Fake News!

Dieser Beitrag soll aufzeigen, wie viel Macht die Medien oder auch wir haben können, wenn wir Aussagen total aus dem Kontext reissen. Daher: Schaut das Video unbedingt bis zum Ende, die Wahrheit wird euch überraschen.

Wir, Leila Gerber und Joel Dähler, hatten das Glück, einen waschechten Berliner kennenzulernen. Er wurde uns als extrovertierte Person im Model-, Schauspiel- & Musik-Business beschrieben. Wir durften ihn zum Interview treffen, wo er uns Einblicke in sein spannendes Leben gewährte. Doch im Interview stellte sich heraus, dass unsere Erwartungen nicht der Realität entsprachen.

Er hat zwar all die extravaganten Jobs in seiner Jugend ausprobiert und jobbt auch immer noch hie und da als Model, grundsätzlich ist er aber ein sehr bodenständiger, familienorientierter Mensch geworden. Unsere Erwartungen an das Interview blieben nicht nur unerfüllt, es kam auch absolut kein Spannungsbogen zu Stande, so dass das Interview von uns nie bearbeitet und sogar verworfen wurde – bis jetzt!

Uns liess der Gedanke nicht los, dass man noch etwas aus dem Interview-Material machen könnte, schliesslich verbrachten wir einen ganzen Tag mit dem Filmen des Interviews und den Schnittbildern. Beim gelangweilten Durchschauen hatten wir einen Geistesblitz: Was, wenn wir versuchen, dieses nicht sehr spannende Interview so extrem wie möglich zu schneiden? Das war eine Herausforderung für uns. Also haben wir die Highlights der Aussagen aus über einer Stunde Interview-Material zusammengesucht und ein extremes Video daraus gemacht.

Wir wollten uns damit nicht nur einer Herausforderung stellen, sondern vor allem auch zeigen, wie viel Macht Medien haben können; Wie schnell man etwas missverstehen kann, wenn es aus dem Kontext gerissen wird. Journalisten haben einen Ehrenkodex, der es untersagt, Aussagen von Personen so zu verzerren, dass sie plötzlich etwas ganz anderes aussagen, als die Person ursprünglich gemeint hat. Unser Beitrag soll zeigen wieso.

Disclaimer: Im Video wird der Interviewpartner zuerst als Person dargestellt, die Geld durch sexuelle Gefälligkeiten verdient und 24 Stunden, sieben Tage die Woche nur Party macht. Dies stellt nicht annähernd die Persönlichkeit der Person dar, die wir interviewt haben. Diese verzerrte Darstellung der Person entstand nur durch das «aus dem Kontext reissen» einzelner Aussagen während des Interviews. Eigentlich ging es im Interview um das Sport- & Geschichtsstudium des gelernten Pädagogen und wie seine Jobs als Model ablaufen. Er erzählt von seinen Versuchen als Komiker und von seinen Zukunftsplänen als Lehrer. Da das aus dem Kontext gerissene Videomaterial sensibel ist, wurden entsprechende Disclaimer-Bemerkungen eingefügt. Auch wenn das Video unter klarem Einverständnis des Interviewpartners online gestellt wird, wird sein Name absichtlich nicht genannt.

Ein grosses Dankeschön an Anja Rüefnacht, Lukas Näf, Nathan Beer, Raphael Theiler und Remo Krapf, die bei der Organisation und Durchführung des Interviews geholfen haben. Idee, Durchführung des Interviews, Kameraführung (teilweise), Auswertung, Schnitt und Sound-Design by Leila Gerber und Joel Dähler. Danke auch an unseren Interview-Partner für sein Verständnis und sein Vertrauen.

(ae)

Kritik
von Joel Dähler und Leila Gerber

Idee / Motivation: 

Anders als bei anderen Videoprojekten entstand diese Idee erst, als schon alles im Kasten war. Die Idee wurde quasi aus der Not geboren, nichts mit dem Videomaterial anfangen zu können, wie bereits im Beitrags-Text beschrieben. Uns liess die Idee nicht los, dass man aus dem Interview-Material doch noch etwas machen könnte. Schliesslich hatten wir viel Zeit und Mühe in das Interview gesteckt, nur um es für unseren eigentlichen Zweck fallen zu lassen. Also haben wir uns durch über eine Stunde Interview-Material gekämpft auf der Suche nach brauchbaren Interview-Antworten. Das wir dabei Aussagen so extrem verdrehen können, haben wir mit grosser Sicherheit nicht geahnt. Immer wieder, auch in der Medien, passiert es, dass Aussagen missverstanden werden, weil sie aus dem Kontext gerissen werden. Genau diesem Problem sollte sich unser Beitrag gesellschaftskritisch angliedern.

 

Postproduction: 

Der Hauptteil der Idee zu diesem Beitrag bestand aus Editing, Editing und noch mehr Editing. Zu jeder Videodatei des Interviews haben wir uns handschriftliche Notizen gemacht, die festhielten, an welcher Stelle spannende Aussagen getroffen wurden, die, wenn sie aus dem Kontext gerissen werden, doppeldeutig sein könnten. Die herausgeschrieben Aussagen wurden dann in verschiedene Bereiche kategorisiert (z.B. sexuelles, Party, Arbeit). Jeder von uns hat sich dann Bereiche geschnappt und die dazugehörigen Aussagen aus den Videos herausisoliert. Wir hätten nicht damit gerechnet, dass so stark doppeldeutige Konstrukte beim Zusammenschneiden möglich wären.

Besonders knifflig war es, herausgetrennte, einzelne Aussagen so aneinander zuschneiden, dass sie nicht nur Sinn ergeben, sondern dass deren Übergänge auch tonal auch einigermassen sauber und nicht abgehackt klingen. Da sich der zusammengesetzte Videoteil als sehr stark zweideutig erwies, wollten wir (nebst des Einverständnisses der interviewten Person) diverse Disclaimer zum Schutz vor Missverständnissen einbinden, was uns sehr wichtig war. Nach vielen hin und her geschickten Dateien (da wir beide gleichzeitig am Schnitt des Videos sassen, was im Übrigen keine leichte Aufgabe ist) entstand dann das fertige Video.

 

Fazit: 

Anfänglich hatten wir mit ein-zwei lustigen Aussagen gerechnet. Je länger wir jedoch am Schnitt sassen und je länger wir uns mit dem Video auseinandergesetzt hatten, desto klare wurde es, dass komplett andere Aussagen dadurch entstehen würden. Zwischenzeitlich waren wir uns nicht mehr sicher, ob es nicht zu weit ging. Wir haben das Video testweise verschiedenen Studienkollegen gezeigt und die Reaktionen reichten von "harmlos & lustig" bis hin zu "das könnt ihr nicht auf Digezz bringen". Es war schwer abzuschätzen, was medienethisch korrekt ist und was nicht. Uns wurde klar, dass sich Medien tagtäglich solchen Fragen stellen müssen.  Wir wissen, dass unser Beitrag heikel sein kann (deswegen auch die vielen Disclaimer). Aber genau diese Schockelemente ziehen beim Publikum am besten; Emotionen auslösen. Wir waren uns aber einig, dass wir den Beitrag unter Betrachtung all der Disclaimer und der Rücksprache mit dem Protagonisten als fair ansehen.

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