Das Erbe der Laterna Magica

Ab dem 17. Jahrhundert verbreitete sich in ganz Europa eine Projektionsvorrichtung, die den märchenhaften Namen “Laterna magica”, also “Zauberlaterne”, trug. Ihre Funktionsweise war so simpel wie die der Camera obscura: In einem Kasten mit einer Öffnung befand sich meist eine Kerze oder eine Öllampe, deren Licht durch die Öffnung und durch ein Linsensystem an der Vorderseite des Kastens nach aussen drang. Nun galt es nur noch, die auf Glasscheiben gemalten Bilder zwischen Kasten und Linsen einzuführen, und fertig war die Projektion.

Auf Jahrmärkten und Messen, in Theatern, Wirtshäusern oder Kirchen wurden mit der Laterna magica stundenlange Vorführungen mit musikalischer Untermalung veranstaltet. Ein Rezitator stand oftmals daneben und kommentierte die Bilder. Später fand die Zauberlaterne auch in der Volksbildung und -erziehung Verwendung, um im 19. Jahrhundert schliesslich zu einem Massenmedium zu werden.

Aber was hat das alles mit Multimedialität im 21. Jahrhundert zu tun?

Ihr habt es erraten: Die Laterna magica – dessen Entstehungsgeschichte bis heute ungeklärt bleibt – ist der Vorläufer so ziemlich aller Arten von Projektionen, von welchen wir so selbstverständlich Gebrauch machen.

Sie ist also mitverantwortlich für die nie-enden-wollenden Diaabende von Onkel Walters All-Inclusive Mallorca-Ferien, für regenbogenfarbige Powerpoint-Präsentationen über das Paarungsverhalten des Mehlkäfers und für die unzähligen Klassenzimmer voll schlafender Schüler, deren Lehrer im Sinne der multimedialen Vielfalt jeden noch so trivialen Inhalt lieber an die Wand projizieren, um dann ihrem Publikum für den Rest des Unterrichts mit reinem Gewissen den Rücken zuzukehren.

Die Zauberlaterne ist also auch Vorläufer des Videoprojektors, den wir in liebevollem Pseudo-Englisch “Beamer” getauft haben und der aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist.

Doch eben dieser graue Kasten, der seit Jahren in jedem Unterrichtszimmer verlässlich vor sich hin surrt, wurde unlängst auch von Künstlern wiederentdeckt. In Verbindung mit Fotografie sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt, weil sich mit einem Projektor tausend verschiedene Welten erschaffen lassen, ohne das Fotostudio zu verlassen. Dabei scheinen die Projektionen die Wirklichkeit zu verzerren und durch die Juxtaposition mit menschlichen Modellen spannende Kontraste zu erzeugen.

So soll auch dieser Beitrag aufzeigen, wie ein Beamer, ein regnerischer Nachmittag und eine Kamera genutzt werden können, um damit etwas Neues, fast schon Magisches, zu erschaffen.

Und ganz im Zeichen der Zauberlaterne und ihrer magisch anmutenden Entwicklung zum Videoprojektor hier noch eine Form des bewegten Bildes mit Oldschool-Ästhetik.

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Kritik
von Antonella Nicoli und Michèle Wildisen

Idee
Inspiration für das Beamer-Shooting lieferte der Fotograf Dennis Auburn, dessen Fotoserie “Aura” im  Online-Magazin “iGNANT.de” vorgestellt wurde. Die psychedelischen Bilder waren anders als alles, was wir bisher gesehen hatten und inspirierten uns sehr. Es entstand der Wunsch, selbst etwas Ähnliches zu erschaffen.

Vorbereitung
Eine Online-Recherche ergab schnell, dass Dennis Auburn mit seinen Bildern nicht alleine ist. Zu den Projektions-Shooting finden sich sogar Tutorials im Netz, wenn diese auch nicht besonders informationsreich sind. So schreiben manche, es gebe bei einem solchen Shooting eigentlich keine Vorgaben oder nützliche Tipps, da die Werkzeuge so einfach zu bedienen sind und mit den Einstellungen schlichtwegs experimentiert werden soll.

Als Vorbereitung wurden der verwendete Videoprojektor einige Tage vor dem eigentlichen Shootingtermin mit Hilfspersonen getestet. Im Testdurchlauf funktionierte alles einwandfrei, so dass in den Tagen vor dem Shooting nur noch das passende Bild- und Videomaterial aus dem Netz gesammelt wurde.

Umsetzung
Das Shooting fand in einem Klassenzimmer des B-Gebäudes der HTW Chur mit zwei MMP-Studenten als Models statt. Die Models standen auf Stühlen und wurden mit dem im Unterrichtszimmer vorhandenen Projektor angeleuchtet. Projiziert wurden zuerst psychedelische und geometrische Animationen für die GIFs, während die Kamera auf einem Stativ Serieaufnahmen schoss. Danach wurden Fotografien aus dem Netz auf die Models projiziert, um die Portraits zu schiessen. Eine von uns war jeweils für das Fotografieren, die andere für das Projizieren zuständig.

Learning: Bei den Serieaufnahmen schaffte es die verwendete Kamera nicht, mehr als fünf Bilder auf einmal zu schiessen. Es stellte sich erst später heraus, dass das Problem an der langsamen Speicherkarte lag. Die Serieaufnahmen wurden deshalb mit Unterbrüchen aufgenommen, was trotz Verwendung eines Stativs in Veränderungen resultierte. Vorallem den Models fiel es schwer, die genaue Position beizubehalten, bis die Kamera wieder bereit war. Dass eine Speicherkarte einen so grossen Einfluss auf das Gelingen von Serieaufnahmen haben könnte, war uns nicht bewusst und ist sicher ein Learning.

Technik
- Kamera: Nikon D3100
- Objektiv: Nikkor 35mm f/1.8G
- Iso: 100
- Blende: 1.8
- Verschlusszeit: 1/80 - 1/100
- Stativ: hama Profil Duo III
- Beamer: HTW

Postproduction

Bildbearbeitung
An den Portraits wurden mit Photoshop besonders die Farben und Kontraste bearbeitet.  Da der Shootingtermin um die Mittagszeit angesetzt wurde und an dem Tag die Sonne schien, waren die Lichtverhältnisse anders als beim Testshooting. Auch als alle Fensterläden geschlossen und die Kameraeinstellungen angepasst waren, schien der Raum noch zu hell zu sein. So wurden die Bilder heller als beabsichtigt und mussten nachbearbeitet werden. Die satten Farben und starken Kontraste wurden gewählt, um die verzerrte Wirklichkeit noch zu akzentuieren und eine Verschmelzung von Vordergrund und Hintergrund zu schaffen.

Die Bilder für die GIFs wurden ebenfalls in ihrer RAW-Version mit Photoshop bearbeitet, was naheliegenderweise einen gewissen Aufwand mit sich brachte. Hier wurde der Bearbeitungsprozess aber durch die Verwendung von eigenen Filtern und der Photoshop-spezifischen Automatisierungsfunktion erleichtert. Schwieriger war es, die Positionen der Models für die GIFs aufeinander abzustimmen, da diese wegen der unterbrochenen Serienaufnahmen nicht deckungsgleich waren.

Learnings: Bei einem Fotoshooting-Termin müssen alle Eventualitäten miteinberechnet werden. Obwohl der strahlende Sonnentag sehr unerwartet kam, hätte er doch keinen Strich durch die Rechnung machen dürfen. Ein Ausweichtermin hätte definiert werden müssen.

Idealerweise hätten die Bilder für die GIFs in einem zweiten Schritt nochmals aufgenommen werden müssen, als das Problem mit der Speicherkarte bekannt wurde. Die kleinen Fehler, die im fertigen Produkt trotz Abgleichung auf Photoshop zu sehen sind, wurden aber von einigen als positiv empfunden. Auch wir sind mittlerweile der Meinung, dass sie eine gewisse Lebendigkeit in die Mimik der Models einbringen.

GIF-Erstellung
Bei der Gif-Produktion stellten sich hauptsächlich zwei Fragen: Einerseits galt es herauszufinden, mit welchem Programm die Gifs am effizientesten und schönsten erstellt werden können. Da Mac das GIF-Format nur begrenzt unterstützt, konnte dieses nicht direkt aus dem Premiere Pro exportiert werden. Nur über einen Umweg wäre dies möglich gewesen: Als Videodatei aus dem Premiere Pro exportieren, in Photoshop öffnen und als GIF speichern. Da dies jedoch nur sehr fehlerhaft funktionierte, kamen wir nach einiger Pröbelei doch wieder auf Photoshop zurück. Der Nachteil von Photoshop liegt eindeutig bei der Frame-Erzeugung: Jedes Frame muss einzeln erstellt werden und die richtige Bildebene eingeblendet werden. Dies begünstigt eine höhere Fehlerquote. Hat man aber den Trick raus, so steht schönen GIFs nichts mehr im Wege.

Weiter stellte sich die Frage, wie lange ein einzelnes Bild eingeblendet werden soll. Mit 0.1 Sekunden, der kleinstmöglichen Zeit, wird der Fokus auf die bewegende, fliessende Projektion gelenkt. Dieser Effekt wird durch einen Loop der Bilder verstärkt. Um diesen hinzukriegen, wurden die Bilder einmal vorwärts und anschliessend einmal rückwärts aneinandergereiht.

Damit die Gifs auf Digezz geladen werden können, muss die Auflösung auf 72 dpi sowie die Bildbreite auf 480 px reduziert werden. Dies ergibt zwar immer noch Dateigrössen zwischen einem und vier Megabyte, dennoch ist es schade um die Auflösung der Gifs. Im Fullscreen Modus geht merklich Qualität verloren.

Learning: Gifs sind keine Hexerei. Es braucht hauptsächlich Präzision und Ausdauer.

Fazit
Die Arbeit an diesem Beitrag ermöglichte es den Verfasserinnen, ein experimentelles Fotoshooting durchzuführen und das Erstellen von GIFs zu erlernen. Die technischen Schwierigkeiten könnten bei einem nächsten Mal einfach vermieden werden. Das Resultat kommt den Vorstellungen der Verfasserinnen sehr nahe, wenn es auch durch die leuchtenden Farben nicht jeden ansprechen mag.

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