neu leben lernen

Neu leben lernen – eine Webserie über Hirnverletzungen

Das menschliche Gehirn – ein komplexes und lebenswichtiges Organ unseres Körpers. Leider gibt es Menschen, bei denen das Gehirn aufgrund von Blutungen oder Unfällen nicht mehr einwandfrei funktioniert. In Zusammenarbeit mit «FRAGILE Suisse» haben wir eine Webserie produziert, welche einen Einblick in das Leben von Betroffenen und Angehörigen gibt und zeigt, wie sie mit dem Thema Hirnverletzung umgehen.

Im Rahmen unseres DIGEZZ-Projekts produzierten wir für die schweizerische gemeinnützige Vereinigung «FRAGILE Suisse» eine Webserie. Diese Vereinigung setzt sich gemeinsam mit Betroffenen für die Anliegen von Menschen mit einer Hirnverletzung und deren Angehörigen ein. «FRAGILE Suisse» besteht aus einer Dachorganisation mit Sitz in Zürich und elf regionalen Vereinigungen in allen Teilen der Schweiz.

Das Ziel unserer Webserie war, anhand von drei kurzen Porträtfilmen verschiedene Dienstleistungen von «FRAGILE Suisse» zu präsentieren. Damit machen wir Betroffene und ihre Angehörigen auf das Angebot von «FRAGILE» aufmerksam und sensibilisieren gleichzeitig unerfahrene Personen auf das Thema Hirnverletzung. Denn alleine in der Schweiz ereignen sich jährlich etwa  16’000 Hirnschläge. Dazu kommen diejenigen, die eine unfallbedingte Hirnverletzung, ein so genanntes Schädel-Hirn-Trauma erleiden. Das sind in der Schweiz über 5000 Fälle pro Jahr. Hirnverletzungen sind rund 20 Mal häufiger als Querschnittslähmungen.

Wenn hier von einer Hirnverletzung gesprochen wird, ist immer eine erworbene Hirnverletzung gemeint – also nicht Schädigungen, die bereits bei der Geburt vorlagen. Die Verletzung kam bei allen porträtierten Personen durch einen Hirnschlag oder einen Unfall zustande.

Folgen einer Hirnverletzung

Hirnverletzungen haben äusserst individuelle Auswirkungen. Mögliche Folgen sind beispielsweise Lähmungen, Sprachstörungen oder stetige Müdigkeit. Im menschlichen Gehirn ruht auch das Bewusstsein – unser «Ich». Wird das Gehirn beschädigt, kann also auch dieses «Ich» und somit unsere Persönlichkeit verändert werden. Von hirnverletzten Personen sagt man oft, dass sie nicht mehr dieselben wie vorher seien – zumindest wird das von Aussenstehenden so empfunden.

In unserer Webserie erzählen wir drei unterschiedliche, emotionale Geschichten. Wir wollen zeigen, dass jede Hirnverletzung individuelle Auswirkungen hat. «FRAGILE Suisse» bietet für jede Person die passende Hilfe und unter anderem folgende drei Dienstleistungen an:

Begleitetes Wohnen

Eine der Personen, welche wir im Rahmen unseres Projekts porträtiert haben, ist Sheena. Sie hatte im Jahr 2014 eine Hirnblutung und beansprucht seit Dezember 2017 die Dienstleistung «Begleitetes Wohnen» von FRAGILE Suisse. Bei dieser Dienstleistung unterstützen ausgebildete Fachpersonen Betroffene und Angehörige dabei, sich ihre Fähigkeiten (wieder) anzueignen und ein Umfeld aufzubauen. So soll ein selbständiges Wohnen in den eigenen vier Wänden wieder möglich werden.

Kurse

Anders war es bei Swen. Er kam vor 25 Jahren unter ein Tram und erlitt dadurch ein Schädel-Hirn-Trauma. Heute besucht er regelmässig einen Kochkurs von «FRAGILE Suisse». Durch das Planen, zusammen Agieren und Kochen, erlernt er viele Fähigkeiten neu, welche er durch den Tramunfall verlor.

Beratung

Als Manon C. 16 Jahre alt war, erlitt ihre Mutter eine Hirnblutung. Sie wohnte damals noch zuhause. Zusammen mit ihrem Vater hat sie sich um die Mutter gekümmert. Für Manon war es schlimm nicht zu wissen, ob die Mutter überlebt und wie es ihr danach gehen wird. Auch die erste Zeit, als die Mutter wieder zu Hause war, war belastend und anstrengend. Heute lebt die Mutter alleine, obwohl sie im Rollstuhl sitzt. Manon und ihre Mutter haben ab 2015 gemeinsam Hilfe bei «FRAGILE Suisse» gesucht – einerseits, um die Wohnsituation für die Mutter abzuklären und andererseits, um den allgemeinen Papierkram erledigt zu bekommen.

Weitere Informationen zu «FRAGILE Suisse» findet ihr unter www.fragile.ch

(nsc)

Kritik
von Alina Haag, Luana Spinnler, Elif Soysal und Milena Steiner

Die Idee
Neu leben lernen – Diese drei Worte können vieles bedeuten. In unserem Projekt nehmen wir Bezug auf Menschen, die durch eine Hirnverletzung wortwörtlich das Leben neu lernen mussten und auch heute noch müssen.

Auf die Idee, eine Webserie über Menschen mit Hirnverletzungen zu produzieren, kam die Vereinigung FRAGILE Suisse, die aktuell mit dem ehemaligen MMP-Studenten Jonas Ballmann zusammenarbeitet. Durch eine Ausschreibung, in welcher sie ein Studententeam suchten, die sich dieser Herausforderung stellen wollte, wurden wir vier darauf aufmerksam. Schnell war uns die Zusammenstellung des Teams klar, da wir alle bereits bei anderen Projekten gut und organisiert zusammengearbeitet haben. So bewarben wir uns für dieses Projekt und wurden nach kurzer Zeit für ein erstes Gespräch mit FRAGILE Suisse und Jonas Ballmann nach Zürich eingeladen. Dabei wurden die jeweiligen Vorstellungen der beiden Parteien besprochen und erste Termine vereinbart.

Die Idee: Eine vierteilige Webserie mit und über Hirnverletzte und Angehörige. Pro Film wird eine Person mit einer Hirnverletzung oder ein/e Angehörige/r vorgestellt, welche jeweils eine Dienstleistung von FRAGILE Suisse bezieht. Die ausgewählten Dienstleistungen sind: Selbsthilfegruppe, Begleitetes Wohnen, Kurse und Beratung. Wichtig dabei war, dass nicht nur Hirnverletzte, sondern auch Angehörige eine wichtige Rolle in der Serie spielen. Die Organisation und das Kontaktieren der jeweiligen Protagonisten war Aufgabe von FRAGILE Suisse.

Vorbereitung Allgemein
Nach dem ersten Gespräch in Zürich erstellten wir einen genauen Projektplan. Darin hielten wir die wichtigsten Informationen zur Webserie fest, verteilten die verschiedenen Aufgaben und erstellten einen genauen Zeitplan für die Vorproduktion, Produktion und Postproduktion. Dies war nicht nur für unser Team hilfreich, sondern auch für FRAGILE Suisse, da für vieles jeweils ein Feedback eingeholt werden musste. Die Kommunikation regelten wir über E-Mail oder Telefon. Um ihnen die Dateien zu übermitteln, welche wir für die Filme erstellten (Exposé, Treatment, Drehplan), erstellten wir einen Google Drive Ordner, worauf alle Zugriff hatten. Um für uns selbst einen Überblick über die Aufgaben sowie alle geplanten Termine zu behalten, benutzten wir das Projektmanagement-Tool Asana. Darin war alles gut übersichtlich, wobei wir uns die Aufgaben selbst oder gegenseitig zuweisen konnten.

Recherche
Ausgerüstet und bereit für den nächsten Schritt, wurde uns klar, dass wir noch nicht wirklich viel über das Thema Hirnverletzung und die davon betroffenen Menschen wussten. Bevor wir also mit dem Planen der Drehtage beginnen konnten, setzten wir uns mit der Recherche auseinander. Mit Prospekten und Informationen aus dem Internet, die uns FRAGILE Suisse zur Verfügung gestellt haben, machten wir uns mit dem Thema vertraut. Dies reichte jedoch nicht aus, um wirklich zu verstehen, wie ein Mensch mit einer Hirnverletzung im Leben steht. So trafen wir uns mit einer Frau, die vor längerer Zeit einen Unfall hatte und heute noch mit den Folgen der Hirnverletzung kämpft. Das Gespräch mit ihr war höchst interessant und half uns in der Recherche enorm.

Vorbereitung der Drehtage
Mit unserem neu angeschafften Wissen nahmen wir uns den Filmen an. Für jeden Film organisierte FRAGILE Suisse ein Vorgespräch mit den Protagonisten. Mit vorbereiteten Fragen und einem Notizblock in der Hand trafen wir uns mit allen Personen um mehr über deren Geschichte und Leben zu erfahren. Dies war sehr hilfreich, da wir dadurch genau definieren konnten, was im Film vorkommen soll, oder eben nicht. Nach den Vorgesprächen erstellten wir jeweils ein Exposé, ein Treatment und einen Drehplan. Darauf entwickelten wir dann auch die spezifischen Interviewfragen für die Drehtage, wodurch wir steuern konnten, in welche Richtung der Film gehen soll.

Equipment
Bevor wir uns an den Drehort begaben, organisierten wir das passende Equipment. Nebst Mikrofonen, Stativ und Licht, war das wichtigste die Kamera. Hierbei entschieden wir uns für die Canon C100, welche ideal für einen solchen Dreh geeignet ist, da diese zwei XLR-Anschlüsse besitzt. Wichtig dabei war uns, dass die Kamera und das Objektiv immer dieselbe ist. Dadurch war der Stil der Aufnahmen aller vier Filme identisch. Weiter achteten wir stets darauf, dass wir das Equipment frühzeitig in der Technikausleihe reservierten, so dass wir nicht plötzlich mit leeren Händen da standen. Dies ist uns immer gut gelungen. Hier ist noch eine Auflistung vom gesamten Equipment:

  • Canon C100 Mark l Set
  • Funkset Sennheiser AVX
  • Mikrofon Rode Video Mic
  • Videostativ Manfrotto
  • Litepanels Sola Lichtkoffer
  • Faltreflektor 5 in 1
  • Stereo-Kopfhörer Sony
  • Akku Canon
  • Akku Sony 3x

Zusätzliches Equipment für Film mit Swen über die Dienstleistung Kurse:

  • Einbeinstativ iFootage Cobra 2
  • Rode Richtmikrofon NTG-2
  • Audiorecorder Zoom H6
  • Rycote Tonangel
  • XLR-Kabel

Drehtage
Es war soweit – unser erster Drehtag für den Film über die Dienstleistung Selbsthilfe stand vor der Tür. Ausgerüstet mit dem nötigen Know-How, dem richtigen Equipment und viel Motivation, produzierten wir unseren ersten Film für die Webserie. Durch unsere Gruppendynamik, der organisierten Koordination und der gut eingespielten Zusammenarbeit lief alles sehr gut. Der Ablauf bei diesem, wie auch den anderen drei Filmen war immer derselbe: Nach der Begrüssung und einem kurzen Zusammensitzen mit den Protagonisten, bereiteten wir vier uns auf das Interview vor. Währenddessen war unsere Kontaktperson von FRAGILE Suisse vor Ort, um die Protagonisten über das rechtliche zu briefen. Bei den Interviews achtete sie zudem exakt auf den Gesprächsinhalt, sodass alles nach dem Rechten lief. Nach den Interviews, in welchem die Protagonisten über die eigene Geschichte, das heutige Befinden und die beanspruchte Dienstleistung von FRAGILE Suisse sprachen, nahmen wir verschiedene Moodbilder auf. Diese waren bei jedem Film anders, da sie immer auf den Inhalt des Gesprächs angepasst wurden. Während wir bei Sheena ihre Zeichenkünste verfilmten, drehten wir bei Swen in der Küche des Kochkurses.

Postproduktion
Die aufgenommenen Szenen speicherten wir uns zuerst auf all unsere Laptops. Denn sicher ist sicher – niemand möchte am Ende eines Drehtages plötzlich ohne Bild und Ton da stehen. Die vier Filme konnten wir für das Schneiden, Color Graden und Bearbeiten gut auf uns vier aufteilen - jeder erarbeitete mit Adobe Premiere einen Rohschnitt. Wenn jemand mal nicht weiter wusste, halfen wir uns gegenseitig. So kamen wir effizient und ohne grosse Probleme voran. Für die Rohschnitte und später die fertigen Filme holten wir bei FRAGILE Suisse ein Feedback, welche wir mehrheitlich anpassen konnten. Die Musik, welche bei allen Filmen die gleiche ist, erhielten wir von FRAGILE Suisse.

Herausforderungen und Schwierigkeiten
Trotz guter Vorbereitung unsererseits gab es Probleme – einige kleine und einige grössere. Zu den kleinen gehörten Dinge wie beispielsweise, dass wir bei einem Drehtag keine zusätzliche Mikrofon Batterie dabei hatten. Jonas Ballmann, welcher uns immer bei den Drehtagen zur Unterstützung beistand, musste an diesem Tag extra zurück in die Stadt um eine neue zu holen. Ein anderes Mal haben wir für den Film mit Swen ein Einbeinstativ mitgenommen, welches einerseits für die Aufnahmen in der Küche ideal war, da wir nicht viel Platz hatten und andererseits schnell die Höhe des Stativs verstellen mussten. Auf der anderen Seite bemerkten wir dann aber in der Postproduktion, dass viele Aufnahmen verwackelt waren.

Grössere Probleme gab es beim Film mit Urs W.*. Nachdem wir mehrere Tage in den Film investierten und der Drehtag sehr gut lief, erfuhren wir von FRAGILE Suisse, dass wir den Film nun doch nicht verwenden dürfen – und dies einen Tag nach dem Dreh. Wir waren sprachlos! Unsere Kontaktperson bei FRAGILE Suisse hat zu spät erfahren, dass der Inhalt des Interviews problematisch für Urs IV-Rente sein könnte. Die Beratungsstelle von FRAGILE Suisse riet ihm nach dem Drehtag strengstens von der Teilnahme im Film ab, da sie eine Überprüfung seiner Rente durch die IV auslösen könnte. Grund dafür ist, dass er zusätzlich zu seiner 100% Rente in einem sehr kleinen Pensum arbeitstätig ist und im Interview über seinen Beruf sprach. Da er jedoch zu 100% IV-Bezüger ist und somit eigentlich nicht arbeitsfähig, könnte die IV seine Rente reduzieren wollen. FRAGILE Suisse ist diesbezüglich noch in Abklärung und bis dahin, dürfen wir den Film mit Urs W. nicht veröffentlichen. Bei den darauffolgenden Drehtagen achteten wir genauer auf die Interviews bezüglich der IV. Beispielsweise beim Film mit Sheena über die Dienstleistung Begleitetes Wohnen, war uns wichtig, dass die IV nicht meint, dass Sheena von der Kunst lebt oder dies zum Beruf machen will.

Die ganze Situation trübte uns sehr, da wir uns sehr gut mit Urs W.* verstanden haben und uns, wie auch ihm, wichtig war, dass andere Betroffene und Angehörige den Film sehen konnten. Leider können wir an der Situation zur Zeit nichts ändern. Mit einem solchen Risiko ist bei journalistischen Arbeiten grundsätzlich zu rechnen und zu diesen Situationen kann es öfters kommen als gewollt. Wir haben uns auf unsere Auftraggeber verlassen und waren sicher, dass einer Publikation nichts im Weg stand. Trotzdem haben wir viele Erfahrungen sammeln können und gelernt, wie mit solchen Fällen umzugehen ist.

Fazit
Diese Webserie ist unser erstes grösseres Projekt und wir sind sehr stolz auf das Ergebnis. Trotz neuen Herausforderungen und scheinbar unüberwindbaren Hürden, konnten wir das Projekt gut abschliessen. Wir sind froh, etwas geschaffen zu haben, dass hoffentlich viele Personen aufklären, unterstützen und emotionalisieren wird. Rückblickend sind wir um viele neue Erfahrungen reicher und können nun gestärkt in die Zukunft schauen. Und sicher ist: Es wird nicht unser letztes gemeinsames Projekt sein.

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