Der Nordirlandkonflikt (Gälisch: «Na Trioblóidí») war eine Auseinandersetzung in der britischen Provinz Nordirland. Einerseits zwischen Katholiken, die für einen Anschluss an die mehrheitlich katholische Republik Irland kämpften, andererseits die Protestanten, die in Grossbritannien verbleiben wollten. Von 1969 bis 1998 forderte der Konflikt über 3500 Menschenleben. Der Nordirlandkonflikt war ein religiöser, aber auch sozialer Konflikt.
Ein Mann, der wie kein zweiter diesen Konflikt geprägt hatte, war Martin McGuiness. Einerseits Kämpfer der Terrororganisation IRA (Irisch-Republikanische Armee), die mit Bombenanschlägen und bewaffneten Angriffen für den Anschluss an Irland kämpften. Andererseits war er aber auch eine Schlüsselfigur bei den Friedensverhandlungen, die Ruhe in Nordirland einkehren liessen. McGuiness starb am 21. März 2017. Die Geschichte des Nordirlandkonflikts ist seine Geschichte…
(Radio-Feature: Martin McGuiness, Nordirlandkonflikt)
Anschläge, wie derjenige am 22. Mai 2017 während des Ariane Grande Konzerts in Manchester, sind schrecklich. Die junge Generation fragt sich, wie das passieren konnte und wann das endlich ein Ende nimmt. Der älteren Generation kommen Erinnerungen hoch, von Zeiten, in denen der Terror in Westeuropa fast schon normal war. Während der Zeit des Nordirlandkonflikts, brodelte es auch an anderen Orten. In Deutschland verbreitete die «Rote Armee Fraktion» Terror und Schrecken. In Italien waren es die «Roten Brigaden» und im sogenannten Baskenland zwischen Frankreich und Spanien die «ETA» (Euskadi Ta Askatasuna).
Krieg und Terror in Westeuropa
Kaum zu glauben, dass in einem westeuropäischen Land bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ein so blutiger Konflikte tobte. Es gab Zeiten, da gehörten Bombenanschläge, Strassenschlachten und Schiessereien schon fast zur Tagesordnung. So, wie wir es heute eigentlich nur aus Krisengebieten wie dem Nahen Osten kennen. Ähnlich kompliziert wie im Nahen Osten, waren auch die Verhältnisse im Nordirlandkonflikt. Es kämpften längst nicht nur Katholiken gegen Protestanten. Die Religion war nur ein Bestandteil des Konflikts, auch die sozialen Verhältnisse spielten eine Rolle. Der Grossteil der katholischen Bevölkerung war arm, den Protestanten hingegen ging es mehrheitlich gut. Das lag daran, dass die Protestanten im Normalfall sogenannte «Loyalisten» oder auch «Unionisten» waren. Sie waren für den Verbleib Nordirlands in Grossbritannien. Deshalb wurden Sie von der britischen Regierung bevorzugt. Die Katholiken hingegen waren Republikaner. Das bedeutet, dass sie sich einen Anschluss an die Republik Irland wünschten. Diese Teilung der Gesellschaft kam nicht von ungefähr, diese Entwicklung begann lange Zeit bevor.
Die Wurzel allen Übels
Bereits 800 Jahre zuvor fiel eine englische Invasionsarmee in Irland ein und nahm Einfluss auf einen Grossteil der Insel. Immer wieder kam es zu Aufständen und Auseinandersetzungen zwischen den Iren und den englischen Besatzern. Ab 1606 begann England mit der systematischen Ansiedlung englischer und schottischer Protestanten im Norden Irlands. Die irischen Grundbesitzer wurden enteignet. Nach und nach fiel ganz Irland unter die Herrschaft der Engländer. Es folgten Jahrzehnte der Unterdrückung, welche 1796 in einer Rebellion gipfelten. Diese scheiterte, woraufhin das irische Parlament aufgelöst wurde und das Land endgültig Teil des englischen, beziehungsweise Britischen Königreichs wurde. Bei einer Hungersnot die 1845 ausbrach, starben schätzungsweise eine Millionen Iren, weitere ein bis zwei Millionen emigrierten. Da sich Grossbritannien dem Problem nicht annahm, kam es 1848 erneut zu einem Aufstand, der wieder niedergeschlagen wurde. Auch der sogenannte Osteraufstand von 1916 scheiterte. Dann folgte 1919 der Unabhängigkeitskrieg der einen ersten Erfolg mit sich brachte. Irland wurde zum Freistaat innerhalb Grossbritanniens. Doch der Norden wurde auf Wunsch seiner überwiegend protestantischen Grafschaften vom Süden getrennt. Nicht alle Iren waren mit diesem Kompromiss einverstanden, weshalb es zu einem mehrjährigen Bürgerkrieg kam. Schliesslich erlangte Irland 1937 die Unabhängigkeit und trat 1949 aus dem Commonwealth (loser Staatenbund ehemaliger Territorien des britischen Königreichs) aus. Nordirland hingegen verblieb bei Grossbritannien.
Nordirland heute
Nach Zeiten des Krieges schien es, als würde endlich Ruhe auf der Insel einkehren. Doch im Norden fing es bereits wieder zu brodeln an. Ein Konflikt bahnte sich an, der die Insel, aber auch ihre Umgebung, für Jahrzehnte in den Würgegriff des Terrors nehmen würde. Das war der Nordirlandkonflikt.
Ein Konflikt, der bis heute die Gesellschaft spaltet, obwohl dieser offiziell seit fast 20 Jahren als beendet gilt. Aber in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands stehen noch immer die sogenannten «Peace Lines». Das sind Mauern, die zwischen katholischen und protestantischen Wohngebieten errichtet wurden, um die Menschen davon abzuhalten, aufeinander los zu gehen. Noch heute fliegen ab und zu Steine oder Brandsätze von der einen auf die andere Seite. Vielerorts werden nachts die Tore der Mauern deshalb geschlossen. Nebst den Mauern, erinnern auch die Wandmalereien an den Häusern an den Konflikt. Es sind heroische Bilder von den Märtyrern und Mördern von damals. Zudem sind die meisten Schulen noch immer nach Konfession getrennt.
Es kommt auch immer wieder mal zu Ausschreitungen. Beispielsweise jedes Jahr, am 12. Juli, wenn die Protestanten den Jahrestag der Schlacht am Boyne feiern. 1690 erlangten die Protestanten dabei einen wichtigen Sieg gegen die Katholiken. An diesem Tag kommt es deshalb immer zu Provokationen und Strassenschlachten.
Brexit und alte Wunden
Auch der «Brexit» der in vollem Gange ist, droht alte Wunden wieder aufzureissen. Bei der Abstimmung waren die Katholiken Nordirlands mehrheitlich für einen Verbleib in der EU, die Protestanten dagegen, für den Brexit. Dies ruft wieder die alte Diskussion über einen Anschluss an die Republik Irland, welche Mitglied der EU ist, auf den Plan. Zudem würde der Brexit eine EU-Aussengrenze direkt durch die irische Insel schaffen, was beispielsweise Zölle zur Folge hätte. Vor allem für grenznahe Unternehmen würde dies wirtschaftliche Einschränkungen bedeuten. Wie die Geschichte Nordirlands weitergeht, wird sich zeigen.
(mm)