Kunden 1x1

Schwierige Kunden für Anfänger

Zwischen einem herausfordernden, kreativen Projekt und dem Umgang mit herausfordernden Persönlichkeiten, die ein Projekt fast unmöglich machen, gibt es einen bedeutenden Unterschied.

Das durften wir am eigenen Leib erfahren. Dabei haben wir aber auch verstanden, dass wir auf den Input unserer Kunden angewiesen sind. Sie sind es, die die Qualität und den Erfolg des Endproduktes bestimmen. Wir dürfen sie nicht aussen vor lassen. Wenn wir aber nicht den richtigen Input erhalten, den wir benötigen um ein solides Produkt zu erstellen, kostet dies Zeit und raubt dir womöglich deinen letzten Nerv. Während des vergangenen Jahres durften wir das exakte Abbild eines schwierigen Kunden kennenlernen. Der Auftrag lautete:

«Macht aus einem Professor Doktor der hohen irgendwas Künste innert drei Monaten einen Multimedia Producer. Und gestaltet für seine Forschungsarbeit eine Website, die multimedial, dynamisch und anders ist. Ach ja, kosten darf es dann übrigens nix.»

Ja, ja… Wir hätten die Warnsignale viel früher erkennen sollen. Aber hey, bei den Worten «Freistellung vom Interaktive-Medien-Unterricht» wärt auch ihr schwach geworden. Rätzfätz haben wir zugeschlagen und uns das Projekt unter den Nagel gerissen. Tja, wie schön wär’s! Könnte man doch bloss die Zeit zurückdrehen.

Ob nun eine scheinbar gute oder schlechte Kundenbeziehung – alle Persönlichkeiten haben ihre Vor- und Nachzüge. Es liegt aber an uns, diese zu handhaben und jedes einzelne Projekt in einen Erfolg zu verwandeln. Aber wie macht man das?

Wir wollten aus unseren Erfahrungen und Fehlern lernen. Und weil wir so lieb sind, wollen wir diese mit euch teilen. Geteiltes Leid ist halbes Leid, heisst es doch.

Daher findet ihr hier ein kleines 1×1, wie man ein solches Projekt angeht und schwierige Kunden handelt.

(fms)

Kritik
von Olivia Kasper, Myriam Frisano, Jeremy Marugan und Damian Schurtenberger

Nicht eine Sekunde mussten wir zögern. Bei dem Angebot, eine Webseite zu gestalten und im Gegenzug vom Interaktive Medien Unterricht freigestellt zu werden, schlugen wir sofort zu. Nicht in unseren kühnsten Träumen hätten wir uns vorstellen können, was da noch alles auf uns zukommen würde.

Rückblickend, wobei falsch. Rückblickend kann man noch nicht sagen. Das Projekt ist ja nach wie vor nicht abgeschlossen. Aber wir wollen hier mal nicht alles in den Dreck ziehen. Ja, das Projekt war nervenaufreibend. Ja, das Projekt war ’ne gute Ladung mehr Aufwand als der reguläre IM-Unterricht. Und ja, wir wollten zwischenzeitlich mehrmals das Handtuch schmeissen. Aber eigentlich war es gut, dass wir in diesem geschützten Rahmen eine solche Erfahrung machen durften. Schliesslich wird ja hier im Studium ständig propagiert, dass etwas auch mal schief laufen darf. So blöd es auch klingen mag, aber aus Fehlern lernt man tatsächlich am meisten. Denn ja, auch wir hätten einiges besser machen können.

Ursprung allen Übels
Was der gravierendste Fehler überhaupt war? Wir haben nie schriftlich festgehalten, wie unser Auftrag lautet. In der ersten Hälfte des Projekts hat sich das Ausmass dieses Fehlers immer stärker abgezeichnet. Jede beteiligte Partei hatte andere Vorstellungen von dem, was zu erbringen war. Der Kunde kam zum ersten Briefing und wir stellten fest, dass er noch nicht einmal wusste, was erforscht werden soll. Aber dass das Endprodukt fancy, multimedial und neu sein sollte, dem war er sich sicher. Wir haben den Auftrag jedoch mit der Bedingung, kein Konzept erstellen zu müssen, angenommen. Da wir anfangs den Auftrag abgelehnt hatten, kamen uns die Dozenten entgegen. Dieser Part des Auftrages würde wegfallen. Wir müssten uns nur um die Umsetzung der Website kümmern. Kein Konzept, nix. Doch was haben wir das erste halbe Jahr gemacht? Nichts anderes als an dem Konzept gearbeitet.

Per se ist das ja der beste Weg, um zu einem einheitlichen, zielorientierten Produkt zu kommen. In unserem Fall der Webseite. Aber das war grundsätzlich nicht unser Auftrag. Aber wir hatten keine andere Wahl, als den Kunden an die Hand zu nehmen und gemeinsam in mehreren Sitzungen zu evaluieren, was denn nun erarbeitet werden soll. Denn wir konnten uns auf keine schriftliche Vereinbarung stützen. Und so prasselten nah dies nah immer mehr Aufgaben auf uns ein.

Wer darf was?
Stichwort Rollenverteilung. In unserem Projektteam kein Problem. Da war uns allen ohne Absprache sofort klar, wer für was zuständig sein würde. Doch wie stand es um unseren Auftraggeber? Unsere Dozenten?

Sollen wir ehrlich sein? Wir wissen es bis heute nicht. Auch wenn auf unsere Nachfrage hin eine Sitzung zu diesem Problem einberufen wurde, eine konkrete Weisung ergab sich daraus nicht. Zwar konnten wir dann in der Mitte des ersten Semesters endlich einmal die Kommunikationswege festlegen. Doch niemand konnte uns sagen, wer bei dem Projekt das Schlusswort hat. Üblicherweise ist das natürlich der Kunde. Aber wann dürfen die Dozenten eingreifen? Schliesslich fand das Projekt im Rahmen des Unterrichts statt.

Fluch und Segen zugleich
Die Anwesenheit der Dozenten war ein heikles Thema. Einerseits haben sie sich sehr zurückgehalten und uns machen lassen. Und in den entscheidenden Momenten haben sie trotz allem durchgegriffen. Dafür sind wir ihnen unglaublich dankbar. Doch bereits zu Beginn des Projektes haben wir schnell realisiert, dass unserem Wort nur selten Glaube geschenkt wurde. Oder wir für voll genommen wurden. Erst wenn die Dozenten etwas bestätigten, glaubte es der Kunde. So kam es auch, dass der Kunde ohne unserem Wissen mehrere andere Experten zu Rate zog. Und so bei jeder Besprechung in der Konzeptphase mit neuen Ideen ankam. Die alten Vorschläge? Verwerfen! Das hier ist viel besser.

Montagsmaler
Ja ja, verwerfen gehört dazu. Wir wissen, verstehen und heissen dies ja auch gut. Aber es waren oftmals 180°-Wendungen. Oder etwas, das zu Beginn komplett ausgeschlossen wurde, sollte nun als Ideal dienen. Wir waren verwirrt. Viele Sitzungen haben wir damit verbracht, Argumente vorzubringen, weshalb gewisse Sinneswandel und Wünsche nicht empfehlenswert sind. Da mussten wir ausholen und stichfeste Argumente liefern. Eine Pinnwand mit vielen bunten Post-It’s als Startseite? Vielleicht im ersten Moment eine hübsche Idee. Aber mobile eine Katastrophe.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es enorm viel Geduld und Flexibilität beansprucht, einen Kunden mit wissenschaftlichem Background zu betreuen. Visuelles Vorstellungsvermögen? Fehlanzeige. Schlichtweg alles musste skizziert oder als Prototyp umgesetzt werden. Der Mehraufwand lohnt sich aber allemal. Ansonsten ist der Kunde wie ein Hundewelpen – er lässt sich von allem möglichen ablenken. Mit klaren Visualisierungen übernimmt man die Führung und kann Schritt für Schritt aufzeigen, was wie funktioniert oder eben nicht. Und dank der Visualisierung wurde uns dann auch mehr Vertrauen geschenkt.

Ach, du liebe Kommunikation
Wir müssen aber selber eingestehen, dass unsere Kommunikation auch ein grundlegendes Problem war. Zwar wurde alles immer schriftlich protokolliert und zur Abnahme an alle Beteiligten geschickt. Doch wir waren selten proaktiv. Wir haben das Projekt rollen lassen und uns gemeldet, wenn es von uns erwartet wurde. Oder nachdem wir uns getroffen hatten. Kamen aber nie unerwartet mit Ideen oder Rückfragen. Wir haben leider auch erst ab der zweiten Hälfte des Projektes regelmässig die detaillierte Planung unserer Arbeit kommuniziert. Uns war nicht bewusst, dass sich der Kunde ausgeschlossen fühlen könnte. Denn die Zeitplanung mit den Meilensteinen hatte er ja. Das sollte doch reichen. Was sollte ihn die detaillierte Aufschlüsselung interessieren? Denkste.

Wir haben nun endlich gemerkt, dass es ihn weniger interessiert, was wir machen, sondern dass wir etwas machen. Damit er weiss, dass es mit dem Projekt vorwärts geht.

Summasumarum
Ehrlich gesagt können wir es kaum erwarten, das Projekt abzuschliessen. Das Ganze ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Wie geplant werden wir Mitte Januar die erste Finalisierung der Webseite fertig haben. Ob sich anschliessend weitere Projektgruppen der Webseite annehmen werden? Unsicher. Ob der Kunde damit zufrieden sein wird? Wir wissen es wirklich nicht. Ob wir trotz allem darauf anstossen werden? Darauf könnt ihr Gift nehmen.

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