Nova Helvetia – ein Fotoprojekt

Die Helvetia – das Sinnbild der Schweiz. Eine Frau, die es nicht gibt, aber dennoch überall erkannt wird; auf Münzen, politischen Plakaten, an Statuen und auf Logos. Sie ist die Identifikationsfigur der Nation, seit sie im 17. Jahrhundert erschaffen wurde.

Aber ist sie wirklich das Gesicht der Schweiz?

Auch wir haben nach Gesichtern gesucht. Von Schweizer Frauen, die aber ihre Wurzeln im Ausland haben. Sie leben, arbeiten, studieren hier; sie sprechen dieselbe Sprache, kleiden und verhalten sich ähnlich. Dass sie eine ganz andere Welt fernab des Alpenlandes kennen und ihr Zuhause nennen, das merkt man vielen gar nicht an. Ausser vielleicht an ihren Gesichtern.

Und genau diese Gesichter, die Schönheit dieser verschiedenen Nationalitäten, wollten wir mit Nova Helvetia zelebrieren. Hier findet ihr sie, die «Helvetien» von heute:

Nova Helvetia

Vielen Dank an dieser Stelle an Menno Labruyere und Naomi Wirth für das Bereitstellen der Fotostudios.

(le)

Kritik
von Antonella Nicoli und Sara Lema Vilas

Idee
Ausländer – eine Bezeichnung, die nicht für alle dasselbe Gewicht hat. Die einen tragen sie mit stolz, die anderen schon fast wie ein Brandmal. Aber was ist es, was den Ausländer in der Schweiz als solchen kennzeichnet? Als Doppelbürgerin wird auch Sara oft gefragt, woher sie stammt. Auf die Antwort „aus der Schweiz“ wird meist noch nachgehakt. Erst wenn sie ihre spanischen Wurzeln erwähnt, sind die Leute zufrieden. Es ist ihr südländisches Gesicht, das die Leute stutzig macht.
Die Idee, das Phänomen näher zu untersuchen, hatte sie früh im Semester. Eine Fotoserie sollte es werden, eine Reihe Portraits von Menschen mit verschiedenen Nationalitäten in der Schweiz.
Antonella hatte sich ihrerseits eigentlich geschworen, für einmal keine fotografischen Projekte für Digezz umzusetzen. Als Sara ihr die Zusammenarbeit vorschlug, gefiel ihr die Idee aber so gut, dass sie kurzerhand zusagte.

Umsetzung
Location:

Das Projekt sollte dieses Semester realisiert werden und möglichst viele Menschen beinhalten. Wir fragten in unseren Heimatorten St.Gallen und Glarus nach möglichen Locations und durften an beiden Orten ein Studio “ausleihen“.

Kriterien:
Die Portraitserie sollte einheitlich aussehen und die Schönheit der verschiedenen Nationalitäten zelebrieren. Wir suchten keine repräsentativen Anzahlen oder eine Abdeckung aller Alterskategorien. Stattdessen entschieden wir uns dafür, Frauen im Alter von 18-30 Jahren zu fotografieren, die in der Schweiz leben aber Wurzeln im Ausland haben.
Zudem sollten die Frauen ein schwarzes Shirt und keinen Schmuck tragen. So würde nichts vom eigentlichen Hauptthema ablenken; den Gesichtern.

Recruiting:
Die meisten Models haben wir dank persönlichen Anfragen und öffentlichen Facebook-Posts gefunden. Sie leben oder arbeiten im Umkreis von Glarus oder St.Gallen. Eine Herausforderung war die Koordination der Termine für 19 Frauen. Schliesslich richteten wir uns nach den Daten, an welchen die Locations verfügbar waren, und versuchten möglichst viele Shootings an diesen Tagen anzusetzen.

Shootings St. Gallen, 16. und 17. April:
Während zweier Tagen mussten zwölf Models fotografiert werden. Sie bekamen ein schwarzes T-Shirt und wurden gebeten, vor einem schwarzen Hintergrund auf einen Stuhl zu sitzen. Während etwa 45 Minuten wurden sie dann fotografiert; mal lachend, mal ernst; mal mit zusammengebundenen, mal mit offenen Haaren. Wir wollten uns alle Optionen offen lassen. Den Bildausschnitt und die Lichtverhältnisse versuchten wir bei jedem Model gleich zu behalten, was nicht immer gelang.

Wir schlossen die Kamera durch „Tethered Capture“ an unsere Macbooks an, um die Bilder gleich im Grossformat anzuschauen. Dies verlangsamte uns zwar etwas, weil die grossen Raw-Files zuerst geladen werden mussten, erwies sich aber als sehr praktisch.

Die Models wurden durch ein Blitzset vorne und zwei Standlichtern von hinten beleuchtet. Leider war es nicht möglich, die eigentliche Raumbeleuchtung (von oben) auszuschalten, so dass die Ausleuchtung der Gesichter sehr unregelmässig wurde. Ausserdem hatte die Blitzanlage immer wieder Verzögerungen oder schaltete sogar ab. Dies führte dazu, dass wir einige Bilder nicht verwenden konnten.

Beim Fotografieren wechselten wir uns regelmässig ab. Zwischen einem Shooting und dem nächsten kümmerte sich Sara um die technische Vorbereitung, während Antonella die Interviews führte.

Equipment für St.Gallen:

  • Canon EOS 5D Mk3
  • Objektiv 1.4 50mm
  • Faltreflektor
  • Lichtstative
  • Profoto Off-Camera Blitz-Set
  • Profoto Softboxen
  • Funkfernauslöser

Shooting Glarus, 21. April:
In Glarus waren wir wegen eines Planungsfehlers gezwungen, ohne Standlichter und nur mit Blitzset zu fotografieren. Dies erwies sich in der Nachbearbeitung aber als Vorteil, weil die Beleuchtung ohne die zusätzlichen Lichtquellen gleichmässiger wurde. Von einigen technischen Pannen abgesehen funktionierte hier der Ablauf wieder gleich.

Da sich einige Termine in Glarus aber aus verschiedenen Gründen fast überschnitten, kümmerte sich eine von uns jeweils um das Fotografieren, während die andere bereits mit einem anderen Model das kurze Interview führte. Auch hier wechselten wir uns aber stets ab.

Equipment für Glarus:

  • Canon EOS 5D Mk3
  • Objektiv 1.4 50mm
  • Metz Mecastudio BL-400 Blitz-Set
  • Funkfernauslöser

Bildauswahl:
Nachdem wir alle Models fotografiert hatten, ging es zusammen an die Auswahl der Bilder. Das war bei so viel Material eine lange Angelegenheit mit einigen Zwischenschritten. Schliesslich stand die finale Auswahl fest und wir konnten den Rest der Arbeit aufteilen. Sara kümmerte sich um die Website, Antonella um das Bearbeiten der Bilder und das Verfassen der Texte.

Website:
Da wir kein Budget zur Verfügung hatten und der Abgabetermin näher rückte, wählten wir Wordpress als CMS und suchten ein passendes Theme.

Das ausgewählte Theme „Snaps“ war ein Schnellschuss. Im Nachhinein hätten wir uns mehr Zeit bei der Auswahl nehmen müssen. Mit dem jetzigen Theme hatten wir einen erhöhten Zeitaufwand, um ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Das Layout des Themes entsprach schlussendlich nicht unseren Vorstellungen und so mussten wir selbst einige Anpassungen vornehmen.

Bearbeitung:
Die Nachbearbeitung der Bilder kann in vier Schritte unterteilt werden.

Schritt 1: Der Bildausschnitt
Obwohl wir mit Stativ fotografiert hatten, war der Bildausschnitt fast auf jedem Bild wieder anders. Das lag auch an den unterschiedlichen Körpergrössen der Models. Also galt es zuerst, die Bilder so lange zuzuschneiden, bis sie einigermassen einheitlich aussahen. Nach vielen Versuchen, einen beschleunigten Prozess dafür zu finden, wurde schliesslich mit dem Crop-Tool in Photoshop gearbeitet. Damit kann zumindest sichergestellt werden, dass die Augenpartie der Models auf jedem Bild auf der richtigen Höhe ist. Im Endresultat sind zwar nicht alle Bilder perfekt aufeinander abgestimmt, aber zumindest sieht die Serie etwas einheitlicher aus.

Schritt 2: Das Retuschieren
Wir wollten möglichst natürliche Portraits schaffen, also hätte das Retuschieren eigentlich nicht allzu lange dauern dürfen. Leider galt es aber bei vielen Bildern, die unnötigen Schatten im Gesicht zu entfernen, die durch die falsche Ausleuchtung entstanden waren. So nahm die Retusche die meiste Zeit in Anspruch. Zusätzlich wurden überall die Augen noch etwas hervorgehoben und hier und da ein paar störende Elemente wie abstehende Haare oder Halsketten bearbeitet.

Schritt 3: Die Farbkorrektur
Als die Models die ersten Versionen ihrer Bilder abgesegnet hatten, wurden noch die Farbtöne angeglichen. Die unterschiedlichen Lichtquellen hatten zu Gelb- oder Blaustichen geführt, die es nun zu entfernen galt.

Schritt 4: Die Schwarzweiss-Variante
Für die Vorschau auf der Galerie entschieden wir uns dafür, eine Schwarzweiss-Version zu machen. So sieht die Serie noch einheitlicher aus. Dafür wurden die Bilder nochmals nachbearbeitet, da die Schwarzweiss-Versionen zum Beispiel etwas mehr Kontrast vertragen. Schliesslich wurden die Bilder noch verkleinert und exportiert.

Texte:
Aus der Fülle der Informationen, die die Models uns im Gespräch geliefert hatten, ein paar Sätze herauszufiltern, war nicht einfach. Zumal es vielen schwer fiel, ihre Emotionen bezüglich ihrer Herkunft in Worte zu fassen. Da es in unserem Projekt aber hauptsächlich um die Fotografien gehen sollte, wurden die Texte bewusst sehr kurz gehalten.

Fazit
Unser erster Versuch mit Studiofotografie hat viele Erkenntnisse mit sich gebracht und sich allein deshalb schon gelohnt.

19 Models zu fotografieren und deren Hintergründe zu erfahren war ebenfalls sehr interessant. Die Geschichten, die einige Models erzählt haben, haben uns fasziniert und würden sich eignen, einmal richtig erzählt zu werden.

Für ein nächstes Mal haben wir gelernt, dass die Vorbereitung, ein strikter Zeitplan mit Meilensteinen, sowie die Kommunikation untereinander das A und O für ein erfolgreiches Projekt sind.

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