dem interessierten Publikum soll weiterhin gute Kultur geliefert werden.
Das Resultat: 16 Konzerte in acht Wochen für Partygänger*innen und Kulturinteressierte, direkt ins Wohnzimmer. Die letzte Ausgabe wird am 12. Juni vom Gurtenfestival gehostet.
Nr. 1: Soukey & Tomazobi
Soukey gilt als eine der vielversprechendsten Newcomerinnen im CH-Rap. Aus einer musikalischen Familie stammend, schrieb sie bereits als Kind ihre ersten Texte.
Tomazobi sind ein Haufen Herren aus Bern. Freunde, die mit viel Leidenschaft und nicht wenig Humor die weite Welt des Berner Mundart Troubadour ausloten.
Nr. 2: Studeyeah & Jessiquoi
Sänger Stude und seine drei Mitmusiker klingen leicht trashig und überraschend leichtfüssig. Die kreativen Zeilen mit alten berndeutschen Ausdrücken und Bieler Slang sind mit sphärischen Synthi-Klängen untermalt.
Jessiquoi ist eine ursprünglich aus Australien stammende und jetzt in der Schweiz lebende Musikproduzentin und Performerin. Ihre Beats bewegen sich irgendwo zwischen Electronica und Rap, mit einer Prise Pop.
Nr. 3: Lia Sells Fish & Eskimo
Die zwei Berner Musiker Takeshi Röthlisberger und Ricky Casablanca haben es sich zum Ziel gemacht, den Schweizer Alltag zu vertonen. Mundartgeschichten mit Geschichten zwischen den Geschichten.
Ruhig geatmet hat Christine Hasler kaum je. Seit über einem Jahrzehnt ist die Musikerin und Performerin unterwegs, sei es mit Theater- und Tanzproduktionen oder als ihr Alter Ego, die Singer-Songwriterin Lia Sells Fish.
Nr. 4: Biandapid & Rafael Kasma – Hosted by KAPITEL Bollwerk
Biandapid, das sind die beiden Bernerbuben Kenny Niggli (keys) und Fabian Hänni (drums). Mal sphärisch und fein verwoben, mal pumpend hässig, treibt uns die Musik stetig voran, tiefer hinein in Klangsphären, die frei improvisiert einen diversen Teppich weben, der sowohl im Club als auch in einer Konzerthalle eine gute Falle macht.
Wilde Musik mit struben Tempowechseln – das ist Rafael Kasma. Der Berner produziert, legt auf, ist Live-Act und hat mit seinem jungen Alter bereits einige Releases vorzuweisen.
Nr. 5: Kate Birch & Namaka – Hosted by bee-flat im PROGR
Kate Birch hat die Stadt-Menschen genau studiert: Sie eilen vorbei und hören nicht zu, weder ihrer inneren Stimme noch den Klängen ihrer Umwelt. Stille und Innehalten bilden den Nährboden für kreative Lebendigkeit.
Namaka suchen nach einem konstanten Austausch zwischen analog und digital, zwischen organisch und mechanisch. Philipp Schlotter (Me&Mobi, Swatka City) und Fred Bürki (Anna Aaron, Me&Mobi) kreieren einen Klangkörper zwischen Schlichtheit und Extravaganz, auf dem die Stimme von Sophie Adam hypnotisch goldene Linien zieht.
Nr. 6: Irina & Jones und Jay Jules – Hosted by Gaskessel Bern
Das Duo Irina & Jones serviert Soul auf engstem Raum. Möglich macht’s eine abenteuerliche Apparatur aus Pedalen und Schläuchen, die es Jonas Zahnd ermöglicht, gleichzeitig als Gitarrist und Drummer zu figurieren.
Jay Jules war schon mit knappen 6 Jahren fasziniert von der Hip-Hop-Kultur. Aufgewachsen in geschiedenen multikulturellen Haushalten, musste er schon früh lernen, zwischen zwei Welten hin und her zu pendeln.
Der Gaskessel bemüht sich eine inklusive Location zu sein. Daher wurden je zwei Songs sowie alle Moderationen auf Gebärdensprache übersetzt.
Nr. 7: Casanora & Baze & Fabian M. Mueller – Hosted by ISC Club Bern
Casanora, die junge Berner Künstlerin mit italienischen Wurzeln, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Grenzen zu sprengen. Seit ihrem 16. Lebensjahr produziert sie Musik. Diese hat sie in den letzten zehn Jahren zu einer faszinierenden eigenen künstlerischen Sprache verdichtet, unter anderem während ihres Sound-Arts-Studiums an der Hochschule der Künste Bern.
Nach dem Musikpreis des Kanton Berns (2017) und dem Swiss Music Prize (2018), erhielt Baze diesen Februar 2020 an den Swiss Music Awards den «Artist Award» für sein zwanzigjähriges künstlerisches Schaffen.
Nr. 8: 12.06.2020 Das grosse Finale – Acts TBA – Hosted by Gurtenfestival
Die Acts werden im Laufe der Woche bekannt gegeben.
(bae)