Mesareth – Flucht nach Europa

Der Vater tot und die Mutter mit der Erziehung der Kinder so überfordert, dass man mit seinen Geschwistern bei einer Pflegemutter aufwächst. Allein ein solches Schicksal kann Menschen für ihr ganzes Leben prägen. Kaum vorzustellen also, wie es sein muss, wenn man zusätzlich in einem Land aufwächst, in dem Krieg herrscht und man schliesslich als Kind fliehen muss.

Doch genau dieses Schicksal erlebte Mesareth Gebrekristos. Geboren im Grenzgebiet zwischen Eritrea und Äthiopien, in welchem von 1998 bis ins Jahr 2000 ein Krieg tobte, wurde sie als 11-Järhige auf die Flucht geschickt – mit nichts ausser den Kleidern, die sie trug und ihrem grossen Bruder.

Mehrere Jahre dauerte ihre Flucht und aus dem kleinen Mädchen wurde eine junge Frau. Von Äthiopien über die Wüste nach Syrien und in die Türkei. Immer wieder wurden sie zurück geschickt. Immer wieder mussten sie in einem fremden Land bleiben, sich eine Wohnung und eine Arbeit suchen. Sie mussten Essen kaufen und ihre Weiterreise bezahlen. Denn ihr Ziel war Europa. Dort, so erzählte man ihnen, kümmert man sich um Flüchtlinge, es gibt Arbeit und eine Chance auf eine glückliche Zukunft. Nur eines wurde den Geschwistern nie erzählt: Was für grosse Opfer auf dem Weg in eine bessere Zukunft erbracht werden müssen…

(le)

Kritik
von Anja Ruoss, Nadine Wagner und Martin Bruhin

Die Idee
Seit nun mehr als einem Jahr beherrscht ein Thema die Schweizer Medien: Die Flüchtlingskrise. Immer wieder wurden Grenzen geschlossen, Kinder und Frauen entführt, Schlepper verhaftet oder Boote mit hunderten von Menschen, die kenterten. Zwar flüchteten im europäischen Vergleich eher wenig Menschen in die Schweiz, doch auch wir wurden mit dem Drama, welches sich durch Europa zog, konfrontiert. Besonders die Frage, wie man Menschen, die teilweise schwer traumatisiert sind und aus einer völlig anderen Kultur stammen, in unsere Gesellschaft integrieren soll, wurde überall heiss diskutiert.

Anja Ruoss, die neben dem Studium bei der Südostschweiz arbeitet, wurde beauftragt, Porträts mit verschiedenen Flüchtlingen zu machen, welche bereits seit einigen Jahren in der Schweiz leben. Dadurch lernte sie Mesareth Gebrekristos kennen. Die Geschichte der 24-Jährigen Äthiopierin war jedoch weit dramatischer und unglaublicher, als es in einem Artikel mit 120 Zeilen hätte erzählt werden können. Vor allem da der Fokus im Zeitungsportrait auf ihrer Integration und ihr Leben in der Schweiz lag. Deshalb berichtete Anja auf einer der vielen Zugfahrten nach Chur Nadine Wagner und Martin Bruhin von Mesareths Geschichte und für alle drei war sofort klar – daraus sollte mehr gemacht werden.

Die Vorbereitung
Nachdem die Idee für ein Interview mit Mesareth stand und diese sich auch dazu bereit erklärte, begannen die Vorbereitungen. Anja, die bereits ein Interview mit Mesareth geführt hatte, gab dieses an Nadine und Martin weiter. Weil das Interview ebenfalls Fragen zu Mesareths Flucht beinhaltete, konnten sich so alle drei schon im Vorfeld ein Bild davon machen, wo der Fokus für das Digezz-Projekt liegen soll. Der Fragebogen für das Interview konnte dadurch ebenfalls etwas gezielter gestaltet werden. Mit Mesareth wurde dabei auch immer ein sehr enger Kontakt gepflegt, denn das Interview sollte sehr persönlich werden.

Der Termin für das Interview wurde auf Ostern gelegt. Am Abend davor verabredete sich Anja mit Mesareth, da diese sehr nervös war. Dabei besprachen sie noch einmal den Ablauf und auch die Fragen, welche gestellt werden würden.

Die Kritik
Der Dreh selbst fand in Mesareths Wohnung in Eschenbach SG statt. Dieser Ort wurde bewusst gewählt, da sie sich beim Interview wohlfühlen sollte. Da sie etwas angespannt schien, versuchten wir zudem nicht gleich mit dem Interview zu beginnen sondern redeten mit ihr über andere Themen. Da Anja Mesareth am besten kannte, führte sie das Interview. Zwar wurde Mesareth durch die Bemühungen der Gruppe etwas lockerer, doch leider kam sie trotzdem nie richtig aus ihrer Haut.

Besonders Fragen zu ihrer Kindheit wich sie aus und beantwortete sie auch nach intensivem Nachfragen nur sehr spärlich. Auch im fertigen Interview merkt man sehr gut, wie zurückhaltend sie ist und ihre Verlegenheit immer wieder weglachen will. Dies wirkt etwas surreal und stört uns auch. Denn jemanden lachen zu sehen, während der vom Kentern eines Flüchtlingsbootes erzählt, wirkt etwas unpassend. Trotzdem denken wir, dass dem Zielpublikum bewusst wird, dass das Lachen nicht im lustigen Sinn sondern als Rettung aus einer emotionalen und unangenehmen Situation zu verstehen ist.

Das Interview wurde in Englisch geführt. Zwar versteht Mesareth Deutsch und kann sich auch auf Hochdeutsch unterhalten, doch sie hat weniger Mühe damit sich in Englisch auszudrücken. Trotzdem gab es ein paar Sprachschwierigkeiten. So verstand sie einige Fragen nicht richtig, welche dann wiederholt werden mussten oder sie wusste nicht genau, wie sie das sagen konnte, was sie wollte. Durch das Wiederholen einiger Aufnahmen wurde sie jedoch etwas lockerer und kam beim zweiten oder dritten Mal sogar etwas in einen Redefluss.

Trotzdem wurden ihre Antworten besonders bei der Postproduction zur Herausforderung. Denn obschon ihr immer wieder gesagt wurde, sie solle doch bitte die Frage in ihrer Antwort wiederholen, da wir weder eine Off-Stimme noch die Interviewerin im Endprodukt haben wollten, hielt sie sich nur sehr selten daran. So fehlte bei vielen ihrer Antworten der Zusammenhang.

Weitere Störfaktoren, sind die Kirchenglocken, welche ab und an läuten, Autos die man hört sowie ihr Outfit. Wobei die ersten beiden Faktoren hätte durch das Schliessen der Fenster hätte verbessert werden können, was ein klarer Fehler unsererseits war, sind wir uns bei letzterem etwas uneinig. Obschon Mesareth im Vorfeld gesagt wurde, sie solle sich etwas Bequemes anziehen, öffnete sie die Tür in einem engen, schwarzen Kleid mit hohen Schuhen. Während des Interviews störte uns dies sehr, denn wir wollten ihre Flucht und ihre Leiden aufzeigen und dieses Kleid stand für uns im krassen Gegensatz zu ihrer Geschichte. Doch im Nachhinein finden wir diesen Kontrast etwas weniger störend. Klar, ein normales T-Shirt wäre besser gewesen, doch da sie auch von ihren Zukunftsplänen als Model erzählt finden wir, dass Kleid steht für diesen neuen Teil ihres Lebens. Es zeigt auch, dass sie durch das Erlebte stark geworden ist und nicht nach vorne schauen möchte.

Postproduction
Die Postproduction war sehr zeitintensiv. Anja übernahm den Rohschnitt, was für sie zwar sehr lehrreich war, durch ihre Unerfahrenheit jedoch viel Zeit beanspruchte. Damit Nadine und Martin ebenfalls miteinbezogen werden konnten, schickte Anja jeweils den aktuellen Zwischenstand per Mail. Dies war sehr hilfreich, denn da Anja die Szenen während des Rohschnittes so oft sah, wusste an einem Punkt nicht mehr, was noch herausgenommen werden könne und war auf die Meinung der anderen angewiesen.

Ebenfalls sehr viel Zeit beanspruchte die Beschaffung der Musik. Denn diese komponierte Martin selbst. Dabei erstellte er mehrere Demos und zeigte sie den anderen. Nach ein paar Anpassungen wurden die Demos dann in die verschiedenen Kategorien Anfang, B-Rolls und Schluss eingeteilt.

Für den Feinschnitt sassen wir dann noch einmal zu Dritt zusammen. Obschon wir bereits nach den Ostern mit der Postproduction angefangen hatten, schafften wir es aufgrund vieler anderer Projekte und unserer Blockwoche in Amsterdam erst Anfang Juni das Projekt fertig zu stellen.

Fazit
Das Interview mit Mesareth war eine sehr interessante neue Erfahrung. Besonders ihre Geschichte faszinierte uns sehr, was uns motivierte, sehr intensiv an der Bearbeitung des Interviews zu arbeiten und unser Bestes zu geben. Im Nachhinein haben wir den Aufwand klar unterschätzt. Zwar wussten wir, dass es ein sehr grosses Projekt werden würde, doch besonders gegen den Schluss kamen immer mehr kleine Punkte, die wir vergessen hatten und noch mit einbinden mussten.

Auf unser Endergebnis sind wir trotzdem etwas stolz. Zwar hatten wir und das Interview im Vorfeld anders vorgestellt – emotionaler und flüssiger – doch wir haben sehr viel aus diesem Projekt gelernt.

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