Die zierliche Jasmin trainiert täglich, um eine immer bessere Tänzerin zu werden. Nebenbei arbeitet sie in einem Café. Sie möchte nach England und Amerika – auf die grossen Bühnen. «Damit ich mich bei den Tanzakademien bewerben kann, brauche ich ein gutes Showreel», erklärt Jasmin stirnrunzelnd. Ohne allzu grosse Erwartungen treffen wir uns in den folgenden Wochen und produzieren ein Video. Beim Tanzen lässt uns die eher zurückhaltende Jasmin in ihr Inneres blicken. Ihre Gefühle verwandeln sich in Bewegung. Sehnt sie sich nach den Bühnen der Welt, werden ihre Sprünge hoffnungsvoll hoch, ihre Drehungen präzis und zielstrebig. Beim Betrachten des Filmmaterials meint die 24-jährige selbstkritisch: «Ich kann das eigentlich besser.»
Die bescheidene aber stets optimistisch denkende Jasmin bewirbt sich mit ihrem Showreel bei einer Agentur in Indien. Die Agentur sucht Tänzerinnen für Bollywood-Produktionen. Nach wenigen Wochen erhält Jasmin tatsächlich den erhofften Anruf – man will sie haben. «Ich kann es kaum glauben! Ich und Bollywood? Das hätte ich nie gedacht!» Überwältigt von der positiven Reaktion der Agentur packt Jasmin ihre Koffer und wagt sich für sechs Monate nach Indien. Eine Welt voller Glitzer, Musik und bunter Kostüme wartet auf sie.
In Bollywood angekommen
«Wir drehen manchmal 16 Stunden am Stück!» Jasmin teilt ihr neues Leben über Instagram (jazmin_ottenburg) mit uns. «Die Arbeit ist hart. Wir werden körperlich und emotional bis zum Äussersten gefordert, aber ich liebe es!» Nach einigen Wochen darf sie zusammen mit dem weltberühmten indischen Filmstar Diljit Dosnajh vor der Kamera stehen. Sie tanzt in TV-Shows, Spielfilmen und Musikvideos – sie ist endgültig in Bollywood angekommen.
Heute ist Jasmin wieder zurück in der Schweiz. Sie fühlt sich nicht als Bollywood-Star, aber sie ist dankbar für jede Erfahrung: «Es macht mir Spass, meine Freundinnen wieder zu sehen, aber im Januar will ich wieder weg.» Seit ihrer Zeit in Indien trägt sie auf der Stirn ein Glitzersteinchen, ein sogenanntes «Bindi». «Ich trage es, weil ich es schön finde und weil es mich an meine Abenteuer in diesem Land erinnert». Zurzeit arbeitet sie in einer Fabrik – etwas Geld muss her. Jasmin macht das nichts aus.
Dennoch zählt sie die Stunden bis zu ihrem neuen Abenteuer. Als nächstes soll es nach Los Angeles zu einer der renommiertesten Tanzakademien gehen: «Ich hoffe, ich kann mit diesen professionellen Tänzern mithalten». Inzwischen hat Jasmin reichlich eigenes Filmmaterial, um sich zu bewerben. Doch irgendwo in der Schweiz, in einem kleinen Studio vor dem schwarzen Vorhang, hat alles seinen Anfang genommen.
(ae)