Erinnerungen an den Krieg in Zeiten von Corona

Besonders ältere Menschen gehören im Moment zur Risikogruppe der Coronavirus-Pandemie. Seniorinnen und Senioren müssen lernen mit der Isolation zurechtzukommen. So auch meine Grossmutter, die bereits seit mehr als 10 Wochen ihr Haus nicht mehr verlassen hat. Da bleibt viel Zeit zum Nachdenken über Gott und die Welt. Auch Erinnerungen an den Krieg kommen in diesen einsamen Zeiten in ihr hoch. Denn so viel anders als im zweiten Weltkrieg ist die aktuelle Lage doch gar nicht, oder?

Rita Mullis ist 84 Jahre alt und erlebt zurzeit bereits zum zweiten Mal in ihrem Leben wie Geschichte geschrieben wird. Als sechs Jahre alter Knirps wurde ihr Vater an die Front gerufen. In Corona-Zeiten sind aber nicht die Soldaten die Helden, sondern die, welche strikt zu Hause in Trainerhosen auf dem Sofa hängen.

Beim Vorbeibringen der Einkäufe ergriff ich die Gelegenheit und liess meine Grossmutter durch die Wintergartenfensterscheibe in Erinnerungen schwelgen. Erzählt hat sie über die aktuelle Isolation und den Vergleich mit dem Leben in den damaligen Kriegszeiten.


(bae)

Kritik
von Jana Hug

KaffichränzliDieses kleine Projekt hat mir persönlich extrem viel Spass gemacht. Ich fand es unheimlich schön, zusammen mit meiner Grossmutter einen ganzen Nachmittag lang zu «pläuderlen», Geschichten über meine Familie zu hören und zu erfahren, wie es ihr in dieser schweren Zeit wirklich geht. Gerne wollte ich einen Teil dieser Geschichten mit euch teilen.

Vorgehen
Ich habe mir im Voraus Gedanken dazu gemacht, wie ich die besten Geschichten und Gedanken meiner Grossmutter «filtern» kann. Wie viele ältere Menschen neigt auch sie sehr gerne dazu, lange auszuholen, sich in Details zu verlieren und Gesagtes ein zweites und drittes Mal zu wiederholen. Trotzdem wollte ich ihr gerne die Freiheit geben und sie auf jede Frage vollständig ausreden lassen, obwohl das leider nicht immer ganz möglich war. Ansonsten sässe ich wohl immer noch dort ;-)
Ich habe mich bewusst auf fünf Fragen fokussiert und diese möglichst präzise gestellt. Mir war es besonders wichtig, ihre Emotionen «einzufangen». Dazu gehört auch das «Schwelgen in Erinnerungen»...
Aufgenommen habe ich das ganze Gespräch in Corona-Zeiten mit der Sprachnotizfunktion meines Handys und als Sicherung zusätzlich noch mit dem iPad. Ich habe ihr die beiden Geräte auf den Tisch gelegt, wobei ich selbst mit zwei Meter Abstand hinter einer halb offenen Scheibe sass.

Postproduction
GeschnitteN habe ich dieses ausführliche Gespräch zuerst mit «Premiere Pro», um die Aussagen zu ordnen und mir eine Übersicht zu verschaffen. Den Feinschliff habe ich dann mit «Audition» gemacht, wobei ich zum ersten Mal mit diesem Programm gearbeitet habe.
Ich habe meine Stimme im Nachhinein aufgenommen, um ein bisschen Ordnung und Anhaltspunkte zu geben.
Mit der Musik habe ich versucht die Stimmung zu verstärken, allerdings wollte ich es auf keinen Fall übertreiben.

Learnings
Es war für mich das erste Mal, eine so eng vertraute Person zu interviewen. Dabei musste ich immer schauen, dass mehr oder weniger alles, was mir meine Grossmutter erzählt hat, auch für aussenstehende Personen gut verständlich ist. Manchmal gab es zu viele «Insiders», was ich dann so leider nicht gebrauchen konnte. Es war aber nicht nur für meine Grossmutter schwierig, nicht dauernd abzuschweifen, sondern auch für mich. Denn es interessiert mich persönlich natürlich sehr, wie meine Urgrossmutter und Familie früher gelebt haben.
Trotzdem habe ich gelernt, dass ich auch bei ihr «durchgreifen» muss, um ein gutes Resultat zu erzielen.

Insgesamt und unter gegebenen Umständen bin ich sehr zufrieden mit dem kleinen, aber feinen Radiofeature.

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