Human – One Man Band

Wie wird eigentlich ein kompletter Song von A bis Z produziert? Von der ersten Aufnahme des «Kickdrums» bis zum finalen Schliff im Mastering? Die professionelle Produktion eines Songs erfordert viel Geduld, Wissen und das Gehör einer Fledermaus. Nichtsdestotrotz stellte ich mich dieser Herausforderung und reproduzierte den Song «Human» von Rag ’n’ Bone Man – mit einem kleinen Twist.

Wer schätzt heute noch gute Musik? Gute Musik nicht im Sinne des Genres, des Gitarrensolos oder der überragenden Leadsängerin, sondern gut produzierte, bearbeitete und abgemischte Musik. Wir konsumieren heutzutage Songs auf Youtube oder Spotify am Laufband und stellen uns vielmals gar nicht die Frage, was hinter der Produktion eigentlich alles steckt.

Dieses Bild zeigt mein Studio, das ich bei mir zuhause aufgebaut habe.

Seit der Digitalisierung stiegen die Möglichkeiten der Audiobearbeitung und Musikproduktion enorm. Die Audioqualität von Songs machte daher einen grossen Sprung. Es begann eine neue Ära in der Musikindustrie. Bis dahin wurden Bands immer gleichzeitig aufgenommen. Eine mühsame Angelegenheit, da jeder kleinste Fehler hörbar war. Doch dann kam die Wende: Plötzlich konnten Bandmitglieder einzeln aufgenommen und abgemischt werden. Alles konnte nach eigenem Gusto im Bearbeitungsprogramm ohne Probleme editiert werden. Es war die Geburtsstunde des modernen «Overdub».

Dank moderner Rechner ist es heutzutage möglich, mit den simpelsten Mitteln einen radiotauglichen Song zu kreieren. Alles, was man dafür braucht, ist ein Laptop. Bestenfalls reicht das Geld auch noch für ein simples Interface, ein Mikrofon, ein Midi-Keybord sowie Kopfhörer oder Lautsprecher – et voilà: Dann hat man bereits ein erstes, kleines Homestudio. Mehr braucht es gar nicht.

Dies entspricht genau den Materialien, mit denen ich die Produktion des Coversongs «Human» (Original von Rag ’n’ Bone Man) anging. Ich hatte folgendes Ziel: Teile des Songs originalgetreu reproduzieren und dann einzelne Teile neu interpretieren. Dies geschah grösstenteils in Form von Gitarrenspuren und dem Einbau eines Solos.

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«Human» – Valentin Schürch

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«Human» (Original) – Rag ’n’ Bone Man

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Weitere Infos zur Produktion findest du in der Kritik weiter unten. Den Song gibt es auch auf Soundcloud zu geniessen:

(fms)

Kritik
von Valentin Schürch

Motivation

Die Idee ein Song von A bis Z zu „covern“, kam bereits früh im Semester. Mich interessierte, was alles ein Song beinhaltet. Wie spielt man mit der Gewichtung einzelner Spuren? Wie harmoniert der Track? Wie kann ich einen neuen Dreh finden, zu einem Song, der bereits produziert wurde? Und zu guter Letzt, wie kann ich meinen eigenen Musikstyle reinbringen?

Dies waren Fragen, welche ich mir im Prozess der Musikwahl stellte. Ich spiele E-Gitarre, seit ich ungefähr 10 Jahre alt bin. Im Werdegang zum Hobby-Gitarrist, setzte ich meinen Fokus vor allem auf Blues und Rock. Diese Genres wollte ich sicherlich in diesem Digezz-Projekt einbeziehen. Bei der Suche nach einem passenden Song blieb ich beim britischen Blues- und Soulsänger Rory  Graham, auch bekannt als „Rag 'n’ Bone Man“, hängen. Sein neustes Album „Human“ sprengte dieses Jahr die Charts in vielen Ländern. Die Dynamik seiner Songs und die Kraft seiner Stimme faszinierte mich, somit entschied ich mich für den Haupttitel des Albums, „Human“.

Umsetzung - Babysteps

Die Hürde der Songwahl ist also überstanden. Was jetzt? Die erste Woche der Projektumsetzung verbrachte ich damit „Human“ in der Endlosschleife anzuhören. So lange, bis mir den Song so auf den Wecker geht und dass ich ihn gar nicht mehr produzieren will, dachte ich mir.

Vorerst ging es darum, die einzelnen Instrumente zu erkennen und kleinste Nuancen rauszufiltern, welche dem Song den nötigen Touch geben. Ich hatte leider kein Silbertablett mit allen wichtigen Audiospuren vom Song, deshalb musste ich auf mein Ohr vertrauen. Ich machte mir eine Liste, in dem ich alles aufschrieb, was ich alles hörte. Dies waren diverse Schlagzeug/Beat-Regionen, saubere und raue Bässe, ein Piano, Streichinstrumente und viele, unterschiedliche Vocal-Spuren mit Special-FX. Womöglich war das Original noch untermalt mit einem Art Synthesizer, dies war aber nur schwer rauszuhören.

Nun galt es zu entscheiden, was ich vom Original übernehmen will. Sprich was will ich so gut wie es geht 1-1 reproduzieren und wie will ich meinen Style reinbringen. Das leitende Instrument von „Human“ fand ich ohne Zweifel der Bass. Ich wusste, diesen musste ich so ähnlich wie möglich rekonstruieren, sonst fällt womöglich das ganze Gerüst zusammen. Weiter realisierte ich, dass gar keine Gitarre im Song hörbar ist. Dies gab mir die Chance, meine eigene, persönliche Note dazu zu geben, womöglich auch mit einem Solo nach der Bridge.

Produktion im Homestudio

Bevor ich mich auch nur wagte, den Record-Button zu drücken, verbrachte ich eine beträchtliche Zeit auf dem Alternativ-Studentenportal Youtube. Da ich die Audiosoftware Logic X Pro frisch gekauft habe (ja, ich habe sie gekauft), hatte ich noch keine Ahnung davon und musste mich von vielen Tutorials ernähren. Vor einigen Jahren habe ich ein bisschen mit Ableton Live geprobt - ich wusste deshalb trotzdem schon, wie das Konzept einer DAW funktioniert.

Am Anfang kreierte ich das Fundament des Covers, d.h. Schlagzeug, Beat, Bass. Um das ganze zu untermalen fügte ich Streichquartette hinzu. Dies alles über Midi und diversen Plug-ins. Die E-Gitarrenspuren wurden direkt übers Interface gesendet. Ein Piano, wie es im Original vorhanden ist, habe ich nicht hinzugefügt - es sollte durch eine akustische Gitarre ersetzt werden.

Audio über Mikrofon

Das Grundgerüst des Songs steht. Jetzt kommen Spuren an die Reihe, die übers Mikrofonaufgenommen werden. Die akustische Gitarre und Vocals. Schnell wurde mir bewusst, dass eine gute Aufnahme in meinem Homestudio ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ich habe Betonwände, welche den Schall stark reflektieren und oft brettert noch ein Zug durch nebenbei. Ich musste mir also etwas passenderes suchen. Glücklicherweise fand ich Unterschlupf im Bandraum meines Kollegen. Dieser war Schalldicht und deshalb optimal für die Audioaufnahme.

Schwierigkeiten

Die Schwierigkeit bei der Audioaufnahme waren die Vocals. Ich bin kein Sänger von Geburt aus und deshalb war das Singen für mich kein Zuckerschlecken. Auch die Tatsache, dass das Mikrofon gnadenlos ist und jeden kleinsten Fehler aufschnappt. Am meisten Mühe bereitete mir sicher das Mixing und Mastering. Mein Cover von „Human“ beinhaltet fast 60 unterschiedliche Spuren. Diese alle zu balancieren, richtig zu editieren und zu bearbeiten, war womöglich der Knackpunkt dieser Arbeit. Jedoch bin ich mit dem Endprodukt sehr zufrieden und schaue positiv einem Neuen entgegen.

Benutztes Material

  • Logic Pro X
  • Focusrite Scarlet 8i6 Interface
  • Midi Keyboard Axiom 49
  • T-Bone Grossmembran-Mikrofon
  • Takamine Westerngitarre
  • Ibanez Premium E-Gitarre

Dank geht an Lukas Känel, welcher mir den Bandraum zur Verfügung gestellt hat.

 

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