Lebensader – Eine Stadt, Ein Fluss, Ein Aaresurfer

Die letzten Wassertropfen laufen den tätowierten Körper hinab und auf der nassen Haut leuchten die Tätowierungen wie ein Blumenmeer. Den Oberkörper entblösst, hängen die leeren Ärmel des Neoprenanzugs links und rechts herab. Als hätte der Typ vier Arme. Kraftvoll zieht Manuel Gerster Meter für Meter ein weisses Seil über das Brückengeländer aus dem Wasser. Für heute ist Schluss.

Die Stadt schläft noch, als Manuel Gerster das Bungeeseil an der Brücke befestigt. Ein Blick auf das Wasser und das Seil fällt hinterher. Es ist noch früh im Jahr und der Fluss hat noch nicht den vollen Zug. Den aber braucht Manuel, um das Bungeeseil zu spannen. Mit der Spannung des Seils – der Kraft, die ihn flussaufwärts zieht – kann er seine Geschichten schreiben.

Wie ein Balletttänzer dreht er sich dabei um die eigene Achse oder hebt manchmal sogar für einen kurzen Augenblick ab wie ein Vogel. Seil spannen und für 20 Sekunden frei sein. Immer und immer wieder. Bis zur Erschöpfung oder bis die Nacht hereinbricht. Was eben zuerst geschieht.

Hinter jedem Menschen versteckt sich eine unbekannte Geschichte. Irgendwo, zwischen den anderen Menschen und der Stadt mit ihren Mauern und Dächern, werden sie gerade geschrieben. Eine dieser Geschichten erzählen wir mit dieser Dokumentation über Manuel Gerster. Sie handelt von einem Fluss, seiner Leidenschaft und seiner Heimat.

Das Projekt
Aus den Dreharbeiten ist nicht nur ein Film entstanden, sondern auch eine Webseite mit weiteren Informationen zu Manuel und seiner Leidenschaft. Da wir auch in technischer Hinsicht Neuland betreten haben, ist auf der Webseite auch ein Kamera-Review über die Sony FS5 zu finden.

Die Webseite zum Projekt mit der Reportage, dem Kamera-Review und einem Making-Of ist hier zu finden.

(le)

Kritik
von Björn Buck, Fabien-André Pannatier, Federico Zanini und Manuel Berger

FAZIT

“Lasst uns die Kamera testen.” Die Sony FS5 war erst ein paar Tage in der Ausleihe in Bern angekommen, da stand dieser Entschluss fest. Schnell war uns aber auch klar, dass wir als Kameratest nicht irgendwelche Studioaufnahmen oder unzusammenhängende Aufnahmen drehen wollten, sondern an einem realen Filmset, an verschiedenen Drehorten und in verschiedenen Drehsituationen mit der Kamera arbeiten und sie testen wollen.

Nur welche Geschichte verfilmen? Hier zeigte sich einmal mehr, dass es sich immer lohnt mit offenen Augen durch die Welt zu gehen: Die Geschichten sind oftmals so nah. Ein paar Monate vor Projektstart fragte sich (unser) Manuel noch, als er unseren Protagonisten mit einem Surfbrett und einem Bungeeseil am Aareufer sah, was der da eigentlich genau macht. Wochen später drehten wir einen Film über den Berner Aaresurfer Manuel Gerster.

PREPRODUCTION

Von Anfang an war es uns wichtig, dass wir uns wirklich Zeit für das Projekt nehmen und die Dinge so angingen, wie es uns für richtig erschien. So waren wir nach der Besichtigung der Surfspots alleine für das Storyboard zu viert zwei Tage in Bern mit zwei Kameras und den Rucksäcken voller Objektive unterwegs - auf der Suche nach dem perfekten Bild. Eine besondere Herausforderung waren die Drehorte: Einmal kamen wir aufgrund von Bebauungen nicht nah genug an den Surfer heran, ein ander Mal war es schlichtweg zu gefährlich vor dem Bungeeseil zu filmen. Und dann war da noch das Wasser.

Doch die Arbeit hat sich gelohnt: Dank den Aufnahmen konnten wir eine Shotlist mit den exakten Bildausschnitten und den dazugehörigen Angaben wie Objektiv, Brennweite und Blende erstellen und an den Drehtagen “abarbeiten”. Das hört sich etwas unromantisch an, aber es war ein Segen: Es gab keine Diskussionen daüber “wie genau jetzt” und “mit welchem Objektiv nochmal” etc. sondern es wurde schlichtweg effizient und zielorientiert gearbeitet. Dieses Vorgehen können wir allen, die bisher nicht so arbeiten, ans Herz legen.

PRODUCTION

Damit wir a) alle die Kamera testen und den Umgang damit erlernen und b) möglichst viel voneinander profitieren konnten, legten wir keine Rollenverteilung fest sondern nur die zu besetzenden Rollen während den Drehtagen und wechselten diese regelmässig. Dadurch war klar geregelt, was zu tun ist, wer jeweils für welche Aufgaben zuständig ist, wer welche Pflichten hat und wer schlussendlich die Entscheidung trifft - bis zum nächsten Wechsel eben. Eine Art Rotationsprinzip. Vorweg gesagt: Dies funktioniert natürlich nur bei einem gleichen Qualitätsbewusstsein, gleichem oder ähnlichem Können und bei gleichem Engagement. Ansonsten führt das über Kurz oder Lang zu Unzufriedenheit. Bei uns hat das sehr gut geklappt. So gut, dass wir gleich auch noch andere Projekte im 4. Semester zusammen gemacht haben.

Neben den klassischen Rollen wie Regie, Kamera, Ton, Licht und Assistent war uns eine Rolle mindestens so wichtig: Die dokumentarische Begleitung in Form eines Fotografen. Leider war es in der Vergangenheit oft so, dass man daran nicht gedacht hatte: Am Ende fehlten dadurch immer Fotos für beispielsweise eine Webseite, ein Making-Of oder schlichtweg für die eigene Erinnerung. Darum wollten wir diesmal unbedingt genügend Fotos von den Sets und Drehs, wie auch Portraits des Protagonisten, machen. Also musste diese weitere Rolle her. Und diesmal haben wir zusammen mit den Fotos vom Location-Shooting bzw. der Shotlist genügend Fotos zur Verfügung.

Da wir mit dieser Rollenverteilung mehr Aufgaben als Personen am Set hatten, mussten wir teilweise zwei Rollen pro Person übernehmen. Dabei haben wir jedoch darauf geachtet, dass sich diese gut kombinieren liessen.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Für einen erfolgreichen Dreh ist es wichtig, das Material - vor allem die Technik - im Griff zu haben. Da wir mit einer für uns neuen Kamera und dem neuen Gimbal aus der Ausleihe in Bern arbeiten wollten, haben wir vor den Drehtagen mehrmals damit geübt. So machte uns an den Drehtagen fehlende Technik-Kenntnisse keinen Strich durch die Rechnung sondern wir konnten damit wirklich arbeiten und wussten, was wir für die jeweilige Situation einzustellen oder wie wir beispielsweise auf kleinere Macken des Gimbals zu reagieren hatten. Bei den Testdrehs haben wir auch bemerkt, dass das Arbeiten mit dem Gimbal immer mindestens einen Assistenzen benötigt - sei es zum Abnehmen des Gimbals nach den Takes, zum Einstellen der Kamera oder zum Führen des Kameramanns bei Rückwärtsbewegungen.

An einem Drehtag hatten wir noch einen Drohnenpiloten vor Ort. Auch hier war unsere Vorbereitung Gold wert: Schnell konnte dem Piloten vermittelt werden, welche Flugbahnen und Bilder wir drehen möchten und benötigten daher nicht unzählige Versuche, Anpassungen und  Wiederholungen - ein wichtiger Aspekt wenn man drei Akkus für drei 15-minütige Flüge zur Verfügung hat und anschliessend die Drohne am Boden bleibt.

Eine grosse Herausforderung an den Drehtagen war die Geschwindigkeit der Sportart und die Unberechenbarkeit. Beim Surfen wurde der Surfer bis zu 60 km/h schnell und zischte an uns vorbei. Dank der End-Trigger-Funktion der Kamera verpassten wir zwar nie komplett ein Take, allerdings brauchte es immer mehrere Anläufe bis der Surfer optimal im Bild war - auch da man nie zu 100 Prozent hervorsagen konnte, wo der Surfer genau entlang kommen würde. Teilweise mussten wir einfach nach Gefühl mitschwenken, da die Interaktion zwischen Kamera, Display und Positionserfassung schlichtweg zu langsam war.

Nicht unterschätzen darf man das Buffering der Kamera: Man konnte nicht einfach weiterdrehen oder gleich noch einmal ein Take machen, sondern musste immer erst warten, bis das Buffering abgeschlossen war. Darum war es auch wichtig, dass wir immer mit dem Surfer kommunizieren konnten, auch wenn dieser im Wasser war und wir auf der Brücke. Um Wiederholung, Position, Start und “Halten” auch über die Distanz dem Surfer mitteilen zu können, einigten wir uns auf entsprechende Handzeichen.

Eine wichtiger Aufgabe während der Produktion war die Datensicherung. Da wir vom Wetter und Wasserstand abhängig waren, hätten wir nicht einfach etwas nachdrehen können. Da wir am und im Wasser gedreht haben, war es uns auch zu gefährlich die Daten einfach für den nächsten Tag auf der Kamera zu lassen. Darum sicherten wir jeden Abend nach dem Dreh die Daten auf mehreren unabhängigen Geräten.

POSTPRODUCTION

Nur die Daten zu haben - daraus wird natürlich noch kein Film. Daher mussten wir die unzähligen Zeitlupenaufnahmen sichten und sortieren. Die mühsame und langwierige Arbeit, die Takes zu bewerten und in einer Ordnerstruktur abzulegen lohnte sich jedoch: Dadurch waren wir im Schnitt in der Lage, schnell die richtigen Takes zu finden, die wir für die jeweilige Stelle im Film vorgesehen hatten.

Einen Hauptteil der Postproduktion fand nämlich auf dem Papier statt. Bevor wir wirklich mit Premiere Pro anfingen zu arbeiten, haben wir das Interview mit unserem Protagonisten, das wir im Produktionsraum aufgenommen haben, in einzelne Sinneinheiten zerlegt und Kapiteln wie beispielsweise “Kindheit” zugeordnet. Anschliessend haben wir die dazu passenden Sequenzen bestimmt und erst dann ging es wirklich an den Schnitt. Dieser Zwischenschritt war nötig, da wir keinem Drehbuch folgen konnten und unser Film an sich auch keine Handlung besitzt - wir jedoch auch ein zumindest groben Handlungsbogen in den Film integrieren wollten.

FAZIT

Das Projekt hatte viele spannende und lehrreiche Momente: Das erste Mal filmen mit einer Filmkamera, die ersten Versuche mit einem Gimbal, ein sich schnell bewegendes Motiv und Herausforderungen wie ein Dreh aus einem Schlauchbot oder der Transfer per Schlauchboot zum Drehort und das Abseilen des Equipments an einer 20 Meter hohen Mauer. Hinzu kam die Entscheidung, komplett in S-Log zu filmen, was uns wegen dem “Rauschen” anfänglich zur Verzweiflung getrieben hat. In der Postproduktion haben wir gemerkt, dass wird diesmal zu wenig an das Storytelling gedacht haben - und wir mussten uns selbst daran erinnern, dass wir eigentlich die Kamera testen wollten. Dass war unser Ausgangspunkt, und dass haben wir gemacht. Mit den Erfahrungen, dem neuen Know-How und dem eigenem Anspruch würden wir die meisten Dinge daher bei einem nächsten Projekt wieder gleich machen, vor allem das Location-Scouting und das Erstellen des Storyboard bzw. der Shotlist mit den Fotos. Beim nächsten Projekt würden wir jedoch nicht mehr nur die Kamera testen, sondern einsetzen um die nächste Geschichte zu erzählen.

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