D4T4b3Nd1ng! – Databending mit Audacity

Data-was? Bending? Noch nie gehört? Kein Problem, das verstehen die wenigsten. Deshalb: Databending bezeichnet den Prozess, Daten zu “benden”, also zu verbiegen. Hier in diesem Artikel sind Daten Bilder, die verzerrt werden. Du siehst, halb so wild, das Ganze.

Databending?

Sucht man auf Google nach Databending, findet man zwar keinen direkten Wikipedia-Artikel dazu, jedoch einen verwandten. Einen über Glitch Art. Darin steht, dass Glitch Art die Ästhetisierung von digitalen oder analogen Fehlern sei, wie etwa Artefakte oder andere Bugs. Es entsteht, wenn entweder Daten digital manipuliert werden oder wenn physikalisch an elektronischen Geräten herumgebastelt wird. (Den physikalischen Aspekt nennt man dann Circuit Bending.)

(Falls du MMP-studierend bist und noch eine handfeste Idee für dein nächstes Digezz-Projekt benötigst, wäre Circuit Bending doch etwas. Du brauchst nebst einem Lötkolben zum Beispiel nur noch das alte Transistorradio deiner Grossmutter und kannst dann auch schon loslegen.)

Databending & Audacity

Databending kann auf verschiedenste Arten geschehen. Hier wurden Bilder als unkomprimierte Rohdaten ins wundervolle Audioprogramm Audacity geladen, Audioeffekte appliziert und die Daten wieder gespeichert. Das coole Ding daran ist, dass Audicity die Bilddaten behandelt, als wären sie Ton. Man kann sie deshalb sogar abspielen:

Klicke auf den Player um zu hören, wie ein Bild einer Galaxie tönt, nachdem es ins Audacity geladen wurde:

Da Audacity davon ausgeht, es handle sich um Tondaten, kann man Audioeffekte wie zum Beispiel Hall oder Echo auf den vermeindlichen Ton anwenden und die veränderten Tondaten dann wieder als Bild speichern. Was dann herauskommt ist das, was Wikipedia als Glitch-Art bezeichnet und aussieht, als wäre die Grafikkarte des Computers kaputt.

TL;DR (wat?)

Databending bedeutet verzerren von Daten. Ich habe Bilder im Audioprogramm Audacity bearbeitet und herausgekommen sind kaput aussehende Bilder.

Tutorial

Jetzt wird’s technisch: In den folgenden Abschnitten wird erklärt, wie Databending mit Audacity genau funktioniert und wie du vorgehen musst, um selber einen solchen visuellen Effekt zu erzielen.

1. Bilder vorbereiten

Damit die Bilddaten auch nach der Bearbeitung mit Audacity noch Bilddaten sind, müssen sie in einem nicht-komprimierten Format gespeichert werden. Hierzu gibt es folgende drei Möglichkeiten:

  1. BMP Bitmap
  2. TIFF (Pixel Order: Interleaved)
  3. RRGGBB TIFF (Pixel Order: Per Channel, kurz RGB-TIFF)

Deine Bilddatei öffnest du am besten im Photoshop und speicherst sie im gewünschten Format ab. Die coolsten Resultate erzielst du mit dem Format #3 (Tiff, per Channel), da die Farben nach RGB Kanal geordnet von links nach rechts im Audacity erkennbar sind. Jedoch ist dieses Format auch das fragilste von allen, d.h. es kann vorkommen, dass die Daten nach dem Export aus Audacity nicht mehr lesbar sind.

2. Import in Audacity

Um die Bilddaten als Tonwerte in Audacity zu kriegen, öffnest du Audacity und wählst im Menu File -> Import -> Raw Data. Danach selektierst du dein Bild im gewünschten Format und verwendest im Importfenster folgende Einstellungen:

Encoding: A-Law
Byte order: Little-endian
Channels: 1 Channel (mono) (Standardwert)
Start offset: 0 (Standardwert)
Amount to import: 100% (Standardwert)
Sample Rate 44100 Hz (Standardwert)

Jetzt hast du in Audacity eine Mono-Tonspur mit deinen Bilddaten. Sofern du ein Tiff mit getrennten Farbkanälen importiert hast, erkennst du ungefähr, von wo bis wo die einzelnen Farbkanäle gehen.

Screen-Shot-2014-04-10-at-10.37.27

3. Effekt anwenden

Einen Effekt anwenden ist ganz einfach. Markiere entweder die gesamte Spur oder einen Ausschnitt daraus, wähle im Menu unter Effect einen Effekt aus, wähle im Effektfenster die gewünschten Einstellungen und klicke OK. Voilà!

Stolperfalle Spurlänge

Einige Effekte verändern die Länge der Tonspur in Audacity, was dazu führen kann, dass nach dem Export die Bilddatei nicht mehr lesbar ist. Um dies zu vermeiden ist Folgendes zu beachten:

  • Möglichst am Anfang und Ende der Datei ca. 5 Sekunden unbearbeitet lassen, um den Header der Datei nicht zu beschädigen. Ein Dateiheader beschreibt, was in der Datei in welcher Form zu finden ist. Ist dieser beschädigt, kann das Bild u.U. nicht mehr geöffnet werden.
  • Wenn Effekte die Länge der Tonspur verändern, kann man einen Workaround benutzen, um den Effekt trotzdem verwenden zu können. Dazu erstellt man eine neue Spur (im Menu unter Tracks -> Add New -> Audio Track), kopiert die unveränderten Audiodaten auf diese Spur und wendet den Effekt auf einer der beiden Spuren an. Dann markiert man in der unbearbeiteten Spur einen Bereich und teilt ihn via Menubefehl Edit -> Clip Boundaries -> Split auf. Jetzt wird in der bearbeiteten Version der Bereich markiert (der Cursor rastet ein), man kopiert die bearbeiteten Daten im Bereich, wechselt auf die andere Spur und fügt die Daten an der gewünschten Stelle ein (Doppelklick markiert die Daten im gesplitteten Bereich). Jetzt hat der Track die selbe Länge wie vorher, beinhaltet aber veränderte Daten. Für den Export die nicht verwendete Tonspur entweder löschen oder auf Mute setzen.

4. Exportieren aus Audacity

Hat man einen oder mehrere Effekte angewendet, können die Daten wieder gespeichert werden. Wichtig dabei ist, dass wieder unkomprimierte Raw-Daten exportiert werden. Dazu wählt man in Audacity im Menu File -> Export und selektiert unter Format “Other uncompressed files”. In den Options wählt man RAW (Header-less) aus und für das Encoding: A-Law wieder die selbe Option wie beim Importieren. Dann gibt man der Datei noch einen geeigneten Namen mit dem korrekten Format (Endung .bmp oder .tiff) und klickt auf Save.

5. Voilà!

Fertig! Falls dein Photoshop die Datei nicht öffnen kann, versuche es einmal mit einem kleineren bzw. robusteren Tool wie Paint (PC) oder Vorschau (Mac).

Beispiele

Damit du nicht alle Effekte selber durchtesten musst, habe ich dir hier Beispielbilder inkl. dem verwendeten Bildformat (BMP oder RRGGBB-TIFF) und den angewendeten Effekteinstellungen. So kannst du schauen, welchen visuellen Effekt du ungefähr erzielen möchtest und dann musst du nur noch die Audacity Einstellungen gemäss Beschreibung verwenden und fertig. Viel Spass!

Unbearbeitete Bilder

Ich habe mit folgenden zwei Beispielbildern gearbeitet um die Effekte aufzuzeigen.

Ananas_Original
Unbearbeitetes Bild

ccgalaxy
Unbearbeitetes Bild

Bass Boost

CCGalaxy_RGB_BassTreble-04
Bass Boost RGB-TIFF: Bass +15db, , Treble +15db, Level 0 (Alle Kanäle)

CCGalaxy_BMP_BassTreble-02
Bass Boost BMP: Bass 0, Treble +15db, Level –1.0db

CCGalaxy_BMP_BassTreble-01
Bass Boost BMP: Bass +15db, Treble 0, Level –1.0db

Ananas_BMP_BassTreble_02
Bass Boost BMP: Bass 0, Treble +15db, Level –1.0db

Change Pitch

ccgalaxy_rgb_pitch_01
RGB-TIFF: +0.5% Change Pitch

ccgalaxy_bmp_pitch_01
BMP: +0.05% Change Pitch

ananas_rgb_pitch_01
RGB-TIFF: +0.5% Change Pitch

Change Speed

Change Speed und Change Tempo machen – anders als im Audiobereich – mit den Bildern das selbe.
ccgalaxy_rgb_speed_02
RGB-TIFF: Change Speed –50% (Bereich RG)

ccgalaxy_rgb_speed_01
RGB-TIFF: Change Speed –5%

ccgalaxy_bmp_speed_02
BMP: Change Speed –50%

Echo

ananas_rgb_echo_05
Echo RGB-TIFF: Time 0.3s / Decay: 0.7

Equalisation

ccgalaxy_bmp_equalisation_02
BMP: AM Radio Preset Equalisation

ananas_rgb_equalisation_02
RGB-TIFF: AM Radio Preset Equalisation

Invert

ccgalaxy_rgb_invert
RGB-TIFF: Inverted

Ananas_BMP_invert
BMP: Inverted

Noise Removal

Zuerst Noise-Profile capturen via Button
ccgalaxy_rgb_noiseremoval_01
RGB-TIFF: 24db Noise Removal (nur erster Slider, die anderen haben keinen Impact)

Ananas_RGB_NoiseRemoval_03
RGB-TIFF: 48db Noise Removal

Ananas_BMP_NoiseRemoval_03
BMP: 48db Noise Removal

Normalize

Erste Checkbox anklicken, nicht über 0 gehen
ccgalaxy_rgb_normalize_01
RGB-TIFF: Normalize -50db

Ananas_RGB_normalize_02
RGB-TIFF: Normalize -25db

Paulstretch

Import/Export: mit A-Law Einstellung
Ananas_BMP_paul_01
Paulstretch BMP: Stretch Factor 10 / Time Resolution 0.25

Phaser

ccgalaxy_rgb_phaser_01
RGB-TIFF: Default settings, 2 stages Phaser

ananas_rgb_phaser_02
RGB-TIFF: Default settings, 6 stages Phaser

Phaser Einstellungen kurz erklärt

Stages: Wieviele Kurven das Bild verzerren
Dry/Wet: Phasenintensität. Bei 0 macht der Phaser nichts
LFO Freq: Wie nahe beieinander die Kurven sind
LFO Start Phase: Wo die Phasen starten
Depth: Wie breit und intensiv Phasen sind. Bei 0 macht der Phaser nichts.
Feedback: Je höher desto grösser die Verzerrung

Repeat

ccgalaxy_rgb_repeat_01
RGB-TIFF: Repeat-Bereich am Anfang markiert

ccgalaxy_bmp_repeat_01
BMP: Repeat-Bereich am Anfang markiert

Ananas_RGB_repeat_02
RGB-TIFF: Repeat-Bereich in der Mitte markiert

Ananas_BMP_repeat_02
BMP: Repeat-Bereich in der Mitte markiert

Reverse

Einzelne Bereiche markieren und reversen.

ccgalaxy_rgb_reverse_01
RGB-TIFF Reversed

Ananas_RGB_reverse_01
RGB-TIFF Reversed

Wahwah

Bereich markieren und Effekt anwenden.

ccgalaxy_rgb_wah_01
RGB-TIFF: Wahwah Standard Values (LFO Freq 1.5; LFO Phase 0; Depth 70; Resonance 2.5; Freq Offset30;)

Ananas_RGB_wah_01
RGB-TIFF: Wahwah Standard Values (LFO Freq 1.5; LFO Phase 0; Depth 70; Resonance 2.5; Freq Offset30;)

ccgalaxy_rgb_wah_03
RGB-TIFF: Wahwah Resonance 6, 2x angewendet

Delay

ccgalaxy_rgb_delay_02
RGB-TIFF: Bouncing Ball Delay (–6db, 0.3s, 0, 5)
Ananas_RGB_delay_01
RGB-TIFF: Default Delay Settings (Regular Delay, –6db level, time 0.3s, pitch 0, number 5

Reverb

ccgalaxy_rgb_reverb_01
Reverb RGB-TIFF: Room Size 75; Pre-delay 10; Reverb 50; Damping 50; Low 100; High 100; Wet Gain–1; Dry Gain –1; Stereo 100

Ananas_RGB_reverb_01
Reverb RGB-TIFF: Room Size 75; Pre-delay 10; Reverb 50; Damping 50; Low 100; High 100; Wet Gain–1; Dry Gain –1; Stereo 100

Notch Filter

ccgalaxy_rgb_notch_01 RGB-TIFF: RGB-TIFF: Freq 60 & Q 1.0 Notch Filter

Ananas_RGB_notch_01
RGB-TIFF: Freq 60 & Q 1.0 Notch Filter


Bild Galaxie: Creative Commons License from Flickr