Idee
Die Idee war klar: Noémie stellt sich zur Verfügung, um in einem Selbstexperiment ihre Klaustrophobie herauszufordern. Wir wollen zeigen, was Klaustrophobie eigentlich genau ist und wie sie sich äussern kann.
Aber wo und wie sollen wir die Klaustrophobie zum Vorschein bringen? Noémie weiss, dass sie in einem Fahrstuhl oder Zelt immer wieder Panikattacken kriegt. Aber eignete sich eine dieser Locations auch für einen Film? Irgendwann kam uns dann die Idee, in einer Höhle zu drehen. Höhlen stehen sinnbildlich für Enge und Dunkelheit. Viele Menschen, auch solche, die nicht an Klaustrophobie leiden, kriegen nur schon beim Gedanken an eine Höhle Angst und beklemmende Gefühle. Bei Noémie war also klar, dass sich dort ihre Klaustrophobie zeigen würde.
Location
Also machten wir uns auf die Suche nach einer geeigneten Höhle. Sie sollte gut zugänglich sein, keine Besucher/Touristen haben, nicht ausgeleuchtet sein und das Filmen sowie betreten zu zweit musste möglich sein. Und am wichtigsten: Sie durfte nicht gefährlich sein. Die Schwierigkeit dabei war, eine Höhle zu finden, in die sich Noémie traute hineinzusteigen. Andererseits wollte man sie mit einer zu grossen Höhle und zu viel Platz, nicht in die Komfortzone bringen. Nach mehreren Telefonanten und Besichtigung von Höhlen, hatten wir im Wald hoch über Mohren AI, eine geeignete Höhle gefunden.
Als wir die Location hatten, versuchten wir ein kleines Konzept aufzustellen. Hier war die Herausforderung, dass wir nicht wussten, wann, ob und wie sich die Klaustrophobie bei Noémie zeigen wird. Vieles mussten wir so nehmen, wie es eben kam und war nicht planbar. Was wir fix einplanten, war ein kleines Interview vor der Höhle/dem Experiment mit Noémie und mit mehreren Kameras in der Höhle zu filmen. Eine weitere Herausforderung war die Vertonung. Da wir mit sehr dunklen Bildern rechneten, legten wir grossen Wert auf gutes Audiomaterial. Damit man beispielsweise das laute Atmen der Klaustrophobikerin auch richtig hören kann und man sich dadurch besser in eine solche ängstliche Person hineinversetzen kann. Wir entschieden uns für Lavalier-Mikrofone, da wir diese nicht nur nah bei der Sprechquelle platzieren konnten, sondern diese Mikrofone auch noch die Umgebungsgeräusche und Schritte aufnahmen. Auch die Wahl der Kameras fiel schnell auf Go Pros, denn wir mussten sie flexibel am Brustkorb und den Kopf (Helm) von Noémie befestigen können.
Dunkelheit
Die Höhle war stockdunkel. Doch eine Ausleuchtung kam nicht in Frage, denn ansonsten wäre die Wahrscheinlichkeit eher gering gewesen, dass Noémie eine Panikattacke kriegen würde. Also trugen wir nur schwache Taschenlampen und Stirnlampen mit uns. Dafür nahmen wir bewusst in Kauf, dass die Bildqualität nicht perfekt sein wird. Ein helles, perfekt ausgeleuchtetes oder ein gestochen scharfes Bild hätten auch überhaupt nicht zu der dunklen Welt, in der Noémie sich in ihren schlimmsten Momenten gedanklich befand, gepasst. Ganz im Gegenteil: Dieser körnige und dunkle Stil hat unserer Meinung nach den Film und die Aussage schlussendlich sogar noch unterstützt.
Dreh
Der Dreh selbst lief dann problemlos. Ungefähr nach einer halben Stunde tief in der Höhle drin, entschieden wir uns, dass Noémie alleine weiter musste. Denn ihre Angst hielt sich noch in Grenzen, weil Sandra immer an ihrer Seite war. Ausserdem kamen wir jetzt an eine Stelle, wo man eine steile Leiter runterklettern musste. Da Sandra an Höhenangst leidet, war für sie hier Endstation. Von dort an marschierte Noémie alleine weiter.
Kurz nach dem Noémie alleine losgegangen war, musste das Experiment abgebrochen werden, da sich die Klaustrophobie mit ihrem ganzen hässlichen Gesicht gezeigt hatte. Es war nicht einfach für Sandra, in diesem Moment ruhig zu bleiben und nicht einzugreifen. Da sie die Aufnahmegeräte für die Tonaufnahmen bediente, konnte sie über die Kopfhörer zwar alles mithören, Noémie aber nicht mehr sehen. Wie reagiert man in einem solchem Moment? Noémie musste durch eine sehr enge Stelle zurück. Was, wenn es Noémie nicht von alleine zurückschafft? Zum Glück war Noémie stark und hatte es trotz ihrer grossen Angst und Panik geschafft, sich alleine durch die enge Stelle zurück zu kämpfen. Was für eine Erlösung für beide!
Post Production
Die erste Hürde der Post Production war riesig. Wir wussten, dass wir extrem viel Video- Material hatten (2 Höhlen-Kameras, 2 Interviews (vor und nach der Höhle), sowie Audioaufnahmen). Nur schon das ganze Material durchzusehen, nahm einen ganzen Nachmittag in Anspruch. Die grösste Herausforderung folgte aber noch.
Wir hatten zwar viel brauchbares Material (über 3 h), aber wie machte man daraus jetzt einen Film? Eine Story, die verstanden wird? Eine Aussage, die den Zuschauer mitfühlen lässt? Schritt für Schritt hatten wir uns vorgekämpft und gute Teile von Video- oder Tonaufnahmen herausgeschnitten und in einen Film zusammengefügt. Nun hatten wir die guten Szenen aneinandergereiht, aber immer noch keine Story. Der Teil in der Höhle sollte dokumentarisch festhalten, wie langsam die Panik in Noémie aufstieg, bis sie nicht mehr konnte und das Experiment abbrach. Aber wie sollten wir den Anfang gestalten um dann einen runden Übergang zum dokumentarischen Teil zu schaffen?
Intro
Dann kam uns die Idee, mit einem „Intro“ zu arbeiten. Das Intro durfte nicht zu viel verraten, sollte aber die Panik und Angst visuell vermitteln. Versinnbildlichen, was Klaustrophobie ist bzw. wie sie sich äussert. Also hatten wir kurzerhand viele extrem kurze, hektische, nervöse und ruhige Szenen zusammengeschnitten. Es wirkt alles sehr düster und beängstigend. Mit rasantem Tempo wechselt es zwischen ruhigen Szenen und wirrer Panik, die irgendwie einfach nicht zusammenzupassen scheinen. Schlussendlich hat unser „Intro“ schon fast ein bisschen was von einem Horror-Film. Das war genau das, was wir wollten. Der Zuschauer soll noch nicht wissen, was ihn erwartet, ihn möglicherweise irreführen. Und naja, natürlich wollen wir uns so auch die Aufmerksamkeit des Zuschauers sichern, damit er den Film weiterschaut.
Da viele Menschen das Wort Klaustrophobie nicht kennen, sondern dies umgangssprachlich als Platzangst bezeichnen, erklärt Noémie nach dem Filmtitel „Claustrophobia“ in der Off-Stimme kurz und knapp, was Klaustrophobie ist und was sie in diesem Film machen wird. Dank dem Intro konnten wir schlussendlich einen Spannungsbogen zum eigentlichen Experiment, resp. zum dokumentarischen Teil, erzeugen.
Zuerst wollten wir noch Infoslides über Klaustrophobie im Film einblenden. Da wir aber jetzt schon nur mit viel Mühe, den Film auf ein paar Minuten runterkürzen konnten, verzichteten wir darauf. Dafür haben wir einen kurzen Informationstext, unterhalb des Films veröffentlicht. Hier war es auch nicht ganz einfach, den Text nicht zu ausführlich gestalten. Wer liest schon eine Ellenlange „Filmbeschreibung“? Klaustrophobie ist zwar im Prinzip in einem Satz erklärt, aber nicht, was damit alles zusammenhängt. Daher finden ganz am Schluss interessierte Personen einen Link für eine Website, die das gesamte Thema sehr ausführlich behandelt.
Und zum Schluss noch dies…
Noémie kann sehr stolz auch sich sein. Sie hat sich ihrer Angst gestellt und sich nicht gescheut, dies mit der Öffentlichkeit zu teilen. Vielen Dank dafür! Wir sind uns bewusst, dass der Film rein vom Bildmaterial kein ästhetisch anspruchsvoller Film ist und die Bildsprache gar amateurhaft daher kommt. Aber hätten eine perfekte Belichtung und wunderschöne Bilder mit perfektem Colorgrading den Film und das ganze Experiment dann auch so authentisch gemacht?
Wir hoffen, dass der Film den Zuschauer mitfühlen lässt und das Verständnis für Klaustrophobie fördern wird.