Realü: Crowdfunding eines Rettungswagens

Unfälle passieren tagtäglich. Ob mit dem Fahrrad, dem Auto oder als Fussgänger. Wir alle sind dieser Gefahr ausgesetzt – auch wenn man selbst oft im Glauben ist, das könne einem nie passieren. Sich das vorzustellen ist verständlicherweise schwer – man will es gar nicht. Was passiert in einem solchen Ernstfall? Was, wenn niemand bereitsteht um zu helfen? Das Bestehen von ehrenamtlichen Rettungsdiensten wie «Realü» kann einem diese Ängste zumindest ein bisschen nehmen. Aber dieser selbstlose Dienst kommt nicht ganz ohne Unterstützung aus.

Bereits über 40 Jahre steht die Rettungsanästhesie Realü im Einsatz und unterstützt die bündnerischen Rettungsdienste in ihrer Aufgabe und bieten diverse Schulungen und Kurse für Fachpersonen und Laien an. Die komplette Realü-Truppe arbeitet ehrenamtlich.

Doch leider reicht die ehrenamtliche Arbeit nicht aus, um ihren Dienst ausführen zu können. Uniformen, medizinisches Zubehör, Geräte und vieles mehr müssen auch finanziert werden. Und ein grosser, unverzichtbarer Kostenpunkt: Der Rettungswagen.

Um einen neuen Rettungswagen finanzieren zu können, hat sich Realü dazu entschieden ein Crowdfunding zu starten («Schwarmfinanzierung» – für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand das deutsche Wort bevorzugt). Und da Bilder viel besser ankommen als alleinstehende Worte, entschieden sie sich zur Produktion eines Crowdfunding-Films.

Doch wie macht man einen Crowdfunding-Film? Was soll im Vordergrund stehen?

Der wichtigste Punkt ist die Authentizität: Niemand möchte jemandem sein hartverdientes Geld geben, wenn er Misstrauen hegt. Im Crowdfunding-Film handelt es sich um echte Leute, die sich für eine echte Angelegenheit einsetzen und leider Gottes echtes Geld dafür benötigen.

Im Film soll diese Glaubwürdigkeit rüberkommen. Natürlich konnten wir in unserem Fall niemanden wirklich verunfallen lassen, der dann von Realü versorgt wird (obwohl die Wunde wirklich erschreckend echt ausssieht). Aber bei der Erstbetreuung des Verletzten haben wir dem Rettungsdienst gebeten, sich so zu verhalten, wie in einem wirklichen Ernstfall. Authentischer gehts nicht.

Des Weiteren ist es wichtig, dass der Film eine interessante Geschichte erzählt. Diese soll den Zuschauer bis zum Spendenaufruf am Ende des Films bei Laune halten – ansonsten war ja alles umsonst.

Informativ soll er auch sein. Ein potenzieller Crowdfunding-Unterstützer möchte wissen, um was es geht und wen er unterstützen kann.

Und zum Schluss darf natürlich auch eine Prise Emotionen nicht fehlen. Die Darsteller sollen echt und menschlich wirken. Der Zuschauer wird direkt angesprochen.

Das Ziel sind 250 000 Franken für einen neuen Rettungswagen. Der Crowdfunding-Film wird auf der Webseite von Realü sowie auf der Seite “100-days.net” veröffentlicht.

Kritik
von Ricardo Alves, Aristea Zachariadi und Loredana Todisco

Vorbereitung

Die Stiftung Realü ist mit dem Anliegen an uns getreten, einen Crowdfunding-Film für ein neues Rettungungsfahrzeug zu produzieren. Während eines kurzen Briefings erhielten wir einen Eindruck ihrer Wünsche. Anhand dieser und des vorgegebenen Budgets erstellten wir ein Konzept und Storyboard. In einer weiteren Sitzung wurden die letzten Details besprochen.

Zur Story haben wir uns folgende Gedanken gemacht:
Ein emotionaler Einstieg (hier Unfall) soll den Zuschauer in den Bann ziehen und zum Weiterschauen anregen. Der Verunfallte wird von der Realü behandelt, um aufzuzeigen, wie wichtig erste Nothilfe-Massnahmen sein können. Hier stehen vor allem die Stifungsmitglieder im Mittelpunkt. Währenddessen wird die Stiftung von einer Off-Stimme vorgestellt. Der eigentliche Shooting-Star ist das veraltete Rettungsfahrzeug, da es letztlich um dessen Ersetzung geht. Am Schluss folgt der eigentliche Spendenaufruf.

Ursprünglich war der Dreh bereits im Oktober an einem Schulungswochenende der Realü in Mathon angesetzt. Doch das schlechte Wetter machte einen Dreh unmöglich. Ein neuer Drehtermin wurde im Dezember angesetzt. Ein passendes Datum zu finden mit so vielen Beteiligten und wo auch noch die Technik in der Ausleihe verfügbar war, war alles andere als einfach. Auch der Gedanke, dass es schneien könnte und die Anfangsszene (Unfall) draussen schwierig zu filmen sein würde, bereitete uns ein wenig Bauchschmerzen. Anders als die Bergbahnen, waren wir froh, dass am 12. Dezmeber noch kein Schnee lag.

Umsetzung

Alle Dreharbeiten wurden dann am 12. Dezember an einem Tag durchgeführt. Im Medienhaus haben wir uns mit unseren vielzähligen Darstellern getroffen, und wir haben ihnen den Ablauf des Drehs erklärt. Ausserdem wurde unser Hauptdarsteller (der Verletzte) geschminkt. Die daraus resultierende Wunde sah erschreckend echt aus.

Eine lockere Stimmung, Kaffee, Tee und Gipfeli verhalfen uns zu einem gelungenen Einstieg in den Tag. Nächstes Mal sollte jedoch auch an Kaffeerahm und Zucker gedacht werden, wenn man sich das anschliessende Gerenne zum gegenüberliegenden Coop ersparen möchte.

Nachdem alles erklärt war, machten wir uns auf den Weg zur Location, für die wir uns entschieden hatten: An der Pulvermühlestrasse vor dem Restaurant Schützenhaus. Es waren genug Parkplätze vorhanden und den Verkehr kann man dort nur als sehr spärlich bezeichnen. Der Leiter der Realü-Truppe war sogar so nett und kümmerte sich darum, dass keine Autos während des Drehs durchfuhren indem er an der einen Strasse Wache stand.

Schnell machten wir uns daran, die verschiedenen Szenen durchzuspielen. Vor allem bei den ersten hielten wir uns ran: Unser "Verletzter" musste während diesen Aufnahmen auf dem kalten Boden liegen. Aristea kümmerte sich um die Kamera, Ricardo um den Ton und Loredana überschaute die ganze Szene und erklärte den anderen Darstellern vorzu was vorsichgeht.

Wir erlaubten uns wenige Fehler, da wir unseren "Verletzten" nicht zu sehr strapazieren wollten mit der Kälte. Er war aber sehr geduldig und blieb konzentriert, was es uns erleichterte.

In den darauf folgenden Szenen war es wichtig einzufangen, wie die Sanitäter sich in einem Ernstfall um einen Verletzten kümmern. Da sie selbst am besten Bescheid wissen, haben wir ihnen vollkommenen Handlungsfreiraum gelassen. Währenddessen lief die Kamera durchgehend, und wir fingen die Momente kontinuierlich ein. Diese Authentizität ist bei einem solchen Crowdfunding-Film entscheidend.

Nachdem der "Verletzte" auf der Trage zum Sanitätswagen gebracht wurde, behandelten sie ihn innerhalb des Wagens weiter. Aufgrund des engen Raumes war dies eine kleine Herausforderung. Aber auch dies war machbar mit Nahaufnahmen des Geschehenden.

Nachdem diese Aufnahmen im Kasten waren, fehlte nur noch das Ende der Szene: Das Sanitätsauto fährt von der Unfallstelle weg. Der fehlende Verkehr an unserem Drehort war uns hierbei sehr willkommen.

Die Dreharbeiten vor dem Restaurant Schützenhaus haben sehr viel Spass gemacht. Wir haben uns rangehalten beim Dreh und waren innerhalb von 3 Stunden fertig – dank der guten Planung. Die Zusammenarbeit mit der Realü-Truppe hat sehr viel Spass gemacht. Alle waren sehr offen, nett und kooperierten wirklich sehr gut mit uns.

Weiter ging es dann kurz nach dem Mittag mit dem zweiten Teil des Drehs. Gian Maria Marri hat sich als Sprecher für den Realü-Crowdfunding-Film bereitgestellt. Diese Aufnahmen machten wir auf dem Parkplatz hinter dem Medienhaus, da der Hintergrund sehr gut zur Umgebung des anderen Drehortes passte, und damit der Rest der Realü-Mannschaft sich im Sitzungszimmer des Medienhauses aufwärmen konnte. Währenddessen haben wir mit Gian zusammen die Aufnahmen gemacht, was sich als schwieriger herausstellte als wir dachten. Das grosse Problem waren die Modell-Flugzeuge, die auf der dahinterliegenden Wiese herumdüsten. Dieser laute Ton war im ganzen Tal hörbar, und er wollte nicht aufhören. Die Tonaufnahmen waren aufrgund dessen sehr oft unbrauchbar. Wir waren in diesem Moment leider nur mit einem Ansteck-Mikrofon ausgestattet. In diesem Fall wären wir sehr gerne auf ein Richtmikrofon umgestiegen.

Wir teilten den Text von Gian in kleiner Abschnitte auf, damit wir die Ruhepausen zwischen dem Lärm ausnutzen konnten, um wenigstens diese aufzunehmen. Unsere Geduld wurde sehr auf die Probe gestellt von diesen fliegenden Plagegeistern.

Schlussendlich haben wir es dann aber doch geschafft. Unser Sprecher Gian hat seinen Job sehr gut gemacht. Vor allem für das erste Mal vor der Kamera. Einzig bei seiner Rede-Geschwindigkeit mussten wir ihn noch ein bisschen zügeln. Aber auch das klappte dann. Die Zusammenarbeit mit ihm war sehr angenehm.

Innerhalb von fünf Stunden hatten wir alle Aufnahmen im Kasten. Wir waren sehr zufrieden, da dies auch der von uns erwarteten Zeit entsprach.

Nachbearbeitung

Die Postproduction nahm einige Zeit in Anspruch. Beim Schnitt konnten wir uns mehr oder weniger an das zuvor erstellte Storyboard halten. Allerdings haben wir uns dafür entschlossen, den Sprecher Gian Maria Marri, erst am Schluss der eigentlichen Aufnahmen mit Bild zu zeigen, weil die Zwischensequenzen sonst den Fluss des ganzen Filmes gestört hätten. Es scheint uns zudem passend, ihn am Ende des Filmes, wo es um den eigentlichen Spendenaufruf geht, einzublenden. Die Bitte um Hilfe wird dem Zuschauer so persönlicher überbracht. Mit Gians Rede-Geschwindigkeit hatten wir beim Schnitt doch etwas zu kämpfen. Wir haben den Off-Ton diesbezüglich im Rahmen des Möglichen nachbearbeitet. Die ganzen Töne sind Orginaltöne vor Ort. Einzig der Ton des drehenden Rades musste auf Free Sound heruntergeladen werden. Als wir die Aufnahme vor Ort machten, redeten einige Leute im Hintergrund, obwohl wir sie ermahnt hatten, leise zu sein. Auf dem Aufnahmegerät war dies nicht zu hören. Erst bei der Postproduction ist uns das aufgefallen.

Wir haben uns bewusst dafür entschieden, den Film ohne Hintergrund-Musik zu realisieren. Dadurch, dass wir die gesamte Geräuschkulisse am Unfallort eingefangen haben und auch noch eine Off-Stimme während dieser Zeit redet, empfanden wir eine zusätzliche Musik als störend. Uns war die Authentizität der Szene und des Gesagten wichtiger als die Emotionalität, die durch ein Musikstück vermutlich noch verstärkt wäre.

Fazit und Gelerntes

Trotz anfänglicher organsiatorischer Schwierigkeiten hat der Dreh komplett an einem Tag stattfinden können. Dank dem guten Einsatz der Realü-Truppe konnten wir effizient arbeiten. Es hat Spass gemacht mit ihnen zu drehen. Auch die Arbeit innerhalb der Produktionsgruppe war sehr harmonisch.

Der ständige Austausch von Ideen und Vorstellungen während des Drehs innerhalb unserer Produktionsgruppe sowie mit der Realü-Truppe, hat den Film auf jeden Fall positiv beeinflusst.

Realü ist sehr zufrieden mit dem Endergebnis. Auch nach dem Drehtag haben sie uns gegenüber nur Lob geäussert. Wir haben den Kundenwunsch erfüllen können. Wir freuen uns sehr.

Gelernt haben wir, dass bezüglich der Tonaufnahme die Umgebung besser eingeschätzt werden muss. Hätten wir in einem ruhigen Raum gedreht, wäre das Ansteck-Mikrofon kein Problem gewesen. Jedoch war diese Mikrofon-Art (vor allem wegen den lauten Modell-Flugezeugen im Hintergrund) für die schlussendliche Situation suboptimal. Nächstes Mal möchten wir für einen solchen Fall ausgerüstet sein.

Ausserdem ist uns nun klarer, was in einem Crowdfunding-Film wichtig ist. Wir hoffen sehr, dass wir Realü mit unserem Film auf ihrem Weg zu einem neuen Rettungswagen unterstützen können.

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