Männer sprechen Klartext

Brauchst du ein Sixpack, um dich schön zu fühlen? Fühlst du dich wegen Pornos wie ein Loser im Bett? Wann hast du das letzte Mal geweint?

Wir brechen weitere Tabus: Nachdem wir im vergangenen Semester fünfzehn Frauen interviewt haben, kommt nun das männliche Pendant zu «Frauen sprechen Klartext»: Fünfzehn Männer erzählen in drei Videos von ihren Erfahrungen, Ängsten und Wünschen zu den Themen Sexualität, Fitness und Emotionen.

Entstanden sind drei neue Videos, die du dir auf unserer Website anschauen kannst: Klartext.

Ein grosses Dankeschön geht an die 15 Männer. Danke für eure Offenheit und das Vertrauen in uns.

(lhu)

Kritik
von Lucy Schön, Sariana Berchtold und Eric Zankl

Idee
Im vergangenen Semester haben wir, Sariana und Lucy, fünfzehn Frauen zu den Themen Körperhaare, Schönheit und Verhütung befragt und dazu drei Videos unter dem Titel «Frauen sprechen Klartext» auf Digezz veröffentlicht. Wir wollten Tabuthemen ansprechen, den Druck der Gesellschaft hinterfragen und zum Nachdenken anregen: Welchen Druck legt uns die Gesellschaft in der Schweiz auf? Wieso folgen wir Idealen? Wieso sind gewisse Themen Tabu? Welchen Einfluss hat das auf unseren Alltag? Welche Folgen hat das für unsere Psyche? Da das Projekt viele positive Rückmeldungen erhielt, wollten wir das Gleiche wie im vergangenen Semester noch einmal machen – dieses Mal aber mit Männern. Wir fanden aber, wenn wir uns nun diesem Thema zuwenden, dass wir noch einen Mann mit dabeihaben sollten, der persönlich weiss, welche Themen für Männer Tabu sind und was sie beschäftigt. So wurde Eric, der mit uns in der Klasse ist, Mitglied unseres Projekt-Teams.
Ziel war es auch, unsere Website zu erweitern und passend zu gestalten, sowie ein kurzes Video zu kreieren, in der wir, die Produzenten hinter Klartext, uns kurz vorstellen und den Grund hinter dem Projekt erläutern.

Planung
Zu dritt sind wir zusammengesessen und haben uns gefragt: Welche Themen beschäftigen Männer in unserem Alter? Im Vorfeld haben wir auch bei unseren Freunden und Vätern nachgefragt: Über welche Themen wollen sie nicht sprechen? Wieso? Mit welchen Themen haben sie im täglichen Leben Mühe? Wo fühlen sie einen Druck der Gesellschaft? Was fällt uns Frauen auf, wie wir uns von Männern und diesen Themen unterscheiden? Wir entschieden uns schon von Beginn weg, dass wir nicht die gleichen drei Themen wie bei den Frauen nehmen werden, da Männer andere Themen mehr beschäftigen. Männer gelten in der Öffentlichkeit häufig als «hart» und «unnahbar». Diesem Vorurteil wollten wir auf den Zahn fühlen. Wie steht es mit männlichen Emotionen? Was hat es mit dem aktuellen Fitnesswahn auf sich? Sind Männer gezwungen, trainiert und gestählt auszusehen? Fühlen sich Männer in Bezug auf Sexualität gegenüber Frauen unter Druck gesetzt? Diese und viele weitere Fragen erschienen uns als passend für das Projekt und wir entschieden uns, drei Videos mit je fünf Männern zu den Themen Sexualität, Emotionen und Fitness zu kreieren.

Wir beschlossen, Männer aus unserem Umfeld zu befragen, die wir persönlich kennen. Im vergangenen Semester funktionierte das auch schon sehr gut, weil das Vertrauen schon da war. Die Namen der Personen veröffentlichen wir nicht, da sich dies einige Männer gewünscht haben. Auch schickten wir die Fragen wieder im Vorfeld an die jeweiligen Personen, damit sie sich vorbereiten konnten und sich Gedanken zu ihren Antworten machen konnten. Für die Interviews reservierten wir das TV-Studio im Produktionsraum vom SRF in Bern, da wir finden, dass die Umgebung ein angemessener Rahmen für die portraitierten Personen ist.

Umsetzung
Gefilmt haben wir an fünf ganzen Tagen. Wir versuchten, die Interviewtermine zwischen den Teilnehmern bestmöglich zu koordinieren, sodass wir jeweils gleich mehrere Interviews am Stück durchführen konnten. Wir nutzten erneut eine schwarze Leinwand mit einem Stuhl davor, ausgestattet mit einem eleganten schwarzen Fell. Wir leuchteten die Personen gut aus, damit sie im Fokus stehen und ihre Emotionen herausstechen, ohne Ablenkung durch den Raum. Die Gespräche führten wir auf Mundart, damit die Antworten so authentisch wie möglich sind. Vor den Interviews sprachen wir mit den Männern über alltägliche Themen, welche die Stimmung auflockerten und den Männern die Angst und Nervosität nehmen sollten.

Zu Beginn wechselten wir uns mit dem Interviewen, dem Ton und der Kamera ab, damit wir alle voneinander lernen konnten und coachten uns gegenseitig. Sariana brachte viel Film-Erfahrung mit, Eric kannte sich gut mit dem Ton aus und Lucy punktete mit grosser Empathie bei den Interviews. Schnell merkten wir somit, dass es am besten kommt, wenn Lucy die Interview-Führung übernimmt, da die Gespräche mit den Männern viel intensiver waren, als mit den Frauen. Bei etwa der Hälfte der Männer dauerte es länger, bis sie sich im Gespräch öffneten. Oft brauchte es mehrere Anläufe, bis sie ganze Antworten gaben und nicht den Fragen auswichen. Viele der Männer hatten noch nie so ausführlich über diese Themen gesprochen. Dazu kam noch die Hemmung durch die Anwesenheit der Kamera, weshalb die meisten von ihnen zu Beginn noch passende Antworten suchten. So dauerten die Interviews länger als bei den Frauen im letzten Semester und wir wurden manchmal auf die Probe gestellt, bis wir Antworten erhielten, die wir für die Videos wirklich brauchen konnten. Doch da wir uns auch bei den Interviews unterstützten und Fragen gegenseitig ergänzten, klappte es. Wir konnten im TV-Studio eine intime Atmosphäre aufbauen und wurden alle positiv überrascht, wie viel Vertrauen uns die Männer schenkten.

Wir nutzten wieder zwei Kameras. Eine für die Totale, welche die Person von vorne rechts und eine für ein nahes Bild von links, um die Gesichtsemotionen besser einzufangen. Zur Audioaufnahme haben wir den Personen jeweils ein Lavalier-Mikrofon angesteckt, und über den Zoom-Rekorder aufgenommen und gepegelt. Auch nutzten wir ein Rode-Mikrofon auf der Kamera darauf als Backup.

Am Schluss jedes Interviews filmten wir noch passende Detailaufnahmen zu den Themen, etwa Arme bei Fitness oder Augen bei Emotionen, die wir beim Intro der Filme einblenden.

Wir konnten Gelerntes der Fächer «Filmisches Gestalten», «Audio- und Kameratechnik», «Konvergent Arbeiten» und «Journalistisches Schreiben» (Interview-Führung) umsetzen. Da wir vom Frauen-Klartext-Projekt im vergangenen Semester viel Erfahrung mitnehmen konnten, verlief der Ablauf der Interviews sehr gut, weil wir genau wussten, was wir wollten. Eric brachte neue Ideen in das Projekt rein. So stellten wir zum Beispiel den Männern für den Wohlfühl-Faktor nicht Tee und Schokolade zur Verfügung, sondern Bier und Chips, was sehr gut ankam.

Nachdem wir alle Interviews aufgenommen hatten, realisierten wir, dass uns ein Missgeschick passiert war: Der Lavalier-Ton von drei Interviews wurde beim Speichern auf unsere Festplatten nicht richtig übernommen und wir konnten die Dateien weder öffnen noch gebrauchen. Wir mussten deshalb den Ton des Rode-Mikrofons nutzen, welches wir als Backup verwendet hatten. Wir versuchten, die drei Tonspuren im Adobe Audition zu bearbeiten und schickten es auch an Felix Bussmann vom Modul «Audiotechnik», doch auch er konnte die Audiospur nicht so bearbeiten, dass sie so wie die des Lavaliers tönt. Die beiden Toncharakteristiken liessen sich jedoch kaum angleichen, sodass wir in der Post Production einen Kompromiss eingehen mussten. Wir hatten leider auch keine Zeit mehr, die Interviews mit den Protagonisten noch einmal aufzunehmen.

Equipment
Kameras: Canon 70D Set
Audio: Audiorecorder Zoom H6, Funkset Lavalier Rode Link, Mikrofon Rode VideoMic
Licht: Vom TV-Studio, Diffusor Folie
Stativ: Videostativ Sachtler System Ace L MS

Post-Production
Von Beginn weg teilten wir die drei Themenbereiche auf, sodass Klarheit darüber herrschte, wer welchen Schnitt übernahm. Sariana schnitt Sexualität, Eric Fitness und Lucy Emotionen. Wir schnitten selbstständig am jeweiligen Projekt, wobei wir uns jedoch stetig wieder Feedback voneinander abholten, das empfanden wir als sehr wichtig. Eine differenzierte Betrachtungsweise auf die eigene Arbeit ist sehr wertvoll und hindert einem daran, sich in etwas zu verrennen. Da wir persönlich das gesamte Material kannten, liessen wir zum Teil wertvolle Aussagen weg, welche der unvoreingenommene Betrachter benötigt hätte, um die Thematik zu verstehen.

Den Rest der Post Production teilten wir ebenfalls auf. Sariana machte die Feinschnitte, Eric übernahm die Tonoptimierung und Lucy kümmerte sich um den schriftlichen Teil, von den Texten auf der Website bis hin zu den Untertiteln der Videos. So konnten wir uns alle auf einen Bereich konzentrieren aber wir schauten auch, dass wir uns regelmässig trafen und uns untereinander austauschten, Tipps gaben und das Einverständnis von allen hatten.

Bei den Feinschnitten fiel uns wie bereits im letzten Jahr auf, dass die Befragten den Bildausschnitt zum Teil unterschiedlich füllten und an unterschiedlichen Orten sassen. Dies konnten Sariana jedoch durch die Post Production anpassen, indem sie das Bild skaliert hat und alle Bildausschnitte an einer Person anpasste, damit bei den Schnitten von einer auf die nächste Person der Bildausschnitt übereinstimmt. Im Nachhinein ist uns aufgefallen, dass der Bildausschnitt einer Person im Fitness-Film nicht ideal ist, und ihr Kopf angeschnitten wird. Da wir alle Positionen mehrmals checkten, denken wir, dass die Person während des Interviews ihre Position gewechselt hat.

Die Tonoptimierung der Audioaufnahmen des Funksets verlief reibungslos. Die Interviewaufnahmen des Funksets waren jeweils gut gepegelt und die Audioaufnahmen verfügten über eine gute Ausgangslage. Mittels Geräuschmustererkennung wurden Rauschen und Störgeräusche entfernt. Danach wurde in mehreren Schritten der Normalisierung der Pegel vereinheitlicht. Durch verschiedene EQ-Einstellungen wurde den Stimmen ein kräftigerer und deutlicherer Charakter verleiht. Hier und da wurde noch ein Limiter verwendet, der zu starke Ausschwenkungen der Audio-Datei reduzieren sollte.

Die Behandlung der Aufnahmen des Videomics waren klar schwieriger. Da sich die Toncharakteristik stark von der des Funksets unterscheidet, mussten wir uns früh von der Vorstellung verabschieden, die beiden Kanäle einheitlich gestalten zu können. Der Workflow der Daten des Funksets war jedoch auch hier derselbe, lediglich ein paar kleine Schritte wurden mehrfach oder zusätzlich angewandt.

Die Untertitel brauchten viel Zeit, weil bei einem Update von Adobe Premier die Untertitel von zwei Videos, die Lucy bereits geschrieben und eingefügt hatte, nicht übernommen wurden. Wir versuchten, sie zu finden, doch erfolglos. So musste diese Arbeit noch einmal gemacht werden.

Die Intros der drei Videos wollten wir ein bisschen anders gestalten als bei den Frauen, damit es sich nicht zu fest wiederholt, die Zuschauer nicht langweilt und sich von den Frauen abhebt. Wir entschieden uns, ein neues Lied zu nehmen, das aber auch von unserer Klassenkameradin Juliette Niedermaier stammt, die in ihrer Freizeit Musik macht.

Website
Wir entschieden uns, eine neue Website zu gestalten, auf der wir die Videos der Frauen vom letzten Semester und die neuen Videos kombinieren konnten. Wir fanden es wichtig, dass der Besucher beide Projekte am gleichen Ort finden kann, da sie ja zusammengehören. Schnell waren wir uns einig, wie sie aussehen soll, doch das Programmieren unserer Idee bereitete uns einige Schwierigkeiten, weil wir alle drei nicht viel Erfahrung mit Websites haben. Nach viel Arbeit, Stress und Durcheinander baten wir unsere Klassenkameradin und Tutorin des Interaktive Medien Unterrichts, Seline Freiburghaus, um Hilfe. Sie hatte uns schon im vergangenen Semester mit der Klartext-Website unterstützt. Mithilfe ihrer Inputs schafften wir es dann, dass die Website funktioniert.

Beim Header entschieden wir uns für zwei schlichte, selbstgezeichnete Skizzen, wie beim Frauen-Projekt. Doch nun passten wir es an und zeichneten auch einen Mann. Wir wollten keine Animation mehr, da diese uns im vergangenen Semester viel Mühe beim Programmieren bereitete und wir eine neue Idee hatten: Zwei Skizzen und zwei Farben für Frauen und Männer – Gold und Blau. Das wirkt edel und gibt dem Thema einen schönen Rahmen.

Fazit
«Männer sprechen Klartext» gab uns die Möglichkeit, technisches Know-how mit menschlichen Emotionen und Erfahrungen zu verbinden. Wir erlebten grosses Vertrauen und ganz besondere Aussagen in einem sehr intimen Umfeld. Nebst den technischen Learnings sind es vor allem die einzelnen Eindrücke und Aussagen der Männer, welche uns nicht mehr aus dem Kopf gehen werden.

Wir haben gelernt, dass wir von jetzt an immer doppelt nachschauen werden, ob Video- und Audiodateien auch wirklich auf unsere Geräte gespeichert worden sind, damit wir nie wieder mit einem solchen Verlust arbeiten müssen.

Sariana und Lucy sind froh, Eric als Teil des Teams mit an Bord zu haben. Das Projekt war anders, als im letzten Semester. Wir wussten zwar genau, was wir wollten, doch die Interviews waren ganz anders als die mit den Frauen und verlangten andere Stärken. Wir haben einen Einblick in die Ängste, Sorgen und Erfahrungen von fünfzehn Männer erhalten und gemerkt, dass es noch viel Arbeit in diesem Bereich gibt – noch viele Themen sind tabu und wir sprechen sehr wenig darüber.

Wir haben auch gemerkt, dass wir ein super Team sind, welches sich während jeder Phase Projekts sowohl technisch als auch menschlich unterstützen konnte. Wir sind stolz auf «Männer sprechen Klartext» und hoffen, dass wir mit unserer Arbeit Menschen in diesen Bereichen unterstützen können und nun vielleicht ein bisschen öfters über diese Themen gesprochen wird – denn wir sollten klar öfters miteinander Klartext sprechen.

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