Second-Hand Love

Die Thuner Band «Rooftop Sailors» meldet sich nach intensivem Touring und eineinhalb Jahren Release-Absenz zurück. Die neuste Single, «Second-Hand Love», handelt von aufgebrauchten Herzen und leichtsinniger Hingabe mit lockerer Attitüde. Diese Botschaft haben wir in ein Musikvideo verpackt.

Unser Auftrag war es, in enger Zusammenarbeit mit der Band ein Musikvideo umzusetzen, das den frischen und doch scharfsinnigen Song untermalt, dessen Geschichte es erzählt – und diese zu erweitern. In diesem Video-Projekt versuchten wir vier Stichworte in gutes Storytelling und qualitative Filmaufnahmen umzuwandeln: Musik, Performance, Farben, Attitude. Die Vision war gross, die Anforderungen hoch, das Produkt – nun, das überlassen wir der Öffentlichkeit.

Musikvideo

Making Of

(lhu)

Kritik
von Gabriel Baschung, Till Eberli, Sébastien Ross und Nevio Heimberg

Idee
Musikvideos prägen den Eindruck eines Songs massgebend. Der Künstler erhält nebst dem eigentlichen Produkt – der Musik – die Möglichkeit, eine verbundene Geschichte visuell zu erzählen oder die bereits bestehende Geschichte des Songs zu untermalen, zu erweitern, zu verkörpern. So war es auch das Ziel dieses Musikvideos, visuell ein Narrative darzulegen und dem Song eine weitere Dimension zu geben.

Zur Band
Rooftop Sailors sind eine Alternative-Rock Band aus Thun BE. Die vier Jungs sind seit 2013 zusammen unterwegs und treten seither national wie auch international auf. Nach der ersten EP «Mazes and Dead Ends» (2015) und dem Gewinn der Schweiz-Ausgabe des Internationalen Bandcontests Emergenza im Jahr 2016 folgte im September 2017 mit «Dead Water» die zweite EP. «Dead Water» wurde das Fundament für die musikalische Identität, wie auch für die kommenden Luftsprünge: eine Tour durch Deutschland und England sowie mehrere Auftritte auf deutschen und schweizerischen Openairs krönen die Gig-Historie der Band.

Die Band begann im Sommer 2018 erneut mit einer intensiven Kreativphase, deren Auseinandersetzung mit Sounds und Experimenten sich zu unzähligen Song-Ideen entwickelten. In der Rollschuhdisco-Dance-Rock-Tune «Second-Hand Love» sollte die erste Single nach eineinhalb Jahren Release-Stille Form finden.

Zum Song
«Second-Hand Love» ist eine Tanznummer mit einem zünftigen, unverkennbaren Hauch Desert-Rock. Der Song behandelt die Gefühlslage zwischen zwei Menschen und beschreibt die abgetragene Liebe, das bereits ge- oder verbrauchte Herz einer Person. Der Protagonist besingt eine Frau, die für ihn eine Romanze sein könnte, doch beide haben ihre schlechten Erfahrungen gemacht und tragen diese sichtbar in ihrer Liebe mit sich (daher: «Second-Hand Love»). Der Protagonist geht die Sache aber auf eine tänzerische, etwas vorwitzige Art an, und will, dass die «Geliebte» ihre Intentionen und Gefühle offenlegt. Derweil ist für ihn klar, dass es für sein gebrauchtes Herz wohl nichts zu verlieren gibt und schüttet seine Gedanken aus, gibt leichtsinnig und locker all seine Emotionen daher. Obwohl ahnungslos, wo er damit hinkommt, setzt er darauf und weiss, dass er ungeachtet der Konsequenzen nicht daran kaputtgehen wird. Der Song zeigt in seinem Soundbild und in der Spielart viel freche Attitüde, verbunden mit stetigem Tanz-Groove und einer Prise Schwermütigkeit.

Konzept
Somit waren auch die Anforderungen an das Musikvideo hoch. Obwohl die Handlung des Songs einfach erscheint, ist die Identität doch auch komplex. Es galt, das Drumherum abzukochen und eine Essenz übrig zu haben, mit der eine eigene Story, erweiternd zu derjenigen des Songs, erzählt werden kann.

In ersten Besprechungen zusammen mit der Band entwickelte sich rasch die Idee mit bunten Anzügen. Ein Performance-Video war von Beginn angedacht, doch die farbige Kleidung würde einen flashy Auftritt garantieren. In Kombination mit dem bunten Fake-RGB-Glitch-Konzept des Schriftzuges auf dem Artwork der Band war so die Farbe gegeben. Dazu setzten wir mit einer komplett, fast klinisch weissen Umgebung einen bedeutenden Kontrast – um die Performance wie auch die Farbe an sich besser zu gewichten.

Des Drehbuch des Videos nahm über unzählige Kreativ-Stunden hinweg viele verschiedene Inhalte an. Ein Grundsatz, der sich bis in die finale Version durchzog war, die Idee des Songs zwar aufzugreifen, aber einfacher und deutlicher darzustellen. Anhand der Farbe konnte leicht dargestellt werden, wie der Protagonist (im Video der Frontsänger, Xandi) im Verbund mit den anderen Performern alles gibt, was er hat.
Nebst den vier Bandmitgliedern sollte es auch eine externe Person in einer eigenen Handlungsebene geben, die die «Liebe» oder «Gefühle» abbekommt, allerdings nicht ganz mit der Performance-Ebene verbunden sein soll. Das Hingeben der Liebe und Emotionen von der Band an die zweite Protagonistin sollte aber nicht einfach unspektakulär sein, sondern auch an sich ein Momentum und Scharfsinn aufweisen. Die Slow-Motion-Aufnahmen des Bewerfen mit entsprechenden Farben schien für uns spektakulär und enthielt genügend Zufalls-Potential. Die Schwierigkeit: es gab nur einen Take pro Farb-Einheit.

Den Knackpunkt stellte jedoch das Verlieren der Farbe dar. Eine einfache Route zu nehmen war keine Option, und so kamen die farbigen Anzüge ins Spiel. Nach etlichen Überlegungen und ausgiebiger Hirngymnastik stellten wir einen Plan zusammen, der minutiös das Verlieren einzelner Stücke der Kleidung regelte. Zudem mussten die Shots dafür explizit geplant sein, sodass wichtige Einstellungen auch gedreht wurden. Auf dem Set bedingte dies sehr kurze Dreh-Sequenzen und konsequente Abarbeitung der klar geplanten Shots – und, sobald ein Jackett entzwei war, gab es kein Zurück mehr.

Insgesamt galt es, ein Video mit optisch ansprechender Atmosphäre und auch verblüffender Handlung in Kombination mit «cooler» Performance zu erschaffen. Wenige Elemente konnten hier viel darstellen: Eine Totale von vorne, viel dynamische Shots von Einzelpersonen. Mit einem Schnitt, der seine Geschwindigkeit und Intensität mit dem Song simultan steigert kann so der Zuschauer gefesselt werden und bleibt interessiert. Einige simple Glitch-Effekte auf sogenannte «Kicks» im Song und das Pacing und anteasen der Slow-Motion-Shots runden das Konzept ab.

Video
Wir setzten uns zum Ziel, das gesamte Musikvideo in einem Tag abzudrehen. Die Location war die Blackbox der HKB. Zu Beginn machten wir uns mit der Location vertraut und räumten alles so um, dass wir die optimalen Drehbedingungen im Raum hatten.

Wir filmten jeweils mit 2 Kameras. Die eine war stets dynamisch und mit viel Bewegung unterwegs, mit der Ronin kamen wir der Band jeweils sehr nahe. Gleichzeitig filmten wir aus etwas weiterer Entfernung mit der zweiten Kamera. Für die Totale verwendeten wir ein Stativ. Wir legten Wert darauf, dass diese Einstellung jedes Mal möglichst gleich aussah. Ausserdem versuchten wir, bei einer Aufnahme den Kran zu verwenden. Dies erwies sich jedoch als unpraktisch, so dass wir im Anschluss darauf verzichteten. Einzige Ausnahme: Für die Szene mit der Frau, die Farbe abbekommt, stellten wir uns auf einen Tisch und nutzten den Kran, um das Gewicht der Kamera zu kompensieren.

Umsetzung und Herausforderungen
Das erste grosse Problem offenbarte sich uns bereits vor Drehbeginn. Wir kamen aufgrund eines Fehlers der BFH nicht in die HKB rein. So harrten wir rund eine Stunde vor dem Gebäude aus, bis wir mit viel Glück einer Studentin begegneten, die ebenfalls in die HKB musste.

Während des Drehens, war vor allem die Lichtsituation anspruchsvoll. Unser Ziel war es, den die Umgebung möglichst ohne jegliche Schatten einzufangen. Ergänzend zu dem vorhandenen Licht an der Decke improvisierten wir mit zusätzlichen Standleuchten. Wir mussten viel ausprobieren, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren.

In der Post-Production hatten wir aufgrund der ungewöhnlichen Idee viel Arbeit mit dem Ordnen der Dateien. Weil die Band sich immer wieder umziehen musste, konnten wir das Lied nie am Stück durchfilmen. Wir nahmen zuerst die erste Strophe auf, anschliessend den ersten Refrain – alles separat.

Making Of
Um dem Zuschauer den Arbeitsprozess und den Tagesablauf eines Musikvideodrehs näher zu bringen, haben wir uns dafür entschieden ein kurzes «Behind the Scenes» Video zu drehen. Dafür wurde die mobile Systemkamera GH5s verwendet. Die Idee war es, das Video vom Musikvideo abzuheben. Dies wurde mithilfe von Einspielern erreicht. Diese lockern das Video auf und zeigen weiter Facetten von einem Musikvideodreh.

Equipment Video

  • GH5S-Set (Behind the Scenes)
  • 2x Sony PXW-FS5 Set
  • Kamerkran
  • Videostativ Sachtler FSB
  • Canon EF 16-35mm
  • Canon EF 24-70mm
  • Canon EF 70-200mm
  • DJI Ronin S Gimbal
  • 2x Sennheiser Richtrohrmikrofon
  • Diverse Lampen und Lichtstative
  • Kontrollmonitor Blackmagic

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