Heute mal echt

Wie kann der einzigartige und positivste Kern eines wildfremden Menschen bildtechnisch eingefangen werden? Wir wagten ein Experiment zu Kommunikation und Ausdruck, entdeckten aber die Grenzen und das Potential der Medien Film und Fotografie.

Alle Menschen sind gleich und dennoch total verschieden. Emotionen wie Wut, Trauer, Liebe oder Ekel kennen wir alle und doch erlebt sie jede*r anders. Zu jeder Emotion haben Menschen Ausdrucksformen, Auslöser, Reaktionen und Strategien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dies zu beobachten kann überraschend, erschreckend und schön zugleich sein.

Unsere Strategie: Fremde Menschen spielen vorgegebene Emotionen, wodurch sie ehrlich und echt lachen müssen. Das Ablichten und Einfangen dieses Lachens, dieser positivsten Form jeder Persönlichkeit, war unser Ziel. Die erwünschte Message: Jede*r ist anders, jede*r ist schön.

Unser Endprodukt aber sagt mehr aus als das. Es ist gleichzeitig auch eine Gegenüberstellung verschiedener bildbasierter Medien: Was im Video künstlich, aufgesetzt, ja teilweise sogar lächerlich wirkt, wird auf unseren Fotografien zu einem isolierten Moment ausdrucksstarker Intimität. Wertfrei und echt. Aber schaut doch einfach selbst:

Gespielt vs. Real

Hier noch einige Perlen:

(hil)

Kritik
von Jana Leu, Julia Heiri und Edwin Parayampillil

Die Idee

Erste Pläne

Mit dem Kopf voller Ideen fand sich unser Team zusammen. Fotos und Ton, Fotos und Film, oder alles zusammen? Viel war uns noch nicht klar bei unserem ersten Treffen, ausser: Unser Beitrag sollte berühren. Wir wollten Emotionen wecken. Und Menschen in ihrer Vielfalt und vor allem in ihrer Authentizität sollten die Hauptrolle spielen. Das war Plan A.

Im Laufe dieser ersten Findungsphase entstanden zahlreiche Ideen, Pläne und Vorstellungen. Viele davon wurden zugleich wieder verworfen. So waren wir bereits bei Plan D angelangt als wir uns schliesslich entschieden, das Studio in der FHGR zu nutzen um unsere Mitstudent*Innen zu filmen und fotografieren. Es sollte um ihr Lachen gehen. Ihr echtes Lachen. Um den positivsten Ausdruck jeder Person und Persönlichkeit in ihrer Einzigartigkeit und das Einfangen und Darstellen desselbigen. Unser Aussagewunsch: Jede*r ist anders, jede*r ist schön.

Corona und die neuen Ideen

Im März testeten wir das Material, fotografierten uns gegenseitig und waren guter Dinge – das Projekt nahm langsam Gestalt an. Doch dann kam Corona. Die Schule wurde geschlossen und wir hatten keinen Zugang mehr zum Studio. Die meisten unserer Komilliton*Innen verliessen Chur und zogen während des Lockdowns zurück zu ihren Eltern. Wir lieben Herausforderungen, aber Menschen, die nicht vor Ort sind in einem Studio zu fotografieren, zu dem wir keinen Zugang haben, war auch für uns etwas zu viel.

Ein wenig enttäuscht machten wir uns also wieder auf die Suche. Nächster Plan: Strasseninterviews mit Menschen an verschiedenen Orten in der Schweiz zu ihrem Umgang mit dem Lockdown. Emotionen, Aktualität und Vielfalt garantiert. Die technische Ausrüstung wäre sehr begrenzt gewesen, da damals die Technik-Ausleihe ebenfalls geschlossen war, aber aus privaten Beständen und mit einigen Abstrichen in der Qualität, hätten wir das Projekt wohl gerade so umsetzen können.

Doch wieder kam alles anders, denn ein Teammitglied hatte plötzlich starken Husten. So entschieden wir, dass es verantwortungslos wäre, uns unter die Leute zu mischen – Abstand hin oder her. Mehrere Wochen später, machten wir uns schliesslich wieder auf die Suche nach Ideen. Angelangt bei Plan Nummer H (ungefähr), entschieden wir, unser Projekt in zwei Projekte aufzuteilen:

Wir gingen auf die Strasse, um fremde Leute und ihre Emotionen abzulichten. Das andere Projekt und unsere Überlegungen dazu findest du hier.

Heute mal echt

Ganz am Anfang hatten wir die Idee, Menschen auf authentische Weise zu zeigen, und damit unsere Zuschauer*Innen zu berühren. Daraus enstand der Plan, fremde Menschen auf der Strasse zu fotografieren, wie sie verschiedene Emotionen spielen. Das ist natürlich das Gegenteil von authentisch. Aber: Wenn Menschen spielen, kommt die Spielfreude und mit der Freude kommt das Lachen. Und Lachen einzufangen – persönlich und echt – war ja unser ursprüngliches Ziel.

Mit Videokamera, Fotoapparat und Mikrofon fingen wir die gespielten Emotionen ein. Nebst den gestellten Momenten, dokumentierten wir so auch die Momente dazwischen: Menschen, die über sich selber lachen mussten, sich wegdrehten, rot wurden, sprich: sich authentisch verhielten.

Der Dreh

Startpunkt war der Churer Alexanderplatz. Wir sprachen Passanten an, ob sie bei unserem Projekt mitmachen würden. Schon das alleine war eine Herausforderung. Wegen Corona waren natürlich viel weniger Leute in der Stadt unterwegs als üblich. Trotz einiger Schwierigkeiten zu Beginn, konnten wir bis zum Ende des Tages rund 14 Menschen motivieren, vor unsere Kameras zu stehen und rumzualbern. Auf diese Bilanz sind wir ziemlich stolz.

Das Wetter am Drehtag war ziemlich wechselhaft. Wir mussten mehrmals die Kameraposition ändern, um das Licht optimal gestalten zu können. Auch windete es recht stark, was unsere Tonaufnahmen leider etwas beeinträchtigte.

Ansonsten verlief der Dreh reibungslos und wir hatten bis am Abend alle notwendigen Bilder, Töne und Videos im Kasten.

Der Aussagewunsch

Authentisches Lachen einzufangen und damit zu berühren, war zu Beginn unser Ziel. Während der Postproduktion entwickelte sich unsere Aussage aber weiter. Die Aussage unseres Endprodukts war so nicht geplant, so viel Ehrlichkeit muss sein. Erst im Schnitt, als wir Foto- und Filmmaterial nebeneinander sichteten, stellten wir erstaunt fest, wie diese beiden bildbasierten Medien komplett unterschiedliche Wirkungen erzeugten.

Wir hatten – unbeabsichtigt – Filmaufnahmen produziert, auf welchen die Protagonist*Innen beinahe lächerlich wirkten. Unweigerlich drängte sich dem/der Betrachter*in zuweilen die wertende Perspektive auf: "Denkt diese Person wirklich, dass man die gespielte Emotion von aussen erkennt?" Oder: "Das sieht ja alles immer gleich aus!" Oder: "Du bist definitiv kein guter Schauspieler!" Solche Gedanken sind hart und diese auszulösen war alles andere als unsere Absicht. Im Gegenteil: Es war uns besonders wichtig, niemanden lächerlich zu machen. Wir haben nämlich grossen Respekt vor dem Mut dieser Menschen, die sich trauten in der Öffentlichkeit, vor laufender Kamera, mit wildfremden Leuten herumzublödeln.

Völlig anders wirkten die Fotografien: Die gespielten und die echten Emotionen unserer Schauspieler*Innen wurden auf einen einzigen kurzen Moment reduziert. Und plötzlich waren die Bilder, die als Film teilweise noch lächerlich wirkten, total authentisch und frei von jeglicher negativer Wertung.

So entstand aus dem Wunsch mit Authentizität zu berühren, die Erforschung unterschiedlicher Bild-Medien und ihrer jeweiligen Grenzen.

Die Postproduktion

Wie auch bei unserem zweiten Filmprojekt «Aufstehn» hatten wir das Problem, dass wir die Rohdateien von den Mac-betriebenen Laptops nicht auf Janas HP Laptop übertragen konnten. Nachdem wir mehrere mögliche Lösungen (Externe Festplatten, USB-Stick etc.) erfolglos ausprobiert hatten, lösten wir das Problem so, dass wir die Dateien nochmals zurück auf die SD-Karte verschoben und Jana diese dann von dort auf ihren Laptop importierte. Das war sehr mühsam und zeitaufwendig.

Das Synchronisieren der Audiodateien mit der jeweiligen Filmdatei stellte sich als schwierig heraus, da die Protagonist*Innen manchmal kaum etwas sagten und es so schwierig war herauszufinden, um wen es sich handelte. Einziger Anhaltspunkt war der Zeitpunkt, an dem die Aufnahme gemacht wurde. Das nächste Mal sollten wir die Teilnehmer*innen dazu auffordern, zu Beginn der Video- wie auch Audioaufnahme ihren Namen zu sagen.

Jana machte den ersten Rohschnitt. Sie ordnete zunächst die Videoaufnahmen der entsprechenden Emotion zu, was eine ganze Weile dauerte. Die Arbeit danach ging dann aber um einiges effizienter. Zu einem Track von Epidemic Sound (Danke Edwin für das Login!) fügte sie schliesslich die Videos mit einer Auswahl an Fotografien zu einer Sequenz zusammen. Da Jana bisher nur selten ein ganzes Video in dieser Art geschnitten hatte, musste sie sich erst mit Premiere Pro vertraut machen. Den Schnitt spannend zu gestalten, ohne dass die Fotografien dabei zu kurz angezeigt werden, war eine grundsätzliche Herausforderung bei diesem Projekt.

Unsere Learnings

Wegen Corona und den entsprechenden Abstandsregeln, machten wir unsere Tonaufnahmen mit Hilfe einer Perche. Leider vergassen wir bei der Materialbestellung zu beachten, dass ein Reportermikrofon für unsere Zwecke wohl besser geeignet gewesen wäre als ein Richtmikrofon.

Einfach mal machen. Unser Endresultat sagt einiges mehr aus, als dass wir uns zuvor erhofft hatten. Das zeigt, dass es manchmal auch gut sein kann, nicht alles von A bis Z durchzuplanen.

Film und Fotografie sind ähnlich, da beides stark auf die visuelle Ebene fokussiert. Die Aussagekraft und Aussageart der beiden Medien ist unter Umständen aber diametral verschieden. Wir finden das faszinierend und könnten uns vorstellen, diesen Kontrast in einem weiteren Projekt bewusst zu erforschen.

Menschen könnten unterschiedlicher nicht sein! Das ist uns durch dieses Projekt erneut bewusst geworden.

Unser Fazit

Wir sind sehr zufrieden mit dem Resultat. Wegen Corona kam zwar alles anders als ursprünglich geplant, doch hat sich die Suche nach Alternativen gelohnt. In diesem Prozess sind uns zahlreiche weitere Ideen begegnet, auf welche wir in den kommenden Semestern nun zurückgreifen können.

Wir haben viel glernt darüber, wie man mit Menschen umgehen muss, die vor einer Kamera stehen und wie man Medien unterschiedlich nutzen kann.

Unser Equipment

1x Blackmagic Pocket Cinema Camera 6K, Objektiv 18 – 35 mm 1.8f
1x Manfrotto Stativ
1x Richtmikrofon Sennheiser ME66
1x Zoom H&
1x Tonangel
1x Canon D5 III, Objektiv 50m 1.4f

Vielen Dank an alle Schauspieler*Innen, die bereit waren, so spontan und mutig bei unserem Projekt mitzumachen!

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