Petri Heil

Nicht nur ein multimedia Portrait, das multimedia Portrait.

Es ist gerade mal sechs in der Früh.
Erste Sonnenstrahlen ragen über das weite Blau. Nur das schäumende Geräusch von sich aufbrausenden Wellen an Steininseln ist zu hören. In der weiten Ferne erhellen Autolichter das sanfte Grau. Was für eine Stille. Was für ein Freiheitsgefühl. Einzig ein paar pfeifende Vögel begleiten uns bei unserer morgendlichen Arbeit.

Wir stehen also da, gespannt am Seeufer irgendwo im nirgendwo, dort wo sich Murmeltier und Steinbock gute Nacht sagen. Inmitten auf einem der wohl schönsten Pässe der ganzen Schweiz, dem Albula. Am Rande des Palpuognasees.

Dann gehts plötzlich schnell. «Hesch d’Kamera parat?, I han eina dra.» Das metallische Klirren des Köders und das einsetzende Spinnen der Kurbel seiner Fischerrute ist nun zu hören. Dann sehen wir ihn das erste Mal. Er durchbricht die Wasseroberfläche, schiesst in die Höhe und klatscht mit seinem vollen Körpergewicht wieder zurück ins tiefe Blau. Je näher er ihn zieht, desto spannender wird es. «Das isch glaubs an grossa!», motiviert er sich selber und somit auch uns. Wiederum blitzen die blaugrauen Fischschuppen auf und der nach Wasser schnaubende Fischmund öffnet sich. «Das isch a schöna, ha?», er schaut uns mit glitzernden Augen an und uns bleibt für einen kurzen Moment der Atem stehen. Er nimmt dem Fisch den lästigen Köder aus dem Mund und schlingt ihm seine grossen Männerhände um den Körper. «Es isch de hammer!», «Echt top», uns scheinen die Worte für dieses schöne Geschöpf zu fehlen. Wir schiessen Bilder vom Fang und nach nur wenigen Sekunden des Erfolges, befreien wir den Fisch aus unserer Umklammerung, legen ihn ins Wasser und lassen ihm den Freiraum, den wir uns an diesem Morgen ebenfalls selber wünschen. Im klaren Wasser sehen wir ihn davonschwimmen, Flossenschlag um Flossenschlag, Kiemenzug um Kiemenzug. «Hesch alles im Kaschta?», fragt er uns. Wir nicken schmunzelnd.

Anbei ein kleiner Vorgeschmack, was euch auf den Seiten unseres Multimedia-Portraits erwartet.

Begebt euch auf die Reise des Ronny Camenisch, durchstöbert unser Multimedia-Portrait und spürt die Leidenschaft. Und wenns euch auch gepackt hat, dann lassts uns doch in den Kommentaren wissen.

Petri Heil

(ae)

Kritik
von Matteo Senn und Lucas Nold

Als wir dieses Semester gemeinsam nach einem geeignetem Digezz Projekt suchten, und nach zahlreichen Ideeannährungen immer noch einen leeren Flipchart gegenüberstanden, schworen wir uns eines: “Wenn’s was wird, dann mit Leidenschaft”! Und so kramten wir in den verstaubten Archiven unserer Gehirns und unserer Lebenswege, solange bis Lucas das Schweigen und Scheitern plötzlich mit dem langersehnten “Aha-Moment” durchbrach.

Wir wollten was regionales, wir wollten was leidenschaftliches, wir wollten was das jeder zu kennen scheint und wir wollten jemand, der was zu erzählen hatte. Und wir fanden ihn, den Idealtypen, in Ronny Camenisch. Ronny Camenisch ist ambitionierter Sportfischer und hat im vergangenen Jahr einen der grössten Fische der Schweiz gefangen. 94 Zentimeter und 8.2 Kg wog das Prachtexemplar.

Ja Ronny Camenisch sollte es sein. Doch Ronny Camenisch ist nicht nur der Fischer, der das Riesending gefangen hat, sondern noch vielmehr. Wir wollten das Augenmerk also nicht nur auf das Fischen legen, sondern die ganze Person Ronny Camenisch portraitieren. Das Endprodukt sollte ein Multimedia Reportage werden. Wir stellten uns vor dem Arbeitsbeginn die Frage:

Wie macht man, wir, eine multimedia Reportage im Portrait Style möglichst einfach aber trotzdem erlebnisreich?

Wir entschieden uns bewusst, unser Produkt im Bündner-Dialekt zu halten und unseren Protagonisten zum Erzähler werden zu lassen. Denn es war uns ein Anliegen, einen authentischen Einblick in das Thema zu ermöglichen.

Workflow
1 sortieren von Fotos
2 auswählen von Interviewssequenzen
3 definieren von Interviewsequenzen (Audio, Video, Foto)
4 Postproduktion Videos
5 Bearbeitung Fotos
6 erstellen von Reportage auf Web (Pageflow kennenlernen) → Gratisversion taugt schon recht viel, kaufen wäre längerfristig zu teuer

Wie es uns die Augen öffnete
Ronny Camenisch. Er war der Schlüssel zu unserer Geschichte. Lucas kannte Ronny aus seiner Zeit als Unihockeyspieler. Mit seiner baumlangen Statur, dem Vollbart und vielen Tattoo's wirkt er auf den ersten Blick einschüchternd, doch bereits nach den ersten Gesprächen war klar, dass wir einen erzählfreudigen, bodenständigen Protagonisten mit leuchtenden Augen für seine Leidenschaft gefunden haben. Bereits nach den ersten Gesprächen am Telefon und anschliessend am ersten Tag der Interview Sequenz bei ihm, in seinem Fischerraum, war klar, dass wir Ronny die Geschichte erzählen lassen. Er ist also nicht nur unser Protagonist, sondern auch der Erzähler.

Wir beide hatten wenig Erfahrung bezüglich der Fischerei. Dies war wohl auch ein Faktor, welcher für die einfache und angenehme Zusammenarbeit verhalf. Denn so waren wir gezwungen, viele Fragen zu stellen und vielleicht auch solche, welche ein Experte gar nicht stellt. Für uns beide war der Lerneffekt gross, da wir uns einem Thema annahmen, bei welchem wir weder den Über- noch den Durchblick hatten.

Produktion / Konzeption

Die Planung
Wir wussten, dass bei einem multimedia Portrait die Planung wichtig ist. Die Storyline musste von allem Anfang an stimmen. Zuerst haben wir eine Reportage als Erzählform gewählt, mit Ronny als Stellvertreter für alle Fischer im Kanton Graubünden. Wir wollten also eine gesamtheitliche Reportage über das Fischen im Kanton Graubünden machen. Dabei wollten wir auch auf die Fischzucht und auf die Trends wie Urban Fishing eingehen. Doch nach eineinhalb Tagen in der Konzeption merkten wir, dass wir so die Authentizität komplett zu verlieren schienen. Wir stellten unser Konzept um, auf jenes, wie es heute steht. Auf das Konzept, basiert auf einem multimedia Portrait.

Die Produktion
Fischen ist eine schöne Sache, aber auch eine enorm zeitintensive.  Für unser Portrait standen wir nicht weniger als vier Tage an Seeufern, an Wasserfällen, unter Flussbrücken oder auf Steinen inmitten eines grossen Bergsees. Wir fuhren jeweils früh morgens, in der Dunkelheit, los und kamen erst wieder nach Hause, als bereits die Milchstrasse am schwarzen Himmel erschien. Doch es war die perfekte Abwechslung zum Studien-Alltag, denn trotz der Aufnahmen und der ständigen Bereitschaft konnten wir die Natur geniessen. In diesen Tagen schossen wir nicht weniger als 200 GB Filmfootage oder rund 2h Stunden reines Moodfilmmaterial. Dazu kamen rund 350 Fotos und 1.5 Stunden Interviewmaterial. Und wie es schlussendlich dann so ist, braucht man von all dem nur einen kleinen Teil. In diesem Falle war die ganzen Sache aber noch viel abstruser. Ein grosser Teil des Filmfootage konnte nicht verwendet werden, da entweder ein Fisch, inmitten der Sequenz, sich wieder vom Köder losriss oder sich dann gar kein Fisch an der Rute meldete, als wir bereits mit der Linse drauf hielten. Und wenn dann mal ein Fisch dran war, war es sehr schwierig ihn filmisch festhalten zu können, da dieses glitschig glibberige Wesen meist schneller war als unsere Kameralinse.

Doch wieso erzählen wir euch das. Wir wollen euch den Aufwand aufzeigen der hinter einem klein scheinenden multimedia Portrait steckt. Denn die wohl grösste Arbeit war die Postproduktion. RAW-Fotos auswählen und  bearbeiten, Filmmaterial durchstöbern und die richtigen Sequenzen finden, Interview durchhören, eine Storyline setzten und alles transkribieren. Nun aber der Reihe nach.

Beim Bildmaterial achteten wir auf einen einheitlichen Look. Es sollte ein kühler, eher bläulicher, gesättigter Film- und Fotolook entstehen. Dafür schossen wir auch das gesamte Footage bei den Fotos in RAW und beim Film in Slog 3. So war uns dieser Arbeitsschritt auch möglich. In der filmischen Postproduktion war uns nicht nur der eben erwähnte einheitliche Look wichtig, sondern auch ein fein ausgewähltes Sounddesign und eine gut durchdachte Musikwahl.

Bei der filmischen Bearbeitung arbeiteten wir ebenfalls mit digitalen Leaks, sogenannte Flares und Lichtkegel, die wir stilgerecht in die Clips einfliessen liessen.

Wie bereits erwähnt wurde, wollten wir ein authentisches multimedia Portrait entstehen lassen. So wollten wir auch als Interviewsequenzen keine von uns nachbearbeitete Zusammenfassung nehmen, sondern direkte Aussagen einfliessen lassen. So transkribierten wir das gesamte Interview. Dies ist mithin ein Grund dafür, weshalb wir uns für den  Bündnerdialekt und für die Ich-Erzählform entschieden. Zudem entschieden wir uns das Interview bewusst mit zwei Kameras zu filmen. Die Hauptkamera (Sony Fs5, 4K Aufnahme) richteten wir auf einem fixen Stativ und bewegten diese nicht während der Fragen. Die zweite Kamera Canon 70D hatten wir auf einem Einbeinstativ fixiert und mit diesem wählten wir bewusst andere, nicht gängige Bildausschnitte eines Interviews. Die Kamera soll auch ein bisschen shaky erscheinen, um eben die Authentizität zu vermitteln, das Interview nicht geplant zu haben. Durch das 4K Footage und die zweite Kamera hatten wir in der Postproduktion mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Wir hatten also immer mindestens 3 Kadragen zur Auswahl.

verwendete Materialien
Canon 70D
Sony FS5
50mm
Sony Standard Obejtkiv
Rhode NTG2
Tonangel
Zoom H5
Helios Lichtreflektor
AVX Funkset
LED Leuchten
SOLA Leuchten
Einbeinstativ
Videostativ

Aufmachung
Leidenschaft soll es sein, die den User dazu bewegen soll, das multimedia Portrait zu durchstöbern und zu erforschen. Doch wie kann Leidenschaft, ein so herzerwärmendes, aber auch schwieriges Wort in Bild, Wort und Ton gepackt werden. Wie kann ein multimedia Produzent ein Projekt so gestalten, dass es wirkt. Eine Aufgabe, an der wir gewachsen sind. Ob es uns gelungen ist, ist schwierig zu sagen. Wir selbst finden ja, sind aber nun gespannt auf die Inputs unserer Dozierenden und Kommilitonen. Auf jedenfall haben wir versucht mit den bereits erwähnten Stilmittel (Bündnerdeutsch, ICH-Erzählperspektive, shaky camera, nahe ruhige Bilder und sanfte Musik) Leidenschaft zu vermitteln. Um potenziellen Lesern unser multimedia Portrait zu teasen haben wir auf Social Media (instagram und facebook) diverse Kurzclips und Fotos geteilt. Zur Länge der jeweiligen Clips können wir wie folgt Stellung beziehen: Kurz, knapp, fix ist das neue informativ. Wir haben bewusst Ausssagen in den Interview Sequenzen gekürzt und Clips bei rund 30 Sekunden gehalten. Ab 30 Sekunden beginnt dann nämlich das tödliche “thumbnailen” und dieses wollten wir gezielt vermeiden.

Fazit / Kritik
Matteo
Ich sehe unser Projekt als gelungen. Ich selbst fühle die Leidenschaft und hoffe nun, dass sie auch alle anderen zumindest ein wenig spüren. Kindheitserinnerungen, wie als ich früher mit meinem Großvater tagelang auf dem See tummelte, lebten an den Drehtagen wieder auf und wir konnten kaum unsere Kamera von den Fischen fernhalten. Ich hatte bei diesem Projekt einen grossen Lerneffekt. Ein multimedia Portrait habe ich indies noch nie selbst erstellt. Ich neige dazu, die schönen Bilder dem Informationsgehalt vorzuziehen. Bei diesem Projekt achtete ich bewusst darauf, dies nicht zu tun.

Lucas
Leidenschaft einzufangen, war unser definiertes Ziel. Ob wir das geschafft haben? Ich hoffe es. Während der Konzeption stand ich diesem Punkt kritisch gegenüber. Aber es stellte sich heraus, dass wir mit unserem Protagonisten einen Glücksgriff getätigt haben. Selten habe ich jemanden kennengelernt, welcher mit solcher Leidenschaft einer Beschäftigung nachging. Daher war für mich das wichtigste Learning, dass es für ein Multimedia-Portrait eine gute Wahl des Protagonisten braucht. Dies erfährt man nur, wenn man Mut hat, auch dumme Fragen zu stellen. Ein weiteres Learning war, dass man Geduld haben muss, für die richtigen Bilder, Tonaufnahmen und alles weitere. Gut Ding will Weile haben.

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