Die Waldhaus-Story

Kürzlich war das legendäre Luxushotel in den Schweizer Bergen im Film «Ewige Jugend» von Paolo Sorrentino zu sehen und wurde damit weltberühmt. Auch war das Unternehmen in letzter Zeit wegen finanzieller Probleme und dem Verkauf von wertvoller Kunst in den Schlagzeilen. Doch welche Geschichte steckt hinter dem fast 140 Jahre alten Hotel, wer sind die Menschen hinter den Kulissen dieser Tourismusmaschine?

Und vor allem, wie soll ich diese Geschichte erzählen? Die Idee nur Film zerstreute sich schnell, da das Hotel im Produktionszeitraum Zwischensaison hatte und nur wenige Angestellte das Haus bevölkerten. Die Idee einer eher hintergründigen Recherche und damit die dafür optimale Erzählform «Scrollytelling» war geboren. Es entstand eine multimediale Story als eigene Webseite mit historischen Bildergalerien, der aufwändig recherchierten und wechselvollen Geschichte des Hotels, eigenen Fotografien rund um das Hotel sowie einem Filmbeitrag, der das Hotel zeigt, wie es aus dem Winterschlaf erwacht und dazu Interviews mit langjährigen Mitarbeitern. Auch werden kritische Themen wie der kürzlich erfolgte Verkauf an eine amerikanische Investmentgesellschaft, die wirtschaftliche Situation oder den Verkauf des Triptychons von Giovanni Giacometti beleuchtet.

Die Webseite
Zuerst habe ich mich mit der Programmierung einer Scrollytelling-Seite auseinandergesetzt und nach publizistischen Leitlinien für diese junge Disziplin gesucht und festgestellt, es gibt keine. Orientiert habe ich mich dann stilistisch an der Mutter all dieser multimedialen Artikel, der Snowfall-Story der New York Times. Ich habe die Varianten WordPress mit Plug-Ins und auch die Variante Framework geprüft, habe mich aber schlussendlich für eine klassische Programmierung mit HTML und CSS entschieden, auch nicht zuletzt um meine eher rudimentären Programmierkenntnisse zu erweitern und progressiv diesem Rückstand zu begegnen.

Der Text
Eine ausgedehnte und komplizierte Recherche im direkten Gespräch mit dem Hotel und mit Literatur aus Bibliotheken sowie Online-Recherchen lieferten mir das Material, um die Geschichte des Hotels erzählen zu können.

Die Fotos
Direkt vor Ort entstanden Fotografien mit der Spiegelreflexkamera. Welche Ausschnitte zum geplanten Text und den Aussagen passen, habe ich versucht zu ermitteln. Auch habe ich historische Fotografien direkt beim Hotel auftreiben können, die den geschichtlichen Teil der Story sehr gut unterstützten.

Der Film
Wegen der erwähnten Zwischensaison konnte das Hotel nicht im Vollbetrieb porträtiert werden und die alternative war dann, das Hotel roh zu zeigen, die Möbel mit Tüchern abgedeckt – Winterschlaf. Die Mitarbeiter «wecken» das Hotel in den Stimmungsbildern wieder aus diesem Zustand. Um mehr über die Mitarbeiter zu erfahren, plante ich ein Interview. Anstatt die Fragen mitzuschneiden bzw. überhaupt welche zu stellen, wählte ich den Ansatz, dass die Protagonisten ihre Geschichte über sich und das Hotel frei nach ihrem Gutdünken erzählen durften.

Hier gehts zur Webseite der Waldhaus-Story.

(le)

Kritik
von Luzi Wieland

Es tauchten verschiedene Fragen auf. Gibt es Layout-Regeln für solch eine Story? Orientiert man sich eher am Print oder an News-Seiten im Netz? Soll die Seite mobile-fähig sein oder eben gerade nicht? Ich habe im Gespräch mit dem Assistenten des Tagesanzeigers in interaktive Medien den Kompromisse in einem fest definierten Text gefunden, der sich ab einer bestimmt schmalen Breite dem Bildschirm anpasst. So ist er mobile wohl zu lesen, ein definiertes Layout beleibt aber für den Leser am Desktop als Qualität vorbehalten. Bei den Fotos war nicht ganz einfach, störende Elemente aus der Neuzeit aus dem Bild zu bekommen, um den Charakter des Ortes hervorzuheben. Auf der technischen Seite gibt es zu sagen, dass sexy Animationen, Parallax-Effekte  oder ein Video als Startpage usw. leider längere Ladezeiten und auch mehr Aufwand benötigen.

Die journalistische Erfahrung, auszuloten zu müssen was man nun genau schreiben soll und was nicht, wie kritisch man sein kann und wo die Grenzen sind, war nicht einfach. Beim Interview konnte ich die Folgen davon leider nicht verhindern, denn gewisse Stellen sind dann trotzt zäher Verhandlungen der Zensur zum Opfer gefallen. Das schlimmste konnte ich aber mit harten Bandagen in der Diskussion im letzten Moment retten. Für die kurzen Ausschnitte waren mehrere Drehtage notwendig, denn die Arbeiten fanden an verschiedenen Tagen statt und die Interview-Situation benötigte andere Technik, habe ich diese doch mit öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren müssen. Besonders die schwierige Lichtsituation für das Interview war ein Kampf. Auch die Arbeit mit den Interviewgästen war nicht leicht, waren die einen doch ziemlich medien- und wortgewandt, die anderen aber sehr nervös und unsicher. Das Projekt war intensiv und trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, nicht an diese tollen Storys meiner Vorbilder heranzureichen. Ich tröste mich allenthalben mit dem Argument, dass solche Produktionen normalerweise Teamarbeit sind und werde das nächste Mal wohl auch auf diese zurückgreifen und nicht alles alleine bewältigen. Ich bin mit meinem Ergebnis nicht wirklich zufrieden, ich hätte es gerne technisch aufwändiger gestaltet und auch im Nachhinein die Geschichte lebendiger erzählt, vielleicht hätte ich den Stil für den Einstieg bei der Reise nach Flims über weitere Strecken einsetzten und anhand dieser fiktiven Charaktere die faktenreiche Geschichte der Hotels ausbauen sollen. Die Form des Erzählens mit verschiednen Medien in einer einzigen Story halte ich aber für die Zukunft und sie hat mir grossen Spass bereitet. Diese vertiefte Arbeit im hektisch gewordenen Journalismus der schnellen Schlagzeilen gefällt mir sehr.

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