Medienhype um den Kettensägen-Angriff von Schaffhausen

Am 24. Juli 2017 hat ein 51-jähriger Mann mit einer Kettensäge eine CSS-Filiale in der Schaffhauser Altstadt angegriffen. Weltweit berichteten die Medien über diesen Angriff. Aber weshalb? Und was bleibt von der enormen medialen Berichterstattung übrig?

Dutzende Polizisten sichern den Tatort. Vor den rotweissen Absperrbändern der Polizei stehen unzählige Journalisten, in der Hoffnung, neue und weitere Informationen zu erhalten. Einige von ihnen befragen Zeugen der Tat, andere telefonieren, wieder andere schreiben etwas in ein Notizbuch. Diese Szene spielte sich einige Stunden nach der Tat am Montag des 24. Julis ab.

Internationale Aufmerksamkeit

Schaffhausen war an diesem Tag im Ausnahmezustand. Die Altstadt wurde abgeriegelt, ständig war das Heulen von Polizeiautos zu hören und Spürhunde durchsuchten die Strassen. Über all dies wurde weltweit berichtet. Der Kettensägen-Angriff, bei dem mehrere Personen verletzt wurden – einige davon schwer, hatte nicht nur lokal und national, sondern auch international für Aufmerksamkeit gesorgt. BBC, Fox News, ZDF und viele weitere Medien berichteten über die Tat.

Damit befasst sich der Dokumentarfilm «Der Kettensägen-Angriff von Schaffhausen: Was bleibt?» Darin wird den Fragen nachgegangen, weshalb es zu diesem Medienhype kam, ob er gerechtfertigt war und was davon übrig bleibt.

Auf dieser Webseite gibt es weitere Informationen zum Medienhype und zur Tat.

(lhu)

Kritik
von Manuel Ramirez Ponce, Ramon Kratzer, Daniel Bucher und Janik Schäfli

Ausgangslage

Am 24. Juli hat ein 51-jähriger Mann in einer CSS-Filiale in der Schaffhauser Altstadt mehrere Personen verletzt – eine davon schwer. Der Täter konnte flüchten. Die Polizei konnte ihn tags darauf festnehmen. Diese Tat sowie die Flucht des Täters haben ein enormes Medienecho ausgelöst. 

Ziel

Im Dokumentarfilm sollten die Fragen erörtert werden, weshalb es zu diesem Medienhype kam, ob er gerechtfertigt ist und was davon übrig bleibt. Wir planten, dass zu diesen Fragen drei Interviewpartner Stellungnehmen sollten: Ein Mitarbeiter einer Boulevard-Zeitung, eine Person, die den Medienhype erlebt hat, und ein Medienethik-Dozent.

Vorgehen

Als Grundlage für die Realisierung des Dokumentarfilms diente ein Konzept, das wir erstellt haben. Mit diesem wollten wir unsere Interviewpartner akquirieren. Unser Ziel war, mit einem der Opfer des Kettensägen-Angriffs zu sprechen. Unsere Motivation waren dabei nicht boulveardistische Absichten, sondern wir wollten wissen, was er von dem Medienhype, den dieser Angriff ausgelöst hat, hält. Der Hauptbetroffene hat aber auf die versuchte Kontaktaufnahme nicht reagiert.

Deshalb entschieden wir, bei der Polizei nach einem Interviewpartner zu suchen. Die Mediensprecherin und der damalige Einsatzleiter nahmen an den Medienkonferenzen teil und bearbeiteten am Tag des Angriffs und in den Folgetagen unzählige Medienanfragen. Aber auch hier erhielten wir einen Korb. Die Mediensprecherin war im Schwangerschaftsuhrlaub und der damalige Einsatzleiter durfte nichts sagen, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Daraufhin haben wir den leitenden Schaffhauser Staatsanwalt angefragt, der uns mit derselben Begründung eine Abfuhr erteilte wie der damalige Einsatzleiter.

So entschieden wir uns, die CSS-Mediensprecherin Christina Wettstein anzufragen. Wie die Vertreter der Polizei und der Staatsanwaltschaft wurde auch sie mit Medienanfragen aus aller Welt bombardiert. Sie sagte zu unserer Erleichterung für ein Interview zu.

Auch bei der Suche nach einen Medienethikexperten hatten wir grosse Mühe. Unsere Interviewanfrage wurde sowohl von ZHAW-Dozenten Vinzenz Wyss als auch vom Medienexperten Nick Lühti ignoriert. Medienethikdozent Baldassare Scolari, der an der HTW Chur unterrichtete, sagte glücklicherweise zu.

Dafür war die Suche nach einem Vertreter der Boulevard-Medien von schnellem Erfolg gekrönt. Der Chefredaktor der Blick-Gruppe, Christian Dorer, sagte sofort zu.

Nachdem die Interviewtermine feststanden ging es an die Vorbereitung der Interviews und an die Festlegung der Drehorte. Wir bereiteten uns auf jedes der Interviews sehr gut vor, da wir einen guten Eindruck machen, kritische Fragen stellen und spannende Antworten erhalten wollten. Jedes der Interviews dauerte zwischen zehn und 15 Minuten. Für die Interviews reisten wir nach Zürich zum Hauptsitz von Ringier und nach Luzern zum CSS-Hauptsitz. An diesen beiden Orten nahmen wir jeweils B-Roll auf. Wir filmten die Gebäude von aussen und von innen. Das Interview mit HTW-Dozent Baldassare Scolari filmten wir in der Eduzone in Chur.

Zudem haben wir in der Schaffhauser Altstadt gedreht. Wir machten Aufnahmen vom damaligen Tatort, von den Räumlichkeiten der Schaffhauser Polizei sowie des Gefängnisses. Ausserdem machten wir Drohnenaufnahmen von der Altstadt.

Um den Zuschauern des Videos zu zeigen, welches enorme Ausmass die mediale Berichterstattung über den Kettensägen-Angriff vom 24. Juli 2017 hatte, wollten wir auch Berichte verschiedene Fernsehstationen im Dokumentarfilm zeigen. Dafür fragten wir sämtliche deutschen Fernsehsender an, ob sie uns die Nachrichtensendungen sowie redaktionellen Beiträge, die zu diesem Thema erstellt worden sind, bereitstellen würden. Die Antworten waren ernüchternd. Die Fernsehsender gaben das Archivmaterial entweder nicht heraus oder verlangte drei- bis vierstellige Beträge dafür. Deshalb liessen wir davon ab.

Stattdessen haben wir den Chefredaktor des Schaffhauser Fernsehens, Sebastian Babic, angefragt. Er war sofort bereit, uns sämtliches Material, dass der Lokalsender zum Kettensägen-Angriff im Archiv hatte, zur Verfügung zu stellen. Somit konnten wir Aufnahmen vom Tatort, von der abgeriegelten Altstadt und den Medienkonferenzen in den Film einbauen.

Um den Zuschauern des Videos dennoch einen Eindruck des weltweiten Medienhypes vermitteln zu können, entschieden wir uns, mit Youtubefilmen von Fernsehstationen aus aller Welt, wie zum Beispiel BBC oder Fox News zu arbeiten, dies natürlich mit Quellenangabe.

Nun mussten wir das gesammelte Material verarbeiten. Um möglichst effizient zu arbeiten und sicherzustellen, dass der Dokumentarfilm einen roten Faden hat, haben wir zuerst die Interviews geschnitten. Nachdem wir wussten, welche Aussagen der Interviewpartner verwendet werden sollten, haben wir sie in einen Off-Text eingebettet. Dieser Text mit den Aussagen war das Grundgerüst für den Film.

Daraufhin wurden die Aussagen der Interviewpartner mit B-Roll ergänzt. Zudem wurden Ausschnitte aus Berichten von Fernsehstationen in den Film eingebaut. Zuguterletzt mussten wir die Animationen produzieren. Dazu gehörten die Bauchbinden, der Titel sowie der Abspann.

Gleichzeitig haben wir eine Webseite erstellt, in die der Film eingebettet wird. Auf der Webseite können sich die Besucher zudem über den zeitlichen Ablauf der Tat und wichtige Orte, die mit dem Angriff in Zusammenhang stehen, informieren. Ausserdem können sie sich einen Eindruck des Medienechos machen.

Für die Informationen auf der Webseite haben wir die Schaffhauser Polizei und die Zürcher Kantonspolizei angefragt. Beide Medienstellen wollten uns aber keine Auskunft geben, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Wir mussten deshalb im Internet recherchieren beziehungsweise dutzende Artikel zum Thema durchlesen und die für uns relevanten und benötigten Informationen zu finden.

Schwierigkeiten

Interviewpartner organisieren

Wie bereits zu Beginn des vorherigen Kapitels beschrieben, war es sehr aufwendig, Interviewpartner für den Dokumentarfilm zu finden. Mehrere Anfragen, die jeweils mühevoll verfasst wurden, blieben entweder unbeantwortet oder wurden abgelehnt. Erst nach mehreren Versuchen standen die drei Interviewpartner fest

Filmmaterial organisieren

Dasselbe erlebten wir bei der Suche von Archivmaterial. Wie bereits erwähnt, konnten wir nicht wie gewünscht mit Material der deutschen Fernsehstationen wie ZDF, BR, NDR, Prosieben oder SAT1 arbeiten, da die Kosten, uns das Material zur Verfügung zu stellen und deren Rechte deutlich zu teuer waren.

Interviewtermine festlegen

Nachdem wir die Zusage der Interviewpartner hatten, mussten wir die Termine für die Gespräche festlegen. Dies war nicht einfach, da wir vier Studenten unter der Woche oft Vorlesungen hatten und unsere Interviewpartner vielbeschäftige Personen sind. Hinzukam, dass Christina Wettstein und Christian Dorer in Luzern beziehungsweise in Zürich arbeiten, was für uns ein zusätzlicher Zeitaufwand bedeutete, da die Hin- und Rückfahrt von Chur mehrere Stunden in Anspruch nahm.

Zusammenarbeit mit Polizei

Die Zusammenarbeit mit der Schaffhauser Polizei und der Staatsanwaltschaft gestaltete sich als schwierig. Sie wollten uns zwar helfen, durften aber nicht, da es sich beim Kettensägen-Angriff um ein laufendes Verfahren handelt. Obwohl wir mehrmals betonten, dass wir keinerlei boulevardesken Absichten hatte und uns die Einzelheiten der Tat nicht interessierten, rückten die Schaffhauser Polizei und die Staatsanwaltschaft keine Informationen heraus. Die Kollegen der Zürcher Kantonspolizei waren etwas kulanter.

Aussagen zu Film zusammenschneiden und auf roten Faden achten

Knackpunkt bei der Realisation des Projekts war, die spannendsten, packendsten und bedeutendsten Aussagen der Interviewpartner zu finden und diese in einen Zusammenhang zu stellen sowie den Off-Text zu schreiben. Dies war sehr aufwendig aber wichtig, da bei diesem Schritt der rote Faden für den Dokumentarfilm entstand.

zu wenig B-Roll

Als wir mit dem Schnitt begannen, stellten wir fest, dass wir zu wenig B-Roll aufgenommen hatten. Dies, obwohl uns das Schaffhauser Fernsehen unzählige Minuten Bildmaterial zur Verfügung stellte, dass am Tag der Tat aufgenommen wurde. Deshalb hatten wir Schwierigkeiten, die Lücken zwischen den Aussagen der Protagonisten mit Bildmaterial zu füllen. Wir lösten dieses Problem, indem wir zusätzliche Aufnahmen gemacht haben, auf denen eine Person zu sehen ist, wie sie im Internet nach Artikeln und Videos zur Tat sucht. Nachträglich sind wir froh um dieses Problem, den diese Aufnahmen zeigen sehr gut, wie hoch die Anzahl Artikel und Videos im Netz zu diesem Angriff ist und wie viele dieser Artikel (noch) nicht zensiert sind.

Materialtransport

Auch der Materialtransport kostete viel Energie. Wir drehten in Zürich, Luzern und Schaffhausen. Dafür mussten wir jeweils Equipment in Chur ausleihen und es zu den Drehorten transportieren. Im Fall vom Dreh in Luzern konnten wir glücklicherweise ein Fahrzeug der HTW Chur ausleihen. Ansonsten transportieren wir das Material mit dem Zug.

Fazit

In unzähligen Arbeitsstunden erstellen wir ein multimediales Projekt, bestehend aus einem Film, einer Webseite und Text, mit gesellschaftlicher Relevanz. Wir suchten Antworten auf die Fragen, weshalb es zu diesem Medienhype kam, ob er gerechtfertigt ist und was davon übrig bleibt. Somit versuchten wir den Rezipienten einen Eindruck der medialen Berichterstattung zu liefern und die Beweggründe der involvierten Seiten (Betroffenes Unternehmen und Medien) zu erklären. Damit hofften wir, die Zuschauer für die Berichterstattung über gewaltsame Themen sensibilieren zu können. Dies ist uns unserer Meinung nach gelungen.

Wir sind dem Projekt, insbesondere mit dem erstellen Dokumentarfilm sehr zufrieden. Dessen Inhalt ist nach unserer Ansicht spannend, vielseitig und aufschlussreich. Auch qualitativ sind wir mit dem Film zufrieden. Der Schnitt, Ton und die Animationen machen einen professionellen Eindruck. Wir bedauern aber, dass wir keine Aussagen von einem der Opfer des Angriffs sowie der Polizei und der Staatsanwaltschaft in den Dokumentarfilm einbauen konnten. Dies hätte den Inhalt deutlich aufgewertet. Den Opfern hat der Medienhype bestimmt zu schaffen gemacht. Zudem wurden sie teils auch Opfer von boulveardesken Absichten von Journalisten. Des Weiteren erlebten die Mediensprecherin der Polizei, der damalige Einsatzleiter und auch der leitende Schaffhauser Staatsanwalt den Medienhype direkt mit und hätten bestimmt spannende und möglicherweise für die Sensibilisierung des Themas wertvolle Aussagen gemacht. Dennoch sind wir mit dem Projekt sehr zufrieden. 

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