H.R. Giger – ein Genie am Rande des Wahnsinns

Chur – Wenige Meter von der HTW entfernt, befindet sich die GIGER BAR. Der weltbekannte Künstler H.R. Giger wuchs in Chur auf. Wir befassten uns mit dem gebürtigen Bündner und seinen surrealistischen Werken. 2012 erscheint der Film “Prometheus”, bei dem er intensiv mitwirkte.


Hansruedi (H.R.) Giger wurde 1940 als zweites Kind einer katholischen Arbeiterfamilie geboren. Seine Kindheit und frühen Jugendjahre verbrachte er in seiner Heimatstadt Chur und wechselte etliche Male die Schule, da er als Problemkind galt. Schon bald verschlug es ihn nach Zürich, wo er sich seinem Industriedesign- und Architekturstudium widmete. Bereits in seinen frühen Studentenjahren widmete er sich der Kunst. Mit Öl und Tusche begann er seine Emotionen auf die Leinwand zu projizieren.

Seine frühen Werke weisen schon den unverkennbaren Giger-Stil auf. Gigers Kunstwerke befassten sich damals wie heute mit den monumentalen Themen Leben und Tod. Geburt und Zerstörung. Die Werke sind nichts für schwache Nerven und üben auf den Betrachter oftmals eine Mischung aus Beunruhigung und Faszination aus. Es sind meist die dunklen Seiten der Seele, denen er mit seinem Schaffen Ausdruck verleiht. Sei es seine Angst vor der Nuklearkraft oder wiederkehrende Alpträume – Gigers Werken, ob Bilder, Skulpturen oder Filmen haften etwas Dämonisches an.

Das Unheilvolle, das sich wie ein roter Faden durch Gigers Kunstschaffen zieht, findet sich auch in seinem Leben wieder. Während Drogenexzessen erlebte er so manchen Horrortrip, welchen er mit seiner Kunst verarbeitete. Auch den Tod seiner langjährigen Lebensgefährtin, die sich mit 27 Jahren das Leben nahm, inspirierte ihn für sein weiteres Schaffen. In etlichen Werken hat er ihr makelloses Gesicht verewigt. Giger bezeichnet es als Ironie des Schicksals, dass sie ihrer Jugend und Schönheit mit einem Kopfschuss ein Ende setzte.

LSD Erfinder Albert Hofmann und Mythenforscher Sergius Golowin standen ihm während dieser traurigen Zeit zur Seite. Giger schätzte die beiden Männer sehr und sah in ihnen Vaterfiguren und Mentoren. Sie feierten auch den grossen Durchbruch ihres Freundes – dieser gelang ihm 1977 mit seinem erfolgreichsten Werk „Necronomicon“. Jene Illustrationen bildeten die Grundlage für Ridley Scott‘s „Alien“, und Giger etablierte damit zeitgleiche seine „biochemischen Kreaturen“, die ihn weltweit unverkennbar machen. Dafür kreierte er eine ganz eigene Airbrush-Technik. Er sprayte seine Werke von Hand.

Heute lebt Giger in drei benachbarten Einfamilienhäusern in Zürich, durch deren Gärten eine selbstgebaute Eisenbahn tuckert. Die Wagons sind mit originalen Giger-Stühlen bestückt, deren Design er sich in den frühen 90er-Jahren angenommen hat, nachdem er der Airbrush-Technik abgeschworen hatte. Diese sei ihm laut eigenen Aussagen zu populär geworden und stelle für ihn demnach keine Option mehr dar.

Nebst dem Eisenbahnprojekt, unzähligen Ausstellungen auf der ganzen Welt, einem riesigen Archiv an Postern, Tarotkarten, Bücher, Skuplturen, drei Bars (Chur, Tokyo und Gruyère) kam 1998 noch sein eigenes Museum hinzu. Da dieses viel Geld verschlinge, bezeichnete er seine finanzielle Lage in einem Interview mit der Schweizer Familie (2002) als „prekär“. Wie lange er noch von seinen Reserven zehren könne, sei unklar.

Um ein breiteres und jüngeres Publikum anzusprechen, richtete Giger in seinem Museum drei Räume für Werke anderer namhafter Künstler wie Prof. Ernst Fuchs, Hans Bellmer, Fred Knecht, Stelio Diamantopoulos, Martin Schwarz, Claude Sandoz, Günther Brus, François Burland, Victor Safonkin, Sybille Ruppert und andere.

Weiter ist Giger berühmt für seine Albumcovers, mit denen er sich wohl einen netten Zustupf verdient. Der Frontmann der Metalband Korn, Jonathan Davis, liess sich gar einen eigenen Mikrofonständer gestalten, der an jeder Show dabei ist und es auch zu grosser Berühmtheit geschafft hat.

Zurzeit werkelt Giger an einem Auftrag der Superlative: Diesen Juni soll der Blockbuster „Prometheus“ auf die Leinwände kommen. Ridley Scott führt auch dieses Mal Regie – aus der letzten Zusammenarbeit der beiden Künstler resultierte die begehrteste Auszeichnung der Filmbranche: Den Oscar.

Da bleibt zu hoffen, dass sich der Bündner Künstler zurzeit die Nächte um die Ohren schlägt: Denn bei Dunkelheit ist das Genie Giger am kreativsten.