Die Schranken der Selbstbestimmung

Freiheit ist «der Zustand, in dem jemand von bestimmten persönlichen oder gesellschaftlichen, als Zwang oder Last empfundenen Bindungen oder Verpflichtungen frei ist und sich in seinen Entscheidungen oder Ähnlichem nicht [mehr] eingeschränkt fühlt». Zumindest definiert der Deutsche Duden es so.

In unserer Gesellschaft unterscheiden wir grundsätzlich zwei Dimensionen von Freiheit.

Einmal die Freiheit, im eigenen Willen frei zu sein und des Weiteren die Freiheit, im eigenen Handeln frei zu sein. Nun stellt sich jedoch die Frage, inwiefern man überhaupt frei ist?

Meiner Behauptung nach definiert jedes Individuum, egal an welchem Ort oder zu welchem Zeitpunkt, seine persönliche Dimension von Freiheit selbst. Handlungsfreiheit wäre, in der mir ermöglichten Gegebenheit mit meinem eigenen Willen zu handeln. Die Willensfreiheit hingegen wäre die Möglichkeit, meinen Willen selbst zu bilden. Wenn ich meine obigen Freiheitsdefinitionen nun einmal nüchtern betrachte, muss ich mir leider bitterlich eingestehen, dass keine dieser Optionen mit meiner Realität zu vereinbaren sind.

Wenn ich etwas will, so bin ich frei darin es zu wollen, nur stellt sich dadurch die Frage, weshalb sich dieser Wille in mir gebildet hat. Und wenn ich meinen Willen, dessen Ursprung ich nicht kenne, nun umsetzen möchte, so stellt sich zuerst auch noch die Frage, ob es mir denn möglich ist, dies zu tun. Daraufhin stellt sich die Frage, weshalb ich willig bin, etwas zu tun und warum nicht jeder nur willig ist, Dinge zu tun, die er auch wirklich tun kann.

Zu erkennen ist für mich durchaus Folgendes: Tun, also Handeln, kann ich nur, wenn ich denn gewillt bin, zu handeln. Und auch nur dann, wenn mich keine weiteren Gegebenheiten in meinem Willen zu handeln einschränken. Den Handlungswillen zu besitzen oder eben auch nicht handlungswillig zu sein, bilde ich mir selbst – denn wollen kann ich ja, was ich will.

Äussere Hindernisse und Einschränkungen sind Begrenzungen der Handlungsfreiheit, nicht dagegen der Willensfreiheit. Das Wollen kann sich zum Handeln entschliessen. Irrtümer oder Nichtbeachtung über das Ausmass der Handlungsmöglichkeiten enden im Scheitern des Versuches, bedeuten aber nicht das Nichtvorhandensein der Fähigkeit, eine Wahl zu treffen. Da Freiheit, in der Gesellschaft als Zustand völliger Unabhängigkeit definiert wird, jedoch verschiedene Dimensionen von Freiheit meiner Meinung nach voneinander abhängen, schliesse ich daraus, dass für keinen die Möglichkeit in seiner Freiheit frei zu sein besteht.

Wenn ich etwas will, so bin ich frei darin es zu wollen, nur stellt sich dadurch immer noch die Frage, weshalb sich dieser Wille in mir gebildet hat. Wenn es niemals möglich wäre, etwas Anderes als das zu tun, was wir denn tun, so heisst das doch, dass wir gar nichts anderes Wollen könnten, was wir nicht auch tun wollten oder demnach auch tun wollen. Ist es dem Menschen vorbestimmt, was er zu wollen hat und ob er dies denn auch umsetzen kann? Sind wir nicht frei in unseren Gedanken und ist es denn nicht zwingend notwendig, wenigstens an diesem einen Ort der totalen Intimität frei zu sein?

Möglicherweise sind wir Individuen, da jeder in einer anderen Situation, in einem anderen Moment in anderen Zuständen geboren wird. Doch dann würde dies auch wahrhaftig bedeuten, dass diese jeweiligen Unterschiede uns prägen und unseren Willen bilden und somit auch unser Handeln steuern. Mein Wille wäre doch somit nur frei, wenn es mir möglich wäre, durch meinen allein angeeigneten Verstand einen Willen zu formen. Egal in welch abgelegenem Ort der Welt ich mich auch verkriechen mag und egal wie sehr sich in mir der Wunsch gebildet hat, frei von allen Substitutionen und Gesellschaftszwängen zu sein, so kann ich doch niemals vor den natürlich gegebenen Zwängen dieser Welt fliehen.

Niemand kann mich zum Willen einer Handlung zwingen, jedoch kann man mich fürs nicht handeln eines fremden Willens bestrafen.

Wenn ich mir auch nur im Entferntesten vorstellen würde, völlig frei von allen natürlichen Zwängen so wie Zwängen zur Integration in die Gesellschaft zu sein, so würde ich mich durchaus wundern, was es nun zu wollen gäbe, da doch dann alle gebildeten Möglichkeiten auf der Stelle zerfallen würden.

Wenn wir sagen, der Mensch wählt sich, verstehen wir darunter, jeder von uns wählt sich, doch damit wollen wir auch sagen, sich wählend wählt er alle Menschen.

Sartre

Sartres Zitat führt mir vor Augen, dass ich gar nicht das bin, was ich möglicherweise hätte sein können. Ich bin das, wozu mich die Gesellschaft geformt hat. Ich bin das, was von mir erwartet wird und egal wie ich mich entscheide, werde ich durch mein Handeln andere Menschen zu etwas formen, was sie ohne meine Entscheidung vielleicht niemals geworden wären.

Mein Wille und mein Handeln sind wie eine unendlich lange Abfolge von Aktionen und Reaktionen, die schon lange vor meiner Zeit in dieser Gesellschaft begonnen haben. Wir Individuen sind vorgeformt durch Umstände, auf die wir keinen Einfluss haben und formen unsererseits Umstände für die noch kommenden Generationen. Die Erkenntnis, dass unsere sogenannte Freiheit, ob nun die des Willens oder des Handelns, hauptsächlich fremd bestimmt wird, ist nicht einfach hinzunehmen. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass Donald Trump, als mächtigster Mann der Welt, eine Mauer bauen will, um die Freiheit zu bewahren?

(ae)

Kritik
von N. N.

Geschätzte Rezipienten
Hier könnte oder würde normalerweise eine normale Digezz-Kritik stehen, in der ich Ihnen erkläre, wie das Konzept und die Umsetzung des Projekts ablief. Danach würde ich dazu übergehen, Ihnen nahezulegen, wie viel Arbeit und Aufwand dahinter steckt, wo die Schwierigkeiten lagen und wie ich gedenke, mich für ein kommendes Projekt verbessern zu können. Das alles werde ich Ihnen hier aber nicht erklären. Stattdessen möchte ich Ihnen kurz aufführen, warum mein Beitrag "lediglich aus einem Text" besteht.

Der Text. Der gute, altbewährte Text. Ein Format, dass fast so alt ist wie die Höhlenmalerei. Ein Format, dass es uns erlaubt unseren Geist zu öffnen, unsere Fantasie anzukurbeln und die eine oder andere graue Zelle wieder in Schwung zu bringen. Jahrzehnte lang haben Medienschaffende auf visuelle Elemente verzichtet. Keine Videos, keine Bilder und oftmals nicht mal ein ansprechendes oder zumindest leserfreundliches Design. In Redaktionen wurde um jede Zeile gestritten. Aber warum? Warum war der Text das vorreitende Format? Schon damals hiess es doch "ein Bild sagt mehr, als tausend Worte".
Wenn man mich fragt, sieht der Sachverhalt folgendermassen aus: Bildmaterial in allen ehren, aber jeder Hype, egal ob Text, Bild- oder Videomaterial wird von der Branche selbst erschaffen. Wir Medienschaffenden waren lange kein sonderlich innovatives Grüppchen. Jahrzehnte lang haben wir das selbe getan und den Rezipienten dafür ohne schlechtes Gewissen das Geld abgenommen. Und dann kam das Internet. Wie das mulmige Gefühl im Bauch, wenn man etwas verheimlicht. Und was haben wir gemacht? Wir haben es ignoriert. Steve Jobs, Mark Zuckerberg & Co. sei Dank: wir mussten der Wahrheit ins Auge sehen.
Die Medienbranche ist also auf den audiovisuellen, interaktiven, multimedialen, konvergenten und narrativen Zug aufgesprungen und begann den Text als Übeltäter mangelnder Rezipienten zu sehen.

Als junge Medienschaffende sehe ich mich deshalb dazu gezwungen zu intervenieren. Ein guter Text braucht keine Accessoires. Er funktioniert auch ohne Video, Bild und Kommentarfunktion. Er darf die Leser belehren und informieren, fordern und zum selbst sinnieren auffordern.
In diesem Sinne: auf die Selbstverwirklichung und darauf, dass die Branche merkt, dass es sehr wohl noch Rezipienten gibt, die das Format Text zu schätzen und lieben wissen.

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