Kochlüge – Wenn der Schein trügt

Wir alle kennen sie, die gängigen Kochvideos auf YouTube und anderen Plattformen. Menschen filmen sich beim Kochen und stellen das Ergebnis anschliessend online. Anstatt in die gleiche Kerbe zu schlagen, entschloss ich mich das Konzept zu verändern.

In meinem Kochvideo der anderen Art kochen wir ein 4-Gang Menu. Die Krux dabei: die Basis sämtlicher Gerichte besteht aus Fertigprodukten. Diese werden mit wenigen frischen Zutaten so aufgepeppt, dass den Gästen die Fertigprodukte verborgen bleiben.

So zumindest der Plan. Ob die Aktion von Erfolg gekrönt wurde, erfahrt ihr in meinem Video.

(spu)

Kritik
von Olivier Chanson

Zusammenfassung:

Ursprünglich war dieses Projekt "nur" als kleines Nebenprojekt gedacht. Ich musste aber rasch feststellen, dass es nicht schnell ging. Alleine die Ausarbeitung der Idee hat schon mehrere Stunden verschlungen. Das Drehen nahm fast 10h in Anspruch und anschliessend waren wir dementsprechend erschöpft.

Die Nachbearbeitung (Schnitt & Vertonung & wenig Colorgrading) war komplizierter, als ich es mir vorgestellt hatte (oder ich zu perfektionistisch). Schnell sass ich drei & vier Tage am Schnitt, die Zeit flog nur so dahin. Auch hätte ich nie gedacht, dass das Sichten und Ordnen des Materials mehrere Stunden in Beschlag nehmen würde.

Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass sich mein Beitrag zu einem grösseren Projekt entwickelt hat. Ich konnte viele Learnings daraus ziehen. So konnte ich den Workflow in Premiere Pro verbessern. Auch sammelte ich wertvolle Praxis beim Filmen und der Organisation eines Drehs. Das wichtigste Learning war aber: Improvisieren ist alles!

Fazit:

Alles zusammengefasst war die Aktion ein voller Erfolg. Die meisten Zutaten konnten erfolgreich verschleiert werden. Interessanterweise schmeckte man die Fertigwaren auch nicht heraus. Ich denke dies lag aber auch am Anrichten, da wir Fertigwaren nicht mit einer schönen Anrichte in Verbindung bringen.

Detail:

Die Idee:

Die Odyssee begann Mitte Mai, als meine Freundin zufälligerweise alte Galileobeiträge anschaute, wo es ums Kochen ging. Doch es waren nicht 0815 Gerichte, sondern sie alle hatten eines gemeinsam: Fertigprodukte als Basis. Diese Gerichte wurden jeweils von einem Profikoch "gekocht" und anschliessend wie im 5-Sternlokal angerichtet um die geladenen Gäste zu täuschen. Dies gelang auch jeweils. Schien so als würde der Spruch "das Auge isst mit" voll und ganz ins Schwarze treffen.

Begeistert vom Konzept wollten wir dies nachstellen. Als Opfer wählte ich meine Familie. Nun ging es ans Vorbereiten. Die Gerichte & Rezepte für vier Gänge mussten gesucht und für unsere Bedürfnisse angepasst werden. Auch mussten wir uns über die Umsetzung im Klaren werden. Logischerweise konnten wir nicht auf ein Equipment einer Galileoredaktion zurückgreifen, also musste mein eigenes Material genügen.

Equipment:

Gefilmt sollte also mit einer Sony FDR-AX33 und einer Canon EOS 650D werden. Der Offtext würde mit einem Rhode-Mikrofon aufgenommen werden.

Nun wurde ein eine erste Rohfassung des Offtextes aufgesetzt um einen roten Faden fürs Drehen zu haben. Auch überlegte ich mir mit welchen Perspektiven ich filmen wollte.

Einkaufen & Hürden

Anschliessend gings ans Einkaufen. Ich habe wohl noch nie in meinem Leben so viele Fertigprodukte an einem Tag gekauft, eine Erfahrung, auf die ich in Zukunft gerne verzichten würde. Nun stand das nächste Problem an. Die Lebensmittel mussten unter den wachsamen Augen meiner Familie unbemerkt nach Hause geschafft und versteckt werden. Kurzerhand verbot ich der gesamten Familie sich der Küche für den Rest des Tages zu nähern.

Menu:

Wird im Film detaillierter erklärt, hier nur die Auflistung der Gänge:

  • Gerollte Fertigpizza, frisch belegt
  • Tomatensuppe mit Kartoffelbrot
  • Gemüseküchlein, Cordonbleuestreifen in Schinken eingewickelt an einer Pilzsauce
  • Schokoladenbrötchen mit Erdbeeren & Puderzucker

Der Drehtag:

Jetzt gings ans Drehen, eine schweisstreibende Angelegenheit. Anders als bei normalen Filmen konnten wir die Szenen nicht mehrmals drehen, da wir tatsächlich kochten und nur einen Versuch übrighatten. Dies wurde auch fast zum Verhängnis, da die Canon inmitten des Drehs zuerst eine volle Speicherkarte und anschliessend einen Totalausfall hatte. Die Canon hatten wir als Fixkamera eingeplant, welche die ganze Szenerie im Blick haben sollte. Der Ausstieg war also ein herber Verlust.

Als weitere Schwierigkeit stellte sich das Filmen in verschiedenen Perspektiven dar. Neben dem Assistieren beim Kochen sprang ich die ganze Zeit wild hin und her um den perfekten Blickwinkel zu bekommen und war ständig unter Zeitdruck. Dies verstärkte sich noch, als die ersten Gänge serviert waren und die Familie hungrig auf Nachschub wartete. Ich kann mir nun im Ansatz vorstellen, wie sich das Arbeiten in einer Grossküche anfühlen könnte.

Zusätzlich zum Kochen & Filmen kam nun auch noch das Servieren der Gänge dazu. Auch musste die Familie beim Essen gefilmt werden, um dringend benötigtes Filmmaterial zu erhalten. Kein Wunder bemängelte die Familie anschliessend meine Qualitäten als Kellner.

Rückmeldungen:

Die Kritik der Familie war positiver, als ich es erwartet hatte. Es wurden zwar einige Dinge kritisiert, doch dies drehte sich meist um den Service und konnte für das Experiment vernachlässigt werden. Bei den Gerichten wurde das "selbst gemachte" Kartoffelbrot als zu "lampig" kritisiert. Beim Hauptgang viel meinem Bruder sofort ein Fertigprodukt auf: Das Fertigcordonbleue.

Doch viele andere Fertigzutaten blieben zu meiner Freude unbemerkt. Die Suppe wurde sogar von meinem Vater als selbstgemacht taxiert und auch meiner Mutter, die Fertigtomatensuppen nicht ausstehen kann, schmeckte die Suppe. Beim Hauptgang verlangte die Familie sogar einen Nachschlag. Die Kritik des Desserts viel anders aus als gedacht. Da die Brötchen stärker im Ofen aufgingen als erwartet, waren die Portionen dementsprechend grösser. Dies war zu viel für die Familie, welche einstimmig verkündete sie seien zu gross.

Auflösung:

Nachdem alle aufgegessen hatten folgte die Auflösung. Meine Freundin legte die Verpackungen der Fertigprodukte auf den Tisch und konfrontierte die Familie mit dem Inhalt. Sie waren erstaunt. Mein Bruder & seine Freundin hatten zwar das Fertigcordonbleue erkannt, doch das Ausmass der Fertigprodukte war ihnen verborgen geblieben. Auch die restliche Familie hatte nicht mit dem gerechnet und war baff.

Nachbearbeitung:

Am nächsten Tag begann bereits die Nachbearbeitung. Zuerst musste ich das Material sichten und ordnen. Dies getan suchte ich passende Hintergrundmusik ohne Copyrightansprüche. Anschliessend musste der Offtext passend aufs gefilmte Material umgeschrieben und vertont werden. Nun folgte das Schneiden & Zusammenfügen.

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