Gimbal der Marke Eigenbau

Jeder Hobby-Filmer kennt das Problem: Bewegte Shots ohne Ruckler aufzunehmen ist eine schwierige Aufgabe. Vor allem wenn man aus der Hand filmt. Hierzu gibt es allerdings eine praktische Lösung. Sogenannte Steadycams oder elektronische Gimbals.

Die besagten Geräte stabilisieren die Kamera und ermöglichen so ruckelfreie Aufnahmen, währenddem der Kameraführende herumwackeln kann. Vorstellen kann man sich solch eine Apparatur ähnlich wie ein Zirkusartist, welcher auf seinem Kopf eine Jonglierkeule balanciert. Dabei wäre die Jonglierkeule die Kamera, welche stets ruhig bleibt, der Kopf des Artisten der Gimbal und der Rest des Körpers der Kameramann selber.

Jedoch gibt es zwischen Steadycams und elektronischen Gimbals markante Unterschiede. Eine Steadycam oder auch Schwebestativ genannt, balanciert mittels einem Kugelgelenk und entsprechenden Gewichten Bewegungen aus und ermöglicht so einigermassen ruckelfreie Aufnahmen. Solch eine Apparatur kommt jedoch schnell an seine Grenzen, da schnelle Ruckler nicht sauber ausgeglichen werden können und dies später in der Footage ersichtlich ist. Dazu kommt, dass es extrem viel Zeit beansprucht, um die Apparatur korrekt einzustellen und noch viel länger dauert, bis man damit so gut umgehen kann, dass dabei brauchbare Shots entstehen. Klarer Vorteil eines mechanischen Gimbals ist der Preis. Brauchbare Steadycams sind bereits ab CHF 400.– erhältlich.

Leichter zu bedienen und einzustellen hingegen sind elektronische Gimbals. Diese gleichen mit Hilfe von Servomotoren automatisch schnelle Bewegungen aus und ermöglichen absolut ruckelfreies Filmen. Dank Beschleunigungssensoren und Gyrometern erkennt ein Microcomputer, welche Bewegungen gemacht und mittels Servomotoren ausgeglichen werden müssen. Die einzigen Bewegungen, die ein elektronischer Gimbal nicht ausgleichen kann, sind Auf- und Abwärtsbewegungen infolge von holprigen Schritten. Gute Technik hat jedoch ihren Preis: Brauchbare elektronische Gimbals kosten CHF 1500.– aufwärts.

Zwei passionierte Hobby-Filmer stellten sich die Frage, ob es nicht eine kostengünstigere Lösung für das Filmen von ruckelfreien Aufnahmen in Bewegung gibt. Mit diesem Ziel vor den Augen machten sie sich ans Werk. Dabei herausgekommen ist ein herausragender DIY Gimbal. Ein voll funktionstüchtiger elektronischer Gimbal der Marke Eigenbau. Mit einem Budget von nur ca. CHF 650.– wurde das Projekt erfolgreich umgesetzt.

Wie genau der DIY Gimbal aussieht, ist im folgenden Clip ersichtlich:

Da Gimbals eigentlich dazu da sind, um schönere Aufnahmen zu ermöglichen, sollte dies auch entsprechend zelebriert werden. Aus diesem Grund wurde, um nebenbei die Funktionstüchtigkeit demonstrieren zu können, spontan ein Kurzfilm gedreht, welcher ausschliesslich mithilfe des Eigenbau-Gimbals umgesetzt wurde:

(le)

Kritik
von Mauro Walker und Alesch Jufer

Impuls/Inspiration:
Als Technikinteressierte und motivierte Filmemacher steht für uns bei der Realisation von Videoproduktionen die Effizienz im Vordergrund. Das für uns zur Verfügung stehende Equipment, damals nur eine mechanische Steadycam, war beim Dreh stets unser Sorgenkind. Viel zu Lange dauerte es, die Steadycam sauber zu balancieren und nicht genug zufriedenstellend waren wir mit den damit gedrehten Aufnahmen. Einen brauchbaren elektronischen Gimbal von einem vertrauenswürdigen Hersteller zu erwerben, lag ausserhalb unseres Budgets. So kam die Idee auf, als Experiment selber einen elektronischen Gimbal zu konstruieren. Da beide von uns kleine Tüftler sind, wagten wir uns an dieses ambitionierte Projekt.

Konzeption:
Zu Beginn mussten wir uns mit grundlegenden Funktionsmechanismen eines Gimbals auseinandersetzen. Es erfolgten intensive Recherchen über erwerbbare notwendige elektronische Komponenten und Gerüstteile. Innerhalb von kurzer Zeit stand unser Masterplan bereits auf den Beinen.

Realisierung:
Einen grossen Teil der Komponenten bestellten wir zu sehr günstigen Konditionen aus dem asiatischem Raum. Ob die bestellten Teile tatsächlich miteinander kompatibel sind, erfuhren wir erst beim Zusammenbau des Gimbals. Das Zusammenfügen der Komponenten dauerte mehrere Stunden und erforderte viel Fingerspitzengefühl und Geduld. So mussten beispielsweise neue Löcher gebohrt werden, um die Gimbal-Motoren zu montieren oder Kabel zusammengelötet werden, um alles korrekt anschliessen zu können. Wichtigstes Bauteil an unserem Gimbal sind Kabelbinder. Ohne diese wäre unsere Apparatur nicht im selben Umfang Funktionsfähig, wie wir sie schlussendlich realisiert haben.

Die grösste technische Herausforderung war für uns die softwaretechnische Kalibrierung des Gimbals. Neben der Feineinstellung der verschiedenen Sensoren mussten diverse Werte von Hand eingestellt werden. Beispielsweise die Spannung und Anzahl Pole der Motoren, die Widerstandskraft der Motoren, die Geschwindigkeit der Anpassung auf die Idealposition der Kamera oder die zusätzlich übertragene Spannung bei sehr schnellen Stabilisierungsimpulsen. Beim Prozess der Feinkalibration war nach jeder Veränderung der Parameter ein Test-Shot mit der Kamera notwendig um die gemachten Anpassungen zu kontrollieren. Dieses sehr zeitaufwendige und komplizierte Vorgehen führte zum bestmöglichen Setting des Gimbals.

Ursprünglich war geplant, den Fokus unseres Projektes auf die technische Implementierung zu setzen. Uns wurde jedoch relativ schnell klar, dass dieser Themenbereich nur die wenigsten interessiert. Aus diesem Grund entschlossen wir uns, anstelle eines langweiligen theoretisch-technischen Beitrages praktische Ergebnisse unseres Gimbals zu präsentieren.  In Rekordgeschwindigkeit setzten wir eine kurze und knackige Story auf, erstellten eine Shotliste und organisierten spontan eine Schauspielerin. Noch am gleichen Tag hatten wir die Mehrheit des Kurzfilms bereits im Kasten und drehten nach einer kurzen Unterbrechung aufgrund einer Studienreise die restlichen Shots. Die Post-Production des Filmes erledigten wir kurz innerhalb eines Nachmittages.

Lessons-Learned:
Während und nach der Realisation unseres Projektes wurde uns einmal mehr Bewusst, wie wichtig es ist, Geduld zu haben und wie sehr es sich auszahlt, mehr als nur das Mindeste an Zeit und Energie zu investieren. Auch lohnt es sich, die etwas teureren elektronischen Bauteile (z.B. Sensoren, Motoren oder Controller) zu kaufen. Wir haben nicht gespart und wurden durch qualitative hochwertige Elektronik belohnt.

Wie bei vielen elektronischen Geräten, ist der Akku noch die Schwachstelle. Beim Kurzfilmdreh war dieser nach 3 Stunden leer und wir konnten leider nicht alle Shots filmen. Wir werden in den kommenden Tagen nun einen leistungsfähigeren Akku kaufen.

Fazit:
Grundsätzlich sind wir mehr als zufrieden mit dem Umgesetzten. Es war für uns eine grosse Genugtuung, mühelos und ohne technische Probleme mit dem selbstgebauten Gimbal einen Kurzfilm drehen zu können. Wir werden den Gimbal in Zukunft weiter optimieren und denken bereits an nächste technische Erweiterungen und weiterführende Projekte.

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