Mein gewohnter Weg beginnt in Neunkirch, für alle, die dieses verschlafene Städtchen nicht kennen, es liegt in Schaffhausen nicht weit von der deutschen Grenze. Während ich von Neunkirch nach Schaffhausen fahre, fällt mir der dicke Nebel auf, welcher sich auf die Felder wie eine schwere Decke verteilt. Um 6:32 sind die Leute im Zug zum Glück noch sehr schweigsam, sodass ich einnicke bevor mich der abrupte Halt in Schaffhausen weckt.
Dort geht es los. Es ist jedes Mal dasselbe: Man hat sich eben an die Sitze des Zuges gewohnt und auch die Finger sind von den winterlichen Temperaturen endlich wieder aufgetaut, da muss man in die Kälte hinaus. Man möchte das Umsteigen möglichst kurz halten. Also drückt man sich raus aus dem Zug, wusselt durch die Menschenmenge bis man wieder in den nächsten Zug einsteigt und es sich bequem machen kann.
Die Fahrt von Schaffhausen nach Zürich gefällt mir besonders, mir gefällt es wenn die Touristen ihre Nasen an den Scheiben flachdrücken wenn wir am Rheinfall vorbeifahren, mir gefallen die Schrebergärten kurz nach Neuhausen und mir gefallen die weiten Felder zwischen Neuhausen und Bülach die sich ins Unendliche ziehen.
Gerade fange ich wieder an einzunicken, als wir in den Bülacher Bahnhof einfahren und Hunderte von Menschen (so scheint es mir immer) sich in den Zug drücken. Die ganze Ruhe der verschlafenen Schaffhauser ist nun vorbei. Denn um 7:40 sind die Menschen bereits ein wenig wach. So reden die Schüler über ihre Hausaufgaben, die Senioren diskutieren über ihre Wanderrouten und irgendwo weiter hinten im Zug fängt ein Baby an zu schreien. So ist es nicht verwunderlich als ich mich fast (aber nur fast) auf das Umsteigen freue. Auch hier wieder das gleiche, schnell rettet man sich aus dem Zug. Nimmt die Rolltreppen, hastet auf das richtige Gleis bis man in den Zug einsteigt. An diesem Morgen zieht es mich nach Chur. Dieser Zug ist am frühmorgens meist leer so kann ich mir ein ruhiges Plätzchen suchen.
Die Strecke von Zürich nach Chur ist eine wunderschöne Reise vom Flachland in die Berge. Ich kann stundenlang hinaus in die Landschaft blicken und einfach nachdenken. Was ich schlussendlich auch mache, denn die Fahrt dauert 1 Stunde 15 Minuten.
Und wenn ich dann nach fast 3 Stunden um 9:22 in Chur ankomme, würde ich am liebsten sitzen bleiben und weiterfahren. Denn das Pendeln ist für mich längst keine Beförderung von einem Ort zu einem anderen. Nein, das Pendeln ist für mich jedes Mal ein Stück Leben. Ich lerne beim Pendeln alleine mit meinen Gedanken zu sein, ich lerne auch mal wütend zu sein, ich lerne meine Meinung zu sagen, ich lerne mich mit mir selbst auseinander zu setzen, ich lerne geduldig zu sein und ich lerne die Zeit relativ zu sehen. All dies würde ich ohne das Pendeln nicht erleben.