Schöner Zerfall

Sie gehören zum Schweizer Landschaftsbild wie das Gelbe zum Ei: die kleinen, hölzernen und mittlerweile zerfallenen Gaden. Das vor 50 Jahren rege genutzte «Ställchen» findet in der heutigen Landwirtschaft keine Verwendung mehr. Was vorher mit zahlreichen, muhenden Lebewesen und trockenem Heu gefüllt war, ist jetzt voller Spinnennetze, eingestürzten Dachlatten und steht kurz vor dem Einsturz.

Man kennt sie unter dem Namen «Schürli», «Gadä», «Maiensäss», «kleiner Stall» oder «Scheune». In rund 100’000- facher Ausführung sind sie im Alpenraum zu sehen. Schon so lange nicht mehr genutzt, werden sie noch kaum wahrgenommen. Zu gefährlich sind die zerfallenen Holzhütten, und zu lange stehen sie schon verlassen auf den Wiesen der Bauern.

Vor 50 Jahren sah die Situation noch komplett anders aus: Zu jener Zeit konsumierte man noch mehr Milchprodukte und weniger Fleisch. Die «Gaden» dienten damals als Heulager und Überwinterungs-Stelle des Viehs. Dann kam die Mechanisierung. Maschinen beschleunigten die Arbeit und der Viehbestand vergrösserte sich. Handarbeit in den Gaden war nun nicht mehr möglich. Auch das Heu wurde auf einmal nicht mehr in den hölzernen Gaden gelagert, da man das Plastiksilo entwickelte. Dazu kamen verschärfte Vorschriften des Tierschutzes: Vieh in den engen Räumen der Gaden zu halten, liess man nicht mehr zu. Grössere, neue Ställe mit eingebauten Melkmaschinen wurden errichtet.

Die Modernisierung hat die Gaden zu einem nutzlosen Überbleibsel gemacht. Doch was passiert nun mit diesen zahlreichen, leerstehenden Gaden? Abreissen? Oder zu Ferienwohnungen, Asyl- und Obdachlosenheime, Bars oder Ausstellungen umnutzen?Ausserhalb der Bauzonen untersagt das Raumplanungsgesetz, die alten Ställe als Wohnungen zu nutzen. Nur «landschaftsprägende Bauten» dürfen nach bestimmten Kriterien umgebaut werden.

Wir wollen auf diese Problematik aufmerksam machen, und die alten Gaden in eine moderne Form verpacken. Eine Art modernes Imagevideo für die Gaden. Schenkt doch diesen wunderbar charmanten, historischen Prachthäuschen ein wenig von eurer Aufmerksamkeit:

(mm)

Kritik
von Melanie Zanga, Noémie Bont und Sandra Savin

Idee

http://walcherbild.ch/index.php?id=8

In einer Fotoausstellung im Glarner Braunwald dokumentierte der Glarner Fotograf Fridolin Walcher in Bildern das Glarner Gaden-Problem. Was für ein Gaden-Problem dachten wir uns? Davon hatten wir noch nie was gehört. Wir besuchten Fridolins Fotoausstellung und waren vom Thema begeistert. Wie kann man tagtäglich durch die Schweiz fahren, die schweizerische Landschaft geniessen und nicht bemerken, dass über 100’000 kleine Holzhäuschen am zerfallen sind? Und genau so müsste es auch unseren Kollegen und Kolleginnen gehen. Wir nahmen es in die Hand!

Umsetzung

Bildkomposition

Ein moderner Kunstfilm sollte es werden. Das war unsere Idee,die  jungen Konsumenten auf den Schweizer Gaden-Zerfall aufmerksam zu machen. Für die alternativen Schnitte und die Bildkompositionen ließen wir uns vom folgenden Musikvideo von Jarryd James inspirieren:

https://www.youtube.com/watch?v=QQ7XJG0Z2ho

Wir konzentrierten uns auf Bildausschnitte, die in sich Strukturen aufwiesen und auf Bilder die sehr kontrastreich waren. Dazu spielten wir mit den Effekten hell/dunkel und dem Einsetzen von Rauch mittels Räucherstäbchen. Ein starres Bild wollten wir vermeiden und filmten deswegen aus der Hand.

Orte finden

Für die Locationwahl nahmen wir mit dem Fotografen Fridolin Walcher Kontakt auf. Er empfahl uns für die Aufnahmen diverse Orte im Glarnerland. Wir vertrauten dem Glarner Gaden-Spezialisten und haben auf eine Rekognoszierung der Ortschaften verzichtet.

Schnitt

Das langsame und mystische Lied Polarstern war perfekt für diesen Kunstfilm. Da es zu Beginn noch zu lange war, kürzten wir es auf knapp 1.5 Minuten. Polarstern eignet sich super um freche, ungewohnte Schnitte zu machen. So wurden die Schnitte auf die gehörten und ungehörten Takte gesetzt. Das macht den Film abwechslungsreich und nicht langweilig.

Colour Grading

Der Film sollte anfangs Schwarz-Weiss (SW) sein. Änderten dann aber schnell wieder unsere Meinung. Denn die schönen Farben die ein Gaden mit sich trägt kommen im SW-Effekt nicht zur Geltung. Wir entschieden uns für Farbe mittels flat (abgeflachter Farbkurve). So wird der Zerfall und das Alter des Gadens zusätzlich wiederspiegelt.

Tracking

Die eingeblendeten Sätze wollten wir mittels Tracking an das wackelige Bild anpassen. Jedoch erwiesen sich die schnellen Bildwechsel als problematisch. Wir haben zwei Versionen des Filmes erstellt, einmal mit und einmal ohne Tracking. Der getrackte Film hat den Handheld-Effekt negativ verstärkt. Das Bild sah unverwackelt und unruhig aus. Daher verzichteten wir auf ein Tracking.

Learnings und Probleme

  • Der alternative Schnitt, den wir anstrebten, erwies sich als sehr schwierig nachzumachen. Da es nicht ganz einfach war den Bildwechsel so auszurichten, dass er auf den Takt der Musik passte,  sah es anfangs schnell nach einem Schnittfehler aus. Nach gefüllten 100 verschiedenen Schnittvariationen passe es doch noch.
  • Bei einem eher ungewohnten Schnitt auf die Musik, muss extrem präzise gearbeitet resp. geschnitten werden. Besten zwischen den 100 Schnittvarationen eine mehrtägige Pause einlegen. Denn irgendwann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
  • Das handheld gefilmte Bild wirkte sehr gut. Jedoch war es oft zu verwackelt, so dass in der Postproduktion lange nach den passenden Bildausschnitten gesucht hatten und einen Stabilisator benötigten. Kombiniert mit einigen Stativ-Aufnahmen wäre der Stabilisator nicht zum Zug gekommen.

Fazit

Seit dem Projekt laufen wir mit einem veränderten Blick durch unsere Heimat. Wir sehen an altbekannten Plätzchen plötzlich einen Gaden, wo wir vorher nur eine grüne, flache Landschaft gesehen hatten. Beim nächsten Projekt würden wir sicherlich das Thema Gaden noch größer ziehen und Umnutzungsmöglichkeiten in das Projekt miteinbeziehen. Ansonsten sind sehr zufrieden mit dem Resultat und dem Arbeitsablauf. Wir denken, das Ziel, die Konsumenten auf das Thema aufmerksam zu machen, haben wir mit diesem Kunstfilm erreicht.

Material:

  • Requisiten (Räucherstäbchen, Spiegel)
  • Taschenlampe
  • gutes Schuhwerk (wandern angesagt)
  • Kamera: Canon C100

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