Die Pinsel-Odyssee: Der Weg zum eigenen Brush Lettering Font

«Und was machst du so als Digezz-Projekt?» – «Ach, ich mach einen Brush Lettering-Font». Brushbittewas?

Brush Lettering. Font. Zwei Begriffe, die den Leuten ausserhalb von Instagram und anderen schriftbegeisterten Kreisen wohl nicht so direkt bekannt sind.
Also versuchen wir das ganze nochmal. Was genau habe ich im letzten Semester gemacht?

Nun, ich war begeistert. Frustriert, kurz einem Herzinfarkt nahe, hysterisch, hypernd, und dann wieder ziemlich happy. Denn ich habe mir einen Traum erfüllt.
Ich habe aus einer händisch mit einem Pinsel gezeichneten Schrift etwas gemacht, womit man auf dem Computer Buchstaben darstellen kann. Ich hab einen Font gemacht. Eine Computerschrift, aus meinem Brush Lettering.
Was genau dieses Brush Lettering ist, wie man es händisch macht, digitalisiert und zu einer Schrift verarbeitet, fragst du dich?

Besuche meine Projekt-Website. 16 Videos, 70 Bilder, 3000 Worte und der kostenlose Download meiner Schrift sind nur ein Klick auf das Bild dort unten entfernt.

Fourteen Dreams & More

14dreams

(fs)

Kritik
von Myriam Frisano

Idee

Die Idee einen eigenen Font zu machen, war nicht wirklich eine neue für mich. Ich hatte mir dieses Ziel schon einmal gesetzt, allerdings war das Resultat damals weit entfernt von professionell. Weit entfernt von professionell waren auch all die kostenlosen Brush Lettering Fonts, die ich im Internet fand, als ich mich einmal auf die Suche danach machte. Viele Blogs, die ich verfolge, haben Brush Lettering Fonts in der Verwendung. Diese weisen aber sehr oft Mängel auf. Einige dieser Mängel sind ausgefranste Buchstaben und die Tatsache, dass gewisse Buchstabenkombinationen schlichtweg scheusslich aussehen. Nachdem ich Brush Lettering gelernt hatte, beschloss ich, im Rahmen dieses Semesters, einen Brush Lettering Font zu erstellen, der diese beiden Probleme lösen sollte.

Prozess

Bevor ich mit dem Fontdesign begann, suchte ich nach einem geeigneten Programm und stiess dann auf das Open-Source Programm FontForge. Im Rahmen der Dokumentation des Programms wurde auch ein eBook veröffentlicht, welches das Thema des Schriftdesigns in viel Detail beschreibt. Ich konnte viele Tipps aus diesem eBook ziehen, was die Bedienung des Programms betrifft, allerdings waren die Designansätze für eine serifenlose, unverbundene Schrift gegeben. Für verbundene Schriften sieht das Konzept etwas anders aus.

Mehr bezüglich Design der Schrift habe ich von klassischen Brush Lettering Tutorials gelernt. Denn was auf dem Papier funktioniert, funktioniert auch beim Font.

Die nächste Entscheidung war die Wahl des Schreibwerkzeugs und das Anlegen des Schriftrasters. Nach einigen Tests auf Karopapier habe ich ein Template in Adobe Illustrator erstellt und dann einfach einmal damit angefangen, Blätter mit einzelnen Buchstaben zu füllen. Diese wurden dann eingescannt, die schönsten wurden ausgewählt und dann mit Illustrator digitalisiert.

So waren die Buchstaben a bis e schnell digitalisiert und in FontForge eingefügt. Doch dann trat das erste Problem auf. Auch wenn die Buchstaben alle die gleiche X-Höhe hatten und mit dem gleichen Pinsel geschrieben waren, so passten sie dennoch nicht richtig zusammen.

Ich hatte ursprünglich entschieden, jeden Buchstaben komplett von Grund auf zu digitalisieren. Doch nachdem ich die bis zu diesem Zeitpunkt digitalisierten Buchstaben nebeneinander sah und erkannte, dass sie sich nicht ähnlich genug waren, wurde mir eines klar. Ein guter Font, auch wenn er Handgeschrieben sein soll, fasst einzelne Elemente wieder auf. Das lässt den Font nicht weniger organisch wirken, sondern harmonisch. So beschloss ich alle meine Vektoren zu entfernen und noch einmal von vorne zu beginnen. Sobald ich begonnen hatte, die Elemente wieder zu verwenden wirkte mein Font automatisch wie eine Familie. Ausserdem beschleunigte dies den Digitalisierungsprozess zusätzlich, da nicht die genau gleiche Art von Strich Dutzende Male wiederholt werden musste.

Das nächste Problem war eines, auf das ich mich vorbereitet hatte. Die Verbindungen der Buchstaben mit dem kleinen R und dem kleinen S. Hier konnte man die Endschlaufe nicht einfach mit dem nächsten Buchstaben überlappen, sondern musste eine Verbindung schaffen. Ich habe vermutlich einen Drittel der gesamten Zeit, die ich mit diesem Font verbracht habe, nur mit R und S verbracht. Es entstanden jeweils drei Alternative Buchstaben und mehrere Ligaturen für besonders hartnäckige Verbindungen. Doch allein die Buchstaben reichten nicht aus. Das Kerning war die nächste grosse Herausforderung und die komplette Programmierung, damit der Font automatisch alternative Buchstaben oder Ligaturen verwendet.

Auch wenn das eBook von FontForge sehr ausführlich ist. Open Type Features werden nur am Rande behandelt. Ich wurde allerdings schlussendlich fündig und es gelang mir, die Features zu programmieren.

Der Font wuchs stetig bis irgendwann das komplette kleine Alphabet vorhanden war. Einen Tag nachdem ich diesen Meilenstein erreicht hatte, dass ich zumindest ohne Umlaute Worte tippen konnte, geschah allerdings etwas. FontForge hatte ein Problem. Das Programm stürzte ab und fragte beim erneuten Starten, ob ich die alte Situation wiederherstellen wollte. Ich klickte okay. Ein grosser Fehler.

Alles was ich sehen konnte, waren mickrige 4 Buchstaben. Alle meine Ligaturen und alternative Buchstaben waren verschwunden. Die Vektoren hatte ich glücklicherweise in Adobe Illustrator gemacht, so war mir in diesem Augenblick sofort klar, dass ich diese nicht verloren hatte. Doch all die Stunden der Programmierung. Mit einer Sekunde ausgelöscht. Dann kam allerdings die Rettung. Ich war am Vortag so begeistert gewesen, dass alle meine Buchstaben beisammen waren, dass ich den Font generiert hatte um damit in Photoshop zu experimentieren. Ich war also im Stande einfach den Font in FontForge zu laden und lediglich die Benennung meiner Programmierungen waren verloren. Es war dennoch ein kleiner Schock für mich und gleichzeitig der Punkt, an dem ich beschloss den Font mit Git zu verbinden, wie es von FontForge empfohlen wurde. Für Websites benutze ich Git schon lange. Für Fonts ab diesem Zeitpunkt auch. Durch die Versionenkontrolle von Git lassen sich Arbeitsschritte abspeichern. So kann das Programm abstürzen und löschen was es will. Der Font ist gespeichert und lässt sich immer wieder retten.

Der Rest des Prozesses verlief reibungslos. Der Font liess sich fertigstellen, doch das Projekt war nach dem Abschluss des Fonts noch nicht vollendet.

In der Zwischenzeit war aus dem Fontprojekt eine komplette Website ein Ziel geworden. Ursprünglich sollte die Website nur vom Font handeln, doch das Thema des Brush Letterings bietet sich an, wenn man einen Font macht. Ausserdem ist das Thema Lettering wahrscheinlich interessanter als das Thema Font, wenn man nicht so Typographie vernarrt ist. Das Thema der Website war somit besser auf die Zielgruppe von Digezz abgestimmt.

Um die Website multimedial zu gestalten entschloss ich als erstes die Seite in drei Teile zu teilen. Im ersten Teil sollte es nur um das Brush Lettering gehen, im zweiten Teil darum, wie dass das Digitalisieren am besten von statten gehen sollte und im dritten Teil um den Font und den Prozess dahinter. Zur Unterstützung des Textes baute ich mehrere Bildergalerien ein und filmte einige Lettering-Videos und Screencasts. Bei der Produktion dieser Videos gab es zum Teil ein paar kleinere technische Probleme, doch schlussendlich ist alles gut ausgegangen. Das Coden der Website war dank meiner Erfahrung als Front End Dev kein Problem und ging schneller von Statten als geplant, was dazu geführt hat, dass ich mehr Zeit für Beispielbilder mit dem Font selbst hatte.

Fazit

Mir war am Anfang des Projektes schon klar, dass ich mir ein grosses Ziel gesetzt hatte, welches viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich habe mich dennoch etwas verschätzt und das Projekt hat mich mehr Stunden gekostet, als ich eigentlich geplant hatte. Dennoch war es eine unglaublich lehrreiche Erfahrung. Ich habe mich dank dem Projekt tiefer mit Adobe Illustrator befasst und nach 200 Glyphen beherrsche ich das Pen-Tool mittlerweile sehr gut. Dank des Themas Font habe ich mich weiter mit Typographie auseinandergesetzt und konnte die Kenntnisse, die ich im ersten Semester gelernt hatte, weiter vertiefen. Ich habe in der Zeit mehr über die Video-Produktion mit einfachsten Mitteln gelernt und die Wichtigkeit von Git mal wieder erkannt. Trotz kleiner Stolpersteine verlief das Projekt überraschend reibungslos. Dennoch hat mich nun der Perfektionismus gepackt und ich möchte den entstandenen Font weiter verbessern. Mein Ziel ist es, einen umfassenden Brush Lettering Font zu erstellen, der so natürliche Resultate wie möglich erzeugt, das heisst noch mehr Glyphen zeichnen und digitalisieren. Auch ist mir aufgefallen, dass das Kerning der momentanen Version zum Teil noch nicht perfekt ist. Es gibt noch Verbesserungspotential, aber für den ersten Open Type Font bin ich zufrieden.

Kommentar (1)

Schreibe einen Kommentar