Keiner wie der andere.

Was für eine Geschichte trägst du mit dir mit? Wieso bist du die Person, die du jetzt gerade bist? Und welchen Platz nimmst du in der Gesellschaft ein?

Wenn du eine Person zum ersten Mal triffst, hast du einen ersten Eindruck von ihr. Doch wir wissen alle: In uns drin steckt so viel mehr als wir auf den ersten Blick preisgeben wollen – oder können.

Im Projekt «Keiner wie der andere.» geben acht junge Menschen einen intimen Einblick in ihre persönliche Geschichte. Sei es das Leben als junger Vater, die Flucht aus einer aussichtslosen Zukunft oder die Konfrontation mit der eigenen Sexualität.

Hier findest du das Projekt.

Ein grosses Dankeschön geht an die porträtierten Menschen für ihr Vertrauen und ihre Mithilfe.

(lhu)

Kritik
von Lucy Schön

Idee und Inspiration
«Das Magazin» ist eine Wochenend-Beilage von Tamedia und erscheint in vier Tageszeitungen der Deutschschweiz. Schon seit der Sekundarschule lese ich das «Tagi-Magi», jeweils am Samstagmorgen mit einer grossen Tasse Tee bei mir zuhause auf dem Sofa. Die Rubrik «Ein Tag im Leben» spare ich mir dabei immer bis am Schluss auf. Darin wird über einen wichtigen Tag im Leben oder den Tagesablauf von unterschiedlichen Menschen berichtet. Sei es eine berühmte Schauspielerin, ein Bergführer der vom Blitz getroffen wurde oder ein Flüchtling aus Kamerun, der den Zaun von Melilla bezwang. Die Porträts fesseln mich. Ich bekomme durch sie einen kurzen Moment lang einen Einblick in das tiefe Innere eines Menschen.

«Ein Tag im Leben» hat mich dazu inspiriert, eigene Porträts zu kreieren. Mich fasziniert der Lebensweg von Menschen und warum sie in ihrer jetzigen Situation sind. Ich wundere mich täglich, was einen Menschen antreibt, und wieso eine Person gerade diesen Platz in der Gesellschaft sucht oder gefunden hat. Es gibt den Ausdruck: «Der erste Eindruck zählt». Dem stimme ich nicht zu. Hinter einer Person steckt unendlich viel. Ich bringe Erfahrungen im Regional-Journalismus mit, wodurch ich schon viele Porträts geschrieben habe. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass ich nie genügend Zeit hatte, um mich mit den Personen wirklich genügend auseinanderzusetzen, um ihr Gerecht zu werden. Im Journalismus-Alltag ist der Zeitstress ständig präsent. Mit meinem Projekt wollte ich mir die Zeit nehmen.

Durch das Projekt «Keiner wie der andere» habe ich acht Menschen aus meinem Umfeld und meiner Generation getroffen. Alle nehmen ihre eigenen Positionen in unserer Gesellschaft ein und haben mir aus ihrem Leben erzählt. Wenn du der Person zum ersten Mal begegnen würdest, könntest du ihre Geschichte nicht auf den ersten Blick erkennen. Durch meine Darstellung bekommt der Besucher der Website einen Einblick in ihre Gedanken. Mit Fotos und Ton untermale und verstärke ich das Gesagte. Ich will, dass junge Leute die Porträts lesen und merken: Wir sind alle komplett verschieden und leben alle anders. Aber wir haben alle Gemeinsamkeiten. Ich bin nicht alleine.

Vorbereitung
Im Vorfeld befasste ich mich mit dem Buch «Das Porträt» von Sylvia Egli von Matt, Hanspeter Gschwend, Hans-Peter von Peschke und Paul Riniker. Etwas vom Wichtigsten, das ich herausfand, war, dass sich die Gesprächspartner in einem persönlichen Umfeld befinden sollten, damit sie sich nicht negativ beeinflussen lassen. Das Interview selber macht viele Leute nervös. Diese Erfahrung hatte ich auch in den vergangenen zwei Semestern bei den Klartext-Videos für Digezz gemacht. Ich beschloss deshalb, dass die Leute den Ort für das Interview aussuchen dürfen.

In meinem persönlichen Umfeld suchte ich nach Menschen, die bereit waren, mir zu vertrauen und ihre Geschichte zu erzählen. Dafür rief ich die Personen jeweils an oder fragte sie persönlich. Das Wichtigste dabei war, die Leute nicht zu bedrängen. Ich gab ihnen Bedenkzeit. Auch war es wichtig, dass sie wussten, dass sie die Porträts vor der Veröffentlichung gegenlesen konnten.

Vor jedem Treffen überlegte ich mir, was ich sie fragen konnte. Ich fragte mich selber? Wie würde meine jetzige Situation mit einem Kind aussehen? Oder wenn ich eine Behinderung hätte? Ich wollte aber, dass ich sie nicht Frage um Frage interviewe, sondern dass ein Gespräch entsteht, indem sie sich zusätzlich entspannen können und nicht indirekt gezwungen sind, eine saubere und gut überlegte Antwort zu geben. Zufällig fand ich dazu im Buch «Das Porträt» auf Seite 63 eine interessante Aussage: «Grundlage der meisten Porträts ist das offene Gespräch. Wer ein möglichst authentisches Porträt schreiben will, muss sich mit dem Menschen auseinandersetzen, ihm begegnen, muss geschickt fragen, sehr gut zuhören, nachhaken, ausgesprochen gut beobachten, nicht nur auf knackige Quoten aus sein und auch von sich etwas preisgeben. Nicht als taktisches Kalkül, sondern im Bewusstsein, dass sonst eine echte Begegnung unmöglich ist.» Dieses Zitat fasste meine Gedanken, die ich im Vorfeld hatte, gut zusammen. Ich probierte, die Gespräche so zu führen. So schrieb ich einfach kurze Stichworte auf, die bei den Gesprächen als Stütze dienen sollten.

Gespräche
Die meisten Gespräche dauerten etwa zwei Stunden. Dazu kam jeweils noch Zeit, um die Fotos und die Geräusche in einem geeigneten Rahmen aufzunehmen. Ich besuchte fast alle Personen bei ihnen Zuhause. Dafür reiste ich mehrmals quer durch die Schweiz. Die Gespräche nahm ich mit meinem Smartphone auf. Zu Beginn probierte ich noch, mir wie im Journalismus fortlaufende Notizen zu machen. Doch ich merkte sehr schnell, dass es die Personen ablenkt und so kein natürliches Gespräch entstehen kann.

Ursprünglich wollte ich eigentlich zehn Personen interviewen, doch bei der neunten Person realisierte ich, dass ich in diesem Semester nicht mehr als acht Porträts schaffe. Ich traf zwar eine neunte Person, doch ihre Geschichte ist so breitgefächert, dass ich entschied, ihre Geschichte auf eine andere Art im kommenden Semester zu erzählen.

Schreiben
Beim Verfassen folgte ich einfach meinem Gespür und meinem Herzen. Was für mich wichtig war und was mich berührte, nahm ich ins Porträt auf. Schlussendlich sind die Geschichten und Einblicke ins Leben der zehn Menschen meine eigene Interpretation. Mit dem musste ich zuerst aber klar werden, da ich mir zu Beginn Sorgen machte, dass ich etwas präsentieren werde, das der Person nicht gerecht wird. Mit viel Sorgfalt und Respekt probierte ich das zu vermeiden.

Es war mir wichtig, dass die Sprache der Porträtierten vermittelt wird. Ich wollte, dass die Leser die porträtierte Person hören, wenn sie ihre Geschichte lesen. Da jeder Mensch eine eigene Art zu sprechen hat, konnte ich das nur erreichen, indem ich alle Interviews Wort für Wort abtippte. Einzelne Mundartausdrücke habe ich stehen lassen, da diese Wörter die Sprache der gezeigten Menschen authentifizieren.
Alle Porträts schickte ich zum Gegenlesen an die acht Personen.

Fotos
Durch meine Erfahrungen als Regional-Journalistin hatte ich schon einige Male eine Kamera in der Hand, aber ich hatte nie die Zeit, mich intensiver mit Porträt-Fotografie zu beschäftigen. Für dieses Projekt nahm ich mir Zeit, um mir im Internet und bei meinen Mitstudierenden Tipps zu holen.

Im Buch «Das Porträt» wird eine Fotostrecke von Caroline Minjolle gezeigt. Im Vorwort auf Seite 35 steht dazu: «Das Modell muss mit dem Setting einverstanden sein und sich darin bequem fühlen. Die Aufgabe ist erfüllt, wenn das Modell sich im Bild wiederfindet oder noch besser, darin eine neue Seite von sich selbst entdeckt.» Diese Aussage nahm ich mir zu Herzen. Ich fotografierte meine Gesprächspartner jeweils nach den Interviews und fragte sie zuerst, wo sie es gerne machen würden. Alle Leute brachten selber Vorschläge ein und so fühlten sie sich auch am wohlsten.

Beim Bearbeiten der Bilder realisierte ich, dass ich vor allem Probleme mit dem Licht hatte. Diese probierte ich mit Photoshop zu beheben. Da ich aber noch wenig Erfahrung mit Photoshop hatte, musste ich mich zuerst zurechtfinden und verbrachte einige Stunden damit, einzelne Funktionen anzuwenden. Es war mir aber eine gute Lehre und ich bin froh darum, denn es hat mir meine Angst vor Photoshop genommen. Beim nächsten Mal werde ich mich auch mehr auf den goldenen Schnitt achten.

Audio
Die Geräusche nahm ich vor Ort direkt nach dem Interview auf. Nur das Buchblättern und das Klicken der Kamera musste ich aus einer Library nehmen, da ich erst kurz vor der Abgabe realisierte, dass bei diesen Geräuschen zu viel Hintergrundlärm zu hören ist.

Equipment
Kamera: Canon 5d Mark III Set
Audio: Audiorecorder Zoom H6, Sennheiser Richtrohrmikrofon MKE6, XLR Kabel

Website
Die Website wollte ich simpel und übersichtlich gestalten, da ich nicht sie ins Zentrum rücken wollte, sondern die Menschen. Im Voraus sollte nicht schon zu viel über die acht Personen gesagt werden, deshalb sind auf der Startseite ganz einfach die acht Fotos, auf die dann gedrückt werden kann. So werden die Porträts mysteriöser gehalten – die Besucher wissen nicht genau, wen sie jetzt da vor sich haben, bis sie auf das jeweilige Bild drücken. Für die handgeschriebene Schrift entschied ich mich, da es aussieht wie eine Unterschrift und auch an die Handschrift meiner Notizen erinnert.

Obwohl ich eine Wordpress-Seite kreierte, war es aufwändiger als gedacht. Vor allem das Anpassen des Templates auf meine eigenen Bedürfnisse. Es dauerte eine Weile, bis ich mich damit zurechtfand. Das nächste Mal würde ich die Website selber programmieren.

Fazit
Lange dachte ich, für ein gutes Interview sind die Hauptpunkte eine gründliche Vorbereitung und dass du auf alles gefasst bist. Doch für meine Porträts war das Zuhören einer der wichtigsten Punkte. Die meisten Personen waren vor den Gesprächen sehr nervös und sagten mir das dann auch. Als ich ihnen sagte, dass ich einfach nur zuhören werde, waren sie überrascht, doch es half. Indem wir einfach miteinander sprachen, statt Frage für Frage durchzugehen, bekam ich einen ehrlichen Eindruck in das Leben von acht Menschen.

Zu Beginn von «Keiner wie der andere.» war ich mir nicht bewusst, wie viel Zeit das Verfassen der Porträts beanspruchen wird. Aber das Endprodukt ist so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe und ich habe viele Stunden dafür investiert. Mehr als das hätte ich gar nicht machen können, dies musste ich mir kurz vor der Abgabe selber eingestehen. Ich habe mein Bestes gegeben.

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