von Lorena Wahrenberger, Nicola Spescha, Demian Spescha und Michel Kessler
Aus einer Schnapsidee wurde eine «Riese Kischte»
An einem ausgelassenen Fondueabend im Januar letzten Jahres schauten wir mit einigen Friends aus dem Studium legendäre Videos von «jede chan mache waser will, will jede staht dezue waser macht» über Tele-Züri Best Ofs und «Jung, wild und Sexy». Bei Letzterem blieben wir hängen und fanden: Eigentlich sauschade, dass es so etwas heute nicht mehr gibt.
Der Modul-Start von Digezz stand an und zwei von sechs Mitstudenten nahmen die Schnapsidee ernst. Schnell wurde klar: Leidenschaft reicht dafür nicht aus. Wir brauchten technisches Können. So stellten wir Demian und Nicola Spescha unsere Idee vor. Schnell waren sie so begeistert, wie wir. Das Kernteam stand also.
Dann gings in die Konzept-Phase. Es sollte zeitgerecht und knackig sein. Also entschieden wir uns für eine Web-Serie mit kurzen Episoden, die gut mal im Tram oder Zug geschaut werden können. Kurze Zeit kam sogar Hochformat in Frage, da Instagram-TV ein grosses Thema ist. Um das Format auf verschiedenen Online-Plattformen ausspielen zu können, entschieden wir uns dagegen.
Casting
Schnell machten wir uns ans Casting. Dazu muss man sagen, dass die Vorstellung davon wesentlich einfacher klingt, als es effektiv war. Von einer Mitarbeiterin der «3+»-Sendung «Jung, wild und sexy» haben wir erfahren, dass früher wesentlich mehr junge Menschen bereit dazu waren, bei Reality-Formaten mitzuwirken. Heute erklären wir es uns so, dass die Medien-Affinität junger Menschen viel grösser ist. Sie sind sich den Konsequenzen von Eskapaden vor laufender Kamera bewusst. So mussten wir Überzeugungsarbeit leisten. «Es gibt kein Skript. Du entscheidest, was du vor der Kamera sagst und tust», argumentierten wir. Die Akquisition lief auf verschiedenen Wegen. Hauptsächlich schrieben wir gefühlt die halbe Schweiz auf Instagram an. Daneben sprachen wir im Ausgang verschiedenste Menschen an.
Oft wurden wir dafür kritisiert, dass es kein Querschnitt der Generation ist. Das stimmt gewissermassen. Aber damit mussten wir leben, denn eins ist klar: Wir hatten viele extrovertierte Charaktere dabei.
Medienpartnerschaft
Anfänglich hatten wir ja noch keinen Medienpartner. Nach intensiver Auseinandersetzung mit der schweizer Medienlandschaft konnten wir den BLICK als Medienpartner gewinnen, anfänglich nur mit dem halben Cast im Gepäck.
Die Zusammenarbeit mit der BLICK Mediengruppe funktionierte zwar sehr gut, gestaltete sich aber auch als schwierig, da wir in Chur waren, und unsere «Mitarbeiter» in Zürich stationiert waren. Die Kommunikation lief somit meistens über Whatsapp, Sprachnachrichten und Mails, was ab und zu zu Missverständnissen führte. Die Sitzungen und Meetings, welche ab Juli wöchentlich stattfanden, waren auch immer im Pressehaus im Zürcher Seefeld. Zudem war es doch ab und zu schwierig und erforderte Willensstärke, sich bei Älteren Journalisten als Studenten durchzusetzen und für «das eigene Baby» einzustehen.
Produktion
Koordination und Organisation waren das A&O. Vor Ort mussten wir ein 12-Köpfiges Team leiten, in dem noch nie jemand bei so einer umfangreichen Produktion mitgearbeitet hat. Wir hatten von Produzieren auch nicht wirklich viel Ahnung, unsere Referenzquellen waren lediglich intensives binge-watching von anderen Reality-Shows. Zudem kamen noch die wilden acht Kandidaten, welche auch unter unserer Leitung standen. Da den Überblick zu behalten und allen Aufgaben nachzukommen, klappte nur, da wir jeden Tag zwischen 18-21 Stunden gearbeitet haben. In Mallorca gestaltete sich die Koordination doch als ziemlich schwierig, da wir ein wirklich kleines Team waren. Verpflegung kam oft zu kurz und Zeitpläne mussten spontan angepasst werden. Bei einem weiteren Mal würden wir garantiert jemanden mitnehmen, der wirklich nur für das Essen zuständig wäre.
Postproduktion
Die Technik für ein solches Projekt spielt eine grosse und vor allem wichtige Rolle. Nicola & Demian Spescha hatten da die Leitung. Sie mussten das ganze Equipment frühzeitig planen und organisieren. Dabei musste beachtet werden, dass genügend Material wie Kameras, Licht, Ton und auch Ersatzmaterial mit einberechnet wurde. Man musste sich auch die Frage stellen, ob es nicht einfacher und auch günstiger wäre, wenn das Equipment direkt vor Ort gemietet würde. Diese Abklärungen nahmen einiges an Zeit in Anspruch. Schlussendlich haben wir uns aber dafür entschieden, dass wir das Material selber mitnehmen. Dank der Zusammenarbeit mit «BLICK», welche die Flüge organisierten, konnten wir das Material relativ problemlos mit in den Flieger nehmen. Trotzdem passierte uns ein dummer Fehler. Uns wurden einige Batterien entnommen, da diese nicht verfrachtet werden dürfen. Das war aber halb so schlimm, da es sich um handelsübliche Batterien hielt.
Schnell merkten wir aber auch, dass wir weitere Kamera-, Ton- und Lichtmenschen brauchen. Zu zweit ist es schlicht nicht möglich eine Reality-Show abzudrehen. Nach und nach vergrösserte sich so unser Team.
Ebenfalls war die Handhabung der Datensicherung sowie das Aufladen von Akkus und kaufen von Batterien eine Herausforderung. Wir mussten berücksichtigen, dass wir stets genug Batterien, sowie voll geladene Akkus dabei hatten. Wir mussten merken, dass es für das Sichern der Daten, ähnlich wie bei der Verpflegung, eigentlich eine dafür zuständige Person bräuchte. Wir haben es so gemacht, dass wir jeden Abend respektive jede Nacht selbst die Daten noch sicherten, während die anderen mit den Kandidaten filmten. Dies führte einerseits zu extremem Schlafmangel, sowie zu nicht immer zu 100% sauber benannten und am richtigen Ort gespeicherten Daten.
Social Media
Auf unserem Instagram-Kanal war die Zielgruppe anders, als bei Blick. So wollten wir unserem Publikum auch ein sauberes und professionelles Auftreten bieten. Ein “gewöhnlicher” Instagram Feed kam für uns nicht in Frage. Zum Glück hatten wir einen Profi an Bord, Elay, welcher diesen Job mehrheitlich übernahm. Da die Folgen auf verschiedensten Plattformen ausgespielt wurden, war es uns wichtig, dass auf unserem Instagram Profil «alles beieinander ist» und gleichzeitig das Corporate Design beibehaltet wird. Dies wollten wir auch durch unseren Feed ausdrücken.
Daneben konnten wir mit den Kandidaten nach dem Dreh auf Mallorca GIFs shooten. So konnten sie , ihre Freunde und wir selbst die eigenen Elemente über Instastorys teilen.
Sponsoring
Ein Punkt, der uns weniger zufrieden stellte, war das Sponsoring. Wir konnten keinen Hauptsponsor für uns gewinnen, obwohl wir viel Potenzial im Produkt sahen. Das lag hauptsächlich am späten Start der Suche für Sponsoren. Die meisten hatten die Jahresplanung des Budgets bereits vorgenommen. Das Sponsoring gaben wir nach dem Eingehen der Medienpartnerschaft vollständig an die «Blick-Gruppe» ab.
Bei einem nächsten Mal würden wir uns selber um das Sponsoring kümmern und auch mehr Transparenz des Partners verlangen. Wir haben gemerkt, dass es als Produktionsleitung wichtig ist, wirklich bei jedem Punkt die volle Kontrolle zu behalten.
Kickoff-Event
Wir haben uns entschieden, wenn wir schon eine Reality-Show auf die Beine stellen wollen, dann sollten wir auch einen anständigen Kickoff-Event organisieren. Der Event war wirklich super und war auch wichtig, da Zuschauer und Medien eingeladen wurden, es war aber nochmals ein riesiger Aufwand. Der Event sollte schon Wochen/Monate vorher geplant werden, dass man sich während der stressigsten Zeit des Projekts nicht noch mit Club-Anfragen und Einladungen herumschlagen muss.
Ringier-Award
Ein Highlight für das Kernteam von «Millennials in Paradise» war die Nominierung für den Ringier-Award in der Kategorie «Storytelling». Schlussendlich gelangte das Projekt neben zwei weiteren Projekten in die Endrunde und wurde beim Award-Verleih vorgestellt. «Izzy-Magazine» gewann den Preis letztendlich. Für uns nachvollziehbar. Wir freuten uns darüber, einige der Ersten externen Mitstreiter zu sein, die überhaupt für einen Ringier-Award nominiert wurden. Es war also eine grosse Ehre für uns und ein toller Abschluss fürs Projekts.
Learnings
Vertrag
Obwohl wir uns vertraglich sehr gut abgesichert haben und verschiedene Verträge mit Experten untersucht haben, gab es doch das ein oder andere, was wir übersehen haben. Was genau bleibt natürlich unser Geheimnis, es ist aber nie schlecht, einen umfangreichen Vertrag auch noch ein zehntes Mal durchzulesen - egal, ob man selber unterschreiben muss, oder ihn erstellt und zum Unterzeichnen weitergibt.
Aufwand Unterschätzt
Wir haben zwar mit viel Aufwand gerechnet, hätten aber niemals mit so einer riesigen Aufgabe gerechnet. Gefühlt jede Woche kam ein neuer Stolperstein dazu, welche wir aber schlussendlich alle mehr oder weniger gemeistert haben. Wir konnten in ein ganz neues Business eintauchen, welches wir vorher nur als fertiges Produkt vom Fernseher aus kannten.
Pünktlich zum Semesterstart auf Hochtouren
Die Monate September und Oktober waren am intensivsten - genau zum Semesterstart. Viele Vorlesungen wurden eher sporadisch besucht, da wir für die ganze Postproduction Zeit (7 Folgen) nur 3 Wochen Zeit hatten. Es war sehr schwierig, eine gute Balance zwischen Studium und Projekt zu finden, unser Sozialleben musste aber deutlich am meisten einstecken. Es war einfach sehr eng, wir mussten sogar eine ganze Modulprüfung nachholen, da wir zu diesem Zeitpunkt noch beim Dreh in Mallorca waren.
Budget-Frage
Es war ein Projekt, welches Zahlen im fünfstelligen Bereich beanspruchte. Wir waren noch nie Zahlenmenschen, es war aber ein grosses Learning, wie man mit einem grossen Budget umgeht, und wie man auch eine korrekte Buchhaltung führt.
Die Postproduktion
Die Zeit zwischen Mallorca und den ersten Folgen (3 Folgen in der ersten Woche) war zu knapp berechnet. Natürlich klappte dies schlussendlich, der Stresspegel war aber dermassen hoch, dass alles andere zurückstecken musste. Vor allem Demian & Nicola Spescha hatten zu dieser Zeit praktisch keine Zeit für Vorlesungen, Freizeit oder andere Dinge. Wir widmeten uns 7 Tage die Woche diesem Projekt.
Musikrechte
Man kann sich nie genug früh um Musikrechte sorgen! Wir haben gelernt, dass dies sogar noch vor dem eigentlichen Dreh geschehen sollte, und dies auch wirklich viel kostete. Schlussendlich mussten wir auf Chart-Banger verzichten, da wir diesen Punkt absolut unterschätzt haben.
Credits
Danke!
Wir möchten uns ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken! Die Produktion vor Ort hat einen super Job geleistet und die unvergessliche Erinnerung werden wir für immer mit euch teilen! Ein grosses Dankeschön auch an alle, die nach Mallorca unter grossem Zeitdruck geholfen haben, das Produkt zu dem zu machen, was es geworden ist!
Kernteam
Lorena Wahrenberger und Michel Kessler - Cast, Projektleitung, Organisation Produktionsleitung
Nicola und Demian Spescha - Technische Leitung Produktion und Postproduktion
Produktion
Lukas Spichtig - Kamera, Drohne, war in Mallorca die ganze Woche vor Ort
Lukas Alpiger - Ton, war in Mallorca die ganze Woche vor Ort
Postproduction
Nuria Spycher - Postproduktion Zusatzcontent (Portrait Luca und Marlow, Politik-Diskussion)
Amber Vetter - Postproduktion Zusatzcontent (Akzeptanz-Diskussion und Nachhaltigkeits-Diskussion)
Konstantin Schmidt - Postproduktion Zusatzcontent (LGBTQ+-Diskussion und Social-Media-Diskussion)
Lorena Lucek - Animation Chat, Animation Karaoke-Auslosung
Externe Credits
Carlo Lardi - Kamera
Vinzenz Greiner - Projektleitung Blick Seite, Runner Produktion
Elay Leuthold - Social Media, Runner Produktion
Melissa Schuhmacher - Runner, Kamera
Mauro Sutter - Kamera
Adrian Niedermaier - Ton