Dalí 2.0

Hinter einem Photoshop-Kunstbild steckt meist mehr als nur ein paar vollautomatisierte Photoshop-Filter. Was früher die Malkünstler wie Salvador Dalí mit ihren Pinseln zauberten, kreieren heute auch viele Künstler am Computer – oft mit ähnlichem Zeitaufwand und nicht mit geringerer Qualität.

Seien wir ehrlich, jeder hatte doch schon komische Phantasien! Das ist jetzt absolut nicht sexuell gemeint – für alle, die hier abschweifen. Aber vielleicht habt ihr schon daran gedacht, wie toll es wäre, wenn aus dem Wasserhahn Champagner fliesst oder wie das wohl aussehen würde, wenn wir Menschen auf einem anderen Planeten wohnen würden?

Seit es den Menschen gibt, existieren auch solche Gedanken und Vorstellungen der Welt. Damit diese Gedanken und Fantasien kein Luftschloss bleiben und einfach wieder verfliegen, schreibt man sie nieder, zeichnet, verfilmt oder modelliert sie. Auch die Bilder von Giorgio de Chirico oder Salvador Dalí zeigen deren Fantasien und Vorstellungen einer «anderen Welt». Es kann sehr faszinierend sein, solche Werke zu betrachten und die Fantasie und Vorstellung eines anderen Menschen zu sehen, man kennt ja sonst nur seine eigenen.

Dank der Digitalisierung ist eine neue Kunstrichtung entstanden, in welcher Künstler ihre eigene (digitalen) Welten – sogenannte Composings – erschaffen. Zuerst für die Fotobearbeitung entwickelt, hat sich Photoshop zur Malpalette des 21. Jahrhunderts gemausert. Photoshop-Artists wie Matthias Schwaighofer (nicht der Schauspieler), Pavel Kaplun oder Peter “Brownz” Braunschmid haben diese Community im deutschsprachigen Raum massgebend geprägt.

Im Selbstversuch, solche Composings selbst zu kreieren, sind nach einem Workshop, unzähligen angeschauten Tutorials und einem iterativen Designprozess die folgenden zwei Werke entstanden. Für die Anzeige in voller Auflösung bitte auf das Bild klicken.

Dali 2.0 - Finalbild 1
Dali 2.0 - Finalbild

(fs)

Kritik
von Manuel Rupp und Sonja Bandli

Die Idee

Während einem Fotoshooting für ein früheres Digezz-Projekt haben wir uns über (surreale) digitale Fotomontagen - sogenannte Composings - unterhalten. Dabei entdeckten wir unsere gemeinsame Leidenschaft für surreale Bilder von klassischen Künstlern wie Salvador Dali oder Digital-Artists wie Matthias Schwaighofer. Aus diesem Grund beschlossen wir, ein entsprechendes Projekt zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren.

Als nun der Zeitpunkt der Realisation gekommen war, entschieden wir uns gleich zu Beginn für den iterativen Designprozess, da wir mit diesem Verfahren schon einige erfolgreiche Ergebnisse produziert haben und sich das Projekt über mehrere Monate erstrecken sollte. Wir entwickelten unsere Grundidee also lieber immer weiter als sie ruckzuck umzusetzen. Ziel des Projekts war herauszufinden, ob und mit wie viel Aufwand ein surreales (digitales) Kunstwerk zu realisieren ist. Nebst dem zeitlichen Aufwand, der auch in der Malerei grösstenteils von der Ideensuche in Anspruch genommen wird, sollte zusätzlich untersucht werden, wie viel Geld dazu nötig ist.

Fun facts

Dali 2.0 - Tabelle

Prozess

Vom ersten Gedanken bis zur Fertigstellung des Projekts verging über ein Semester. Wir starteten in den Sommerferien 2016 und vollendeten das Projekt im Januar 2017. Dabei führte uns der Prozess durch verschiedene Stationen - immer wieder unterbrochen durch grössere Pausen - um neue Denkansätze zu entwickeln. Um Zeit und schlussendlich auch Geld zu sparen entschieden wir uns, nicht alle Bilder selbst zu machen sondern teilweise auf Stockbilder von Unsplash, Shutterstock und Fotolia zurückzugreifen. In einem Workshop in Wien lernten wir, dass lizenzfreie Bilder durch eine verhältnissmässig kleine Entschädigung eine gute (und teilweise sogar unabdingbare) Ergänzung sind oder sein können. Im Falle von Unsplash sind die Bilder kostenlos und uneingeschränkt nutzbar (“do-whatever-you-want-licence”).

  1. Einarbeitung in Thematik (Juni 2016)
    Zu Beginn des Projektes mussten wir uns in die Thematik einlesen. Dank der vielen erhältlichen Tutorials und Bücher ist es einfach, einen guten Überblick in die Themen “Composing” und “surreale Digitalkunst” zu bekommen. Der Lernprozess benötigt nebst teilweise Geld vor allem viel Zeit.
  2. Erste Besprechungen (Juni 2016)
    Nachdem wir uns einen Überblick über das Thema verschafft hatten, trafen wir uns für ein erstes Brainstorming. Nach den unzähligen und teils sehr lustigen Ideen einigten wir uns auf die Idee, ein Luftschloss (d.h. ein fliegendes Schloss) zu realisieren.
  3. Erste Gehversuche & Workshop in Wien (Juli & August 2016)
    Anschliessend machten wir unabhängig voneinander erste Gehversuche im Composing. Nach einem Photoshop-Workshop in Wien bei dem Photoshop-Artist Matthias Schwaighofer versuchten wir, die gelernten Techniken selbst umzusetzen. Was bei den Profis einfach aussieht ist bei eigenen Ideen nicht immer einfach, selbst umzusetzen.
  4. Anpassung der Idee (August 2016)
    Nach den ersten Gehversuchen und mit einem erweiterten Photoshop-Wissen setzten wir uns nochmals zusammen und entschieden, die Idee über den Haufen zu werfen. Die Idee des Luftschlosses sprach uns aus verschiedenen Gründen (Ästhetik, Story, etc.) nicht mehr an. Vom Luftschloss führte uns der Prozess zu einem Schloss auf einer Insel. Dann entfernten wir das Schloss in Gedanken und ersetzten dann die Insel durch einen Mond. Die Idee dahinter war nun, dass der Mond am Grund des Meeres festgehalten wird und von der “Schwerkraft” zurück an seinen Platz ausbrechen wollte. Die erste Skizze verschaffte uns einen ersten Eindruck:
    Dali 2.0 - Ideenskizze
  5. Erste Realisation (Oktober 2016)
    Nach dem Entscheid der Grundidee-Änderung erstellten wir einen ersten Entwurf in Photoshop:
    Dali 2.0 - Erste Gehversuche
    Wir wollten, dass der Mond an einem Getriebe-Konstrukt im Wasser befestigt war. Durch die Betätigung eines Hebels ausserhalb des Wassers sollte der Eindruck entstehen, dass dieses Konstrukt für den Aufgang des Mondes verantwortlich sei. Für diesen Schritt kauften wir noch keine Stockbilder, sondern bedienten uns von kostenfreien und lizenzfreien Bildern von Unsplash sowie den Vorschau-Bildern von Shutterstock/Fotolia. Wie wir später feststellten, war dies eine gute Entscheidung.
  6. Mond fotografieren (November 2016)
    Dank des “Supermondes” am 14./15. November 2016 konnten wir den Mond optimal für unser Projekt fotografieren. Somit konnten wir den zuvor von Unsplash verwendeten Mond durch ein eigenes Foto ersetzen. Hierfür verwendeten wir eine Canon 5D Mark III, ein Canon Teleobjektiv 70-200mm 2.8 sowie einen Canon 2x-Extender. Das lange Aufbleiben bis 1 Uhr nachts sowie das Ausharren in klirrender Kälte haben sich auf jeden Fall gelohnt. Obwohl das Fotografieren vom Balkon aus sehr gut funktionierte, würden wir das nächste Mal jedoch auf ein offenes Feld oder sogar einen Berg gehen, um weniger Lichtstörungen der Dörfer auf dem Bild zu haben.
  7. Schritt um Schritt (November/Dezember 2016)
    Um die surreale Wirkung noch zu verstärken, entschieden wir in einer Zwischenbesprechung, ein fliegendes Piratenschiff einzufügen. Auf diesem soll ein Pirat nach dem Mond resp. nach einem Schatz Ausschau halten. Durch diese Umkehrung der Realität ist das Schiff nicht im Wasser und der Mond in der Luft - sondern der Spiess ist nun umgedreht. Im Gegenzug verabschiedeten wir uns von der Idee des Getriebes und ersetzten dieses durch einen Schiffsanker. Der Mond sollte von einem Netz zurückgehalten werden. Dieses Netz kauften wir für CHF 11.00 in einem Bauhaus und fotografierten es, nachdem wir es über einen Ball gestülpt hatten. Heraus kam der erste Rohentwurf des fertigen Produkts. Da wir uns sicher waren, wie das Bild schlussendlich aussehen sollte, kauften wir die zuvor ausgesuchten Stockbilder vom Wasser, dem Schiff und dem Anker:
    Dali 2.0 - V4 - Wichtigste Elemente sind enthalten
  8. Gegensätze schaffen (Dezember 2016)
    Bei einer Zwischenbesprechung gab uns Herr Weibel den Input, ein zweites Bild mit gleichen Elementen zu erstellen, das gegensätzlich dazu der Wahrheit entsprechen könnte. Der erste Schritt dazu war, den Mond an den Himmel zu setzen und das Schiff auf dem Wasser treiben zu lassen. Glücklicherweise entschieden wir uns vor dem Fotoshooting für ein zweites Bild. Somit konnten wir unseren Piraten in anderen passenden Lichtverhältnissen & Posen ablichten und den “Realitätsgrad” erhöhen.
  9. Piraten-Fotoshooting (Dezember 2016)
    Beim Shooting mit unserem Model Gian-Andrea wussten wir schon genau wo unsere Lichtquelle (der Mond) - sein wird und dass dieser die einzige Lichtquelle auf dem Bild sein wird. Zusätzlich war uns auch klar, wo auf dem Schiff der Pirat ungefähr platziert wird. Nachträglich betrachtet war dieses Wissen essentiell für ein passendes Bild des Piraten. Für die beiden verschiedenen Bilder schossen wir verschiedene Fotos des Piraten, sowohl mit anderen Lichtverhältnissen als auch anderen Posen und Blickwinkeln. Das war das erste Mal, dass wir ein Foto machten, welches danach in eine zuvor selber zusammengestellte Phantasiewelt passen musste. Aus diesem Grund haben wir während des Shootings auch unsere Ergebnisse in das aktuelle Bild eingefügt, um zu sehen welches Piraten-Foto passend ist und welches nicht. Dieses Vorgehen hat sich für uns als sehr empfehlenswert herausgestellt und dies würden wir immer wieder so angehen.
    Dali 2.0 - Piraten-Shooting
    Wir hatten beim Shooting spontan die Idee, der Pirat könnte auch noch ein Fernrohr halten. Das Problem dieser Idee war natürlich, dass wir gar kein Fernrohr hatten. Deswegen improvisierten wir und gaben dem Model Gian-Andrea die Anweisung, er solle seine Hand so hinhalten, als hätte er ein Fernrohr in der Hand. Zuhause konnten wir mit Cinema 4D ein Fernrohr in der richtigen Pose und im richtigen Licht selbst modellieren und in das Bild einfügen.
  10. Nacharbeiten & Fertigstellung (Dezember 2016)
    Anschliessend an das Shooting entliessen wir unser Model und besprachen dann zusammen das weitere Vorgehen. Wir erstellten eine To-Do-Liste mit einem Terminplan. Da wir uns vor der Abgabe nicht mehr trafen, verlief unsere Kommunikation von da an über den elektronischen Weg. Dies war jedoch kein Problem, da wir uns diese Art der Kommunikation dank dem Studium schon sehr gewohnt sind und uns mittlerweile gut kennen. Beim Finishing konnten wir unerwartet simpel mit einem geeigneten Photoshop-Brush realistisch wirkenden Schnee auf das Schiff malen. Auch das Malen von Licht resp. Schatten erwies sich als einfaches, schnelles und gutes Werkzeug bei der Bildoptimierung.

Selbstreflexion

Die Realisation dieses Projektes hat uns sehr viel Spass gemacht. Wir konnten hiermit unserer Kreativität freien Lauf lassen und zugleich wieder zusammen ein grosses Fotoprojekt realisieren.

Einer der wichtigsten Punkte die wir gelernt haben ist, dass man auch auf Stockbilder zurückgreifen darf und sogar soll. Unsere alte festgefahrene Einstellung, man solle immer alles selbst machen und ja nichts aus dem Internet verwenden, haben wir komplett umgestellt. Mit relativ wenig finanziellem Aufwand und ein wenig Improvisation konnten wir zwei Bilder kreieren, welche wir mit eigenen Fotos kaum so hingekriegt hätten. Auch der Einsatz von Photoshop-Brushes kann ein sehr nützliches Werkzeug für Composings sein.

Der iterative Kreativprozess hat sich auch in diesem Projekt bewährt und wir würden diese Methode bei weiteren Projekten genau gleich wählen. Der Vorteil hierbei ist, dass man mit ein wenig Absprache sehr flexibel und zeitlich unabhängig arbeiten kann. Dies bedeutet, dass man an dem Zeitpunkt arbeiten kann, wenn man eine Idee oder eine Kreativitätsphase hat und man muss nicht auf jemand Anderen warten.

Ein Nachteil von Gruppenarbeiten können verschiedene Meinungen der Teammitglieder sein. Auch unser Team war sich nicht immer überall einig. Da wir uns aber mittlerweile schon sehr gut kennen und wissen wie die andere Person tickt, konnten wir immer einen guten Kompromiss finden, welcher für beide passt. Wir bemühten uns beide, die Meinung des Anderen zu akzeptieren und gemeinsam eine Lösung zu finden.

Für das Ausschneiden des Schiff-Stockbildes haben wir für eine “Kantenglättung” den Weichzeichner auf der Ebenenmaske angewendet. Da der Weichzeichner aber zu gross/stark war, entstand um nahezu das gesamte maskierte Bild wegen des hellen Himmels des Originalbildes ein weisser Rand. Dies bemerkten wir leider erst beim finalen Einfügen des Schiffes auf dunklem Grund. Deshalb mussten wir die vielen Kanten nochmals ausbessern und sauber ausschneiden. Diese mühsame Arbeit beanspruchte nahezu einen ganzen Tag. Das nächste Mal würden wir deshalb gleich zu Beginn schauen, wie sich die Kantenglättung verhält, damit man diese Arbeit nicht zweimal machen muss.

Bei einem nächsten ähnlichen Projekt würden wir schon früher (z.b. beim Kauf von Stockbildern) auf die Lichtsituation achten. Dies hätte die langwierige Nachbearbeitung wahrscheinlich ein wenig vereinfacht. Da das Spiel von Licht und Schatten im Bild für die Stimmigkeit eine grosse Rolle spielt, ist es von Nachteil, wenn ein Objekt schon einen starken Schatten resp. von einem starken Licht angestrahlt wird. Hier empfiehlt sich, eher ein Objekt zu nehmen welches neutral beleuchtet ist, um es selbst abdunkeln und aufhellen zu können - oder natürlich eines das schon der Lichtsituation im Endbild entspricht.

 

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