Was ist «Life After Orange»?
«Life After Orange» ist vieles gleichzeitig: eine Bachelorarbeit, ein Filmprojekt, ein Selbstexperiment, eine Fernsehserie und vor allem eine Herzensangelegenheit von mir. Das Projekt besteht aus einem Konzept für eine fiktive Fernsehserie, einem Episoden-Teaser in Form eines Kurzfilms, drei Charakterkonzepten und einer Anleitung für das Konzipieren von Minderheitscharakteren – alles verpackt in einer Webseite.
Ziel dieses Projektes war es, eine Serie zu konzipieren, welche die realistische und faire Darstellung von Minderheiten beinhaltet. Dies wurde mithilfe von den drei Protagonisten Skylar (starke, unabhängige Frau), Riley (bisexuelle Frau) und Tristan (Latino) bewerkstelligt. Die Serie handelt von drei befreundeten Ex-Sträflingen, welche sich nach ihrer Entlassung wieder an das Leben in Freiheit gewöhnen und sich ihren Ängsten und Feinden von vor und während der Zeit im Gefängnis stellen müssen. Sie stellen bald fest, dass das Leben in Freiheit auch seinen Preis hat.
Warum ist das Thema für dich relevant?
Es geht vor allem um eines: das Wegräumen von Vorurteilen. Vorurteile gegenüber Frauen, Mitgliedern der LGBT-Community, People of Color oder aber auch (Ex-)Sträflingen. Das Projekt soll aufzeigen, dass jeder Mensch eine Geschichte hat, welche ihn zu diesem Menschen gemacht hat. Mir war es wichtig, für die drei Protagonisten Vorgeschichten zu erzählen, welche unter Umständen auch uns passieren könnten. Ausserdem ist das Thema Diversity und die Darstellung von Minderheiten in den Medien ein Problemthema, welches mich schon länger beschäftigt und ich somit thematisieren wollte.
Was hat dich zu diesem Thema inspiriert?
Zu «Life After Orange» haben mich zwei Dinge inspiriert. Eines davon ist – wie es der Projekttitel erahnen lässt – die Netflix-Serie «Orange Is The New Black». Die Serie zeigt meiner Meinung nach genau das auf, was ich mit meinem Projekt aussagen wollte: Jeder Mensch hat eine Vorgeschichte und wir sind es einander schuldig, uns diese Geschichten anzuhören, bevor wir urteilen. Die zweite und noch viel wichtigere Motivation war eine ganz bestimmte Person. 2014 habe ich den Sträfling Dirk aus Berlin kennengelernt, der mit seiner Geschichte einiges für mich verändert hat. Er hat mir seine Vorgeschichte erzählt, welche seine zum Teil sehr schlimmen Verbrechen beinhaltet. Sie beinhaltet aber auch seine schwere Vergangenheit und Umstände, in denen er leben musste. Dirk hat viele schreckliche Dinge in seinem Leben gemacht, aber in den wenigen Stunden, die ich mit ihm erleben durfte, habe ich auch gesehen, wie gross sein Herz ist und dass er einfach mit viel Pech in ein falsches Umfeld hineingeboren wurde. Seit dieser Begegnung sehe ich Sträflinge und allgemein Menschen, die Fehler machen, mit anderen Augen. Seither erkundige ich mich immer erst über den Hintergrund eines Menschen, bevor ich ihn be- und verurteile.
Warum hast du dich entschieden, als Bachelorarbeit ein Serienkonzept zu schreiben?
Serien haben mich schon seit ich denken kann fasziniert und ich würde sie als meine grösste Leidenschaft bezeichnen, welche ich bis vor kurzem aber immer nur als ein Interessengebiet gesehen habe. Vor etwa zwei Jahren habe ich mich aber gewagt, diesen Bereich als potenzielles Berufsziel anzusehen. Ich habe angefangen, mir die theoretischen Grundlagen anzueignen und fast nur noch Bücher rund um Screenwriting, Storytelling etc. gelesen. Es fehlte mir aber immer der Mut, das Erlernte in die Praxis umzusetzen, weil ich Angst hatte festzustellen, dass Screenwriting doch nicht mein Metier ist. Die Bachelorarbeit schien mir dann der richtige Rahmen, mich dieser Angst zu stellen. Ich wusste, dass ich mich zwingen müsste, ein Drehbuch zu schreiben, wenn ich es in Form einer Bachelorarbeit machen würde. So entstand schliesslich das 13-seitige Drehbuch zum Episoden-Teaser. Ich habe nun zwar, wie erwartet, festgestellt, dass ich noch einiges zu lernen habe im Bereich des Drehbuchschreibens. Aber die Lust und Leidenschaft für die Serienproduktion hat sich durch das Projekt trotzdem noch weiter verstärkt.
Wie bist du das Schreiben angegangen?
Die Idee für die Serie schwirrte schon länger in meinem Kopf herum. Je länger ich mich damit beschäftigte und darüber nachdachte (eigentlich 24/7), desto mehr konkretisierte sich die Idee. Sobald ich das Grundkonzept der Serie hatte, widmete ich mich der detaillierten Ausarbeitung der Charaktere. Die Charakterkonzeption war ein ewiges Wechselspiel zwischen Erarbeitung deren Vorgeschichten und Charaktereigenschaften. Weil diese zwei Komponenten sehr eng miteinander verbunden sind, sind teilweise Charaktereigenschaften aufgrund der Vorgeschichte entstanden und umgekehrt. Sobald ich meine Charaktere in- und auswendig kannte, bereitete ich mich auf den Filmdreh vor. Cast, Crew, Locations und Equipment mussten gefunden und organisiert werden. Dies stellte sich als die anspruchsvollste und zeitintensivste Aufgabe der ganzen Bachelorarbeit heraus. Ich hatte aber das grosse Glück, sowohl einen wunderbaren Cast als auch eine geniale Crew gefunden zu haben. Vom ersten Moment an waren alle Personen sehr engagiert, motiviert und mit ganzem Herzen beim Projekt dabei. Wenn man bedenkt, dass ich vor dem Projekt keine einzige Person der Involvierten kannte, hätte das auch ganz anders enden können.
Da ich sehr abhängig von möglichen Locations war, konnte ich das Drehbuch für den Episoden-Teaser erst nach Organisation der Drehorte schreiben. Das heisst, ich hatte knapp zwei Wochen zwischen Location-Organisation und Dreharbeiten Zeit für das Schreiben des Drehbuchs. Dafür schottete ich mich fast jeden Tag ab, um in diese Welt einzutauchen und das Beste aus dieser anspruchsvollen Situation zu machen. Im Nachhinein wünschte ich mir, ich hätte etwas mehr Zeit gehabt für das Drehbuch.
Zusätzlich zu den schriftlichen Konzepten hast du diesen Episoden-Teaser gedreht. Warum?
Ich hätte mich für den einfachen und weitaus weniger zeitintensiven Weg entscheiden und einfach nur ein Drehbuch für den Teaser sowie Charakter- und Serienkonzepte schreiben können. Ich wusste aber von Anfang an, dass ich Charaktere schreiben würde, welche ich nicht einfach nur in Form eines Textes existieren sehen wollte. Mir war es sehr wichtig, diese fiktiven und doch so realen Personen zum Leben zu erwecken und ihnen ein Gesicht zu geben.
Wie hast du die Dreharbeiten erlebt?
Die Dreharbeiten waren zugleich eine der anspruchsvollsten und schönsten Erfahrung, die ich bisher machen durfte. Vor dem Dreh war ich sehr nervös, da ich mich nie als Regisseurin gesehen habe und plötzlich sollte ich zuständig sein für einen 3-köpfigen Cast und eine 8-köpfige Crew und gleichzeitig mit maximaler Kreativität präsent sein – ein Gedanke, der mich lange überforderte. Aber wie vorhin erwähnt, hatte ich mit dem Filmteam das grosse Los gezogen und dessen vollste Unterstützung genossen. Es waren zwar drei sehr anstrengende und anspruchsvolle Tage, aber in diesen drei Tagen habe ich so viel gelernt, wie mir keine Bücher beibringen könnten. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und freue mich darauf, in Zukunft weitere solche zu sammeln.
Was wird nun aus dem Serienkonzept werden? Gibt es Pläne, es zu vermarkten?
Da ich direkt nach dem Studienabschluss angefangen habe zu arbeiten, bleibt mir leider nur noch begrenzt Zeit für das Schreiben von Drehbüchern. Aber für mich ist das Projekt auf keinen Fall abgeschlossen. Das Ziel ist, das Drehbuch für die Pilotfolge von «Life After Orange» zu schreiben und sogar zu produzieren. Sobald ich das geschafft habe, werde ich meinen beruflichen Weg weiter Richtung Serienproduktion vorantreiben, mit «Life After Orange» in der Tasche.
Was hast du aus deinem «Debüt» gelernt?
Ich habe gelernt, dass man oftmals zu viel mehr fähig ist, als man sich zutraut. Man muss nur den Mut finden, Herausforderungen anzunehmen, um von sich selbst überrascht zu werden. Ausserdem wurde mir auch bewusst, dass mit genug Leidenschaft, Motivation und Zuversicht vieles möglich wird.
Viele weitere Infos zu «Life After Orange» gibt es auf der Webseite zum Projekt. Dort ist ebenfalls der komplette produzierte Episoden-Teaser zu finden. Das exklusive Making-Of zur Teaser-Folge gibt es jedoch nur hier zu sehen:
(le)