eine Woche bisschen Chef sein

Eine Woche bisschen Chef sein

Ernsthaft? Noch ein Digezz Beitrag mit Foodfotografie? Eigentlich sollte man doch denken, dass angehende Multimedia Producer etwas kreativer sind. Doch gerade in diesem Semester wird die Digezz-Website wohl mit Inhalten wie «Was ich in meiner Quarantäne so gegessen habe» oder «Bananenbrot – der Film» überquellen. Doch irgendwie ist dies ja auch verständlich, da sich die Produktionsmöglichkeiten auf ein paar Quadratmeter begrenzten und die Auswahl zwischen Mitbewohner und Broccoli als Projekt-Protagonist wohl leicht fiel.

Hier kommt der Punkt an dem ich zugeben muss, dass auch ich so eine Übeltäterin bin, welche auf Digezz mit Essen (oder eher Beiträgen darüber) um sich wirft. Wodurch heben sich nun meine Zimtschnecken von den anderen tausend ab?>
Als «Leon le Chef» bin ich eine Woche lang in die Haut einer veganen Foodbloggerin geschlüpft und habe auf Instagram ge-«greenfluenced». In Form von Instagram Stories dokumentierte ich jeden Einkauf, jede Zubereitung, jede Mahlzeit. Um mir das Ganze noch zu erschweren, nahm ich mir vor, mich während dieser Zeit ausgeschlossen vegan zu ernähren. Was jetzt nach einem Last Minute-Digezzprojekt klingt, stellte sich unerwarteterweise als ultra-anstrengend und aufwändig heraus.
Was mir diese Woche brachte?
Lange, sich wiederholende Gespräche mit meiner Selfie-Kamera, einen Einblick in den Beruf des Influencers, spannende Feedbacks von (den etwa 10) Followern, welche die ganze Woche in Echtzeit mitverfolgten, Instagram-Skills, Connections zu Foodbloggern, eine neue Freundschaft und 6 angebrauchte Hafer-Drinks!
Die Stories mit dem Pflanzen-«Milch»-Test, wie man eine vegane Crêpe zubereitet und warum ich das ganze überhaupt gemacht habe, findest du hier.

(bae)

Kritik
von Leonie Neukomm

Idee

Kochen wurde nicht erst in Zeiten von Corona meine Leidenschaft. Vor ein paar Jahren entschloss ich mich, ein Instagram Account nur für mein gekochtes Essen zu erstellen, welcher bisher aber mehr oder weniger ungebraucht verstaubte. Durch die Quarantäne entdeckte ich unsere kleine Küche nochmal neu und nahm mir vor, meinen Food-Account zu reaktivieren und aufzupolieren, mit Content zu füllen und Logo, sowie ein passendes Design zu kreieren.

Da ich mich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit, bzw. umweltschonende Ernährung auseinandersetze und mir das Thema auch sehr am Herzen liegt, wollte ich dies zu der Botschaft meines Projektes machen. Dies tat ich in Form von "Greenfluencing", das heisst, das Bewusstsein gewisser Menschen im Bezug auf umweltfreundlichen Konsum, Zero Waste etc. über Instagram beeinflussen. Ich selbst folge einigen erfolgreichen Greenfluencern auf Instagram und liess mich von ihnen etwas inspirieren.

So entschloss ich mich also, eine Woche mich selbst dabei zu dokumentieren, mich möglichst nachhaltig zu ernähren. Da tierische Produkte nachweislich nicht sehr toll für die Umwelt sind, entschied ich mich für eine rein pflanzliche Ernährung.

Planung

Wenn es etwas gibt, was ich nicht ausstehen kann, dann ist es zu weit vorausplanen. Vor allem, wenn es darum geht, was es zu Essen geben wird. Wie soll ich denn heute schon wissen worauf ich übermorgen Lust habe? Für diese Woche allerdings, musste ich mir einen Meal-Plan erstellen. Dabei achtete ich nicht nur darauf, dass es abwechslungsreich ist, sondern auch, dass ich die Gerichte aus möglichst regionalen Zutaten herstellen konnte.

Auch wenn ich das Projekt alleine anging, war ich teilweise auf Andere wie meine Mitbewohnerin angewiesen (für die Videoaufnahmen, beim Einkaufen etc.) und musste dies in meiner Planung berücksichtigen. Ausserdem veranstaltete ich ein Pflanzen-"Milch" Tasting, welches ich als qualitative Umfrage gestaltete. Auch diese plante ich mit Fragenkatalog, Antwortbögen und einem Brunch für die Teilnehmer.

Umsetzung

Die Umsetzung war anspruchsvoller und aufwändiger als gedacht. Meine Vorstellung vom Beruf des Instagrammers war es bis anhin, dass sie viel Geld für keine Arbeit erhalten. Aber hinter der Umsetzung einer Story oder eines Posts steckt viel - viel mehr als gedacht, vor allem wenn man hohe Ansprüche an die Ästhetik hat, so wie ich. Und ich musste mich echt daran gewöhnen, mich selbst zu filmen und das dann zu veröffentlichen.

Ich versuche hier kurz festzuhalten, wie also die Umsetzung der Dokumentation einer einzigen Mahlzeit aussah (Man bedenke, ich dokumentierte alle meine Mahlzeiten am Tag!):

Beispiel: Der Taco-Tuesday

Zuerst drapierte ich alle Zutaten, die ich für die Herstellung der Tacos benötigte, auf dem Tisch. Dann erstellte ich Fotos davon und manchmal noch ein kurzes Erklärvideo, wenn ich z.B. spezielle Zutaten verwendete.

Da ich zum ersten Mal Jackfruit als Zutat verwendete, musste ich mich noch durch ein paar Rezepte lesen, wie man diese zubereitet.

Anschliessend filmte ich mich selbst beim Kochen und erstellte ein Timelapse Video mit einem Beschrieb, wie ich das Gericht zubereite.

Wenn ich dann endlich fertig war mit kochen, richtete ich das Essen hübsch und fototauglich, in möglichst guten Lichtverhältnissen, an. Während das Essen kalt wurde, war ich damit beschäftigt, es perfekt abzulichten. Und dann filmte ich meine genervte Mitbewohnerin dabei, wie sie genüsslich in ihren Taco biss und mir ein Feedback dazu geben musste.

Nach dem Essen machte ich mich an die Nachbearbeitung und das Aufschalten der Videos. Dort überraschte mich, wie viel Zeit es kostet und wie anstrengend es ist, immer alles noch in "Echtzeit" auf Instagram zu laden.

Zu diesem Zeitpunkt stand erst die Story. Eigentlich wollte ich am Ende des Tages noch Beiträge mit den jeweiligen Rezepten posten. Ich stellte während der Woche aber fest, dass mir dies nicht möglich ist und ich die Erstellung und Veröffentlichung der Posts um eine Woche verschieben musste. Ich konzentrierte mich während der Woche also auf die Content Produktion und das Erstellen der Stories.

Was ich nicht eingeplant hatte, war die Zeit, um einige Fragen und Reaktionen zu beantworten, die ich auf meine Stories erhielt.

Auch für die Postproduction hatte ich weniger Zeit eingeplant. Ich koche selten nach Rezepten, lasse mich mehr davon inspirieren und koche dann nach meinem Geschmack. Dies hatte zur Folge, dass ich lernen musste, mir während dem Kochen aufzuschreiben, was ich gerade tat. Oft musste ich im Nachhinein die Rezepte rekonstruieren. Erst bei der Postproduktion, also der Erstellung der Posts, wurde mir bewusst, dass ich während der Woche mehr als 12 neue Rezepte kreierte und diese nun in eine visuelle Form umwandeln musste.

Zeitgleich machte ich mich an die Gestaltung meines neuen Logos. Ich entschied mich für eine Kombination aus Sketches und Fotografie für meine neue Aufmachung des Profils. Und auch hier war mir nicht bewusst, wie viel Zeit hinter einem durchkonzipierten Feed steckt. Ich entwickelte also eine Struktur für meinen Feed, in welchem ich auch Posts mit persönlichen Texten einfügte.

Kamera-Equipment

  • Canon EOS 70D
  • iPad
  • Handy

Learnings

Auf der einen Seite, hätte ich das ganze Projekt etwas besser planen können. Mein Zeit Management ging nicht immer auf und ich konnte viel weniger Content für den Feed produzieren, als ich geplant hatte. Doch glaube ich, dass genau dadurch, dass ich nicht alles strikt geplant hatte, mein Projekt eine etwas andere Dimension angenommen hat und sich besser entwickeln konnte. Ich muss zugeben, dass ich bis jetzt den Rahmen des Projektes nicht definieren kann. Am Anfang schien es mir mehr eine schnelle Idee für Digezz zu sein. Unterdessen erhalte ich viel positives Feedback zu meinem Account, welches bis zu einer neuen Bekanntschaft aus der Schweizer Foodblogging Comunity führte, die ich unbedingt weiter verfolgen möchte. Dass das Projekt plötzlich grösser wurde, als ich geplant hatte, hängt bestimmt auch damit zusammen, dass es eine Herzensangelegenheit von mir ist. Mein grösstes Learning ist, dass ich Instagram als kreative Plattform unterschätzt habe und dass ein toller Auftritt etliche Skills voraussetzt, wie z.B. sprachliche Affinität schriftlich sowie mündlich, Sinn für Ästhetik, Kommunikationstalent und sehr viel Geduld.


Fazit

Auch wenn mein Projekt sehr anstrengend kling, hat es mir viel Freude bereitet. Zudem ist das Projekt für mich an dieser Stelle nicht abgeschlossen, ich werde versuchen meinen Account aktuell zu halten, immer wieder Rezepte aufzuschalten und noch ein bisschen Leon le Chef sein, auch wenn ich nicht mehr alles dokumentieren werde.

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