Sexy ist nicht gleich sexistisch. Sexistisch ist eine Werbung dann, wenn sie Geschlechter auf stereotype Weise darstellt, wenn sie Unterwerfung als tolerierbar zeigt oder wenn eine Person als rein dekorativer Blickfang inszeniert wird. So sagen es zumindest die Kriterien der eidgenössischen Lauterkeitskommission. Sie ist das Selbstregulierungsorgan der Werbebranche und Beschwerdestelle bei sexistischer Werbung in der Schweiz.
Aber wo liegt denn das Problem? Wen sexistische Werbung stört, soll doch einfach wegschauen, so ein oft angeführtes Argument in der Debatte um sexistische Werbung. Doch so einfach ist es nicht, denn Werbung wirkt subtil: Die Bilder, die täglich auf uns einprasseln, konstruieren und verfestigen Geschlechterstereotype nachweislich. Wenn Frauen auf Plakaten und im Fernsehen ständig als shoppingsüchtig oder technisch unbegabt dargestellt werden, prägt dies das gesellschaftliche Bild der Frau nachhaltig. Genau so gilt für Männer: Stark und leistungsfähig muss Mann sein. Allzeit bereit seine Potenz unter Beweis zu stellen, wenn nötig mittels Gewalt.
Bilder mit ernsthaften Folgen
Sexistische Werbung führt dazu, das Menschen sich ‘von aussen’ zu betrachten beginnen. Man nennt das Phänomen Selbst-Objektvierung. Und das wiederum steht in direktem Zusammenhang zu psychischen Folgen wie Essstörungen, Depressionen oder Körperscham. Wenn nämlich von allen Seiten her Körper-Schönheitsideale vermittelt werden, die kaum je real zu erreichen sind, so kann das immense negative Folgen für die Psyche (meist) junger Frauen haben. Weiter ist es sehr eindrücklich zu erfahren, dass eine Frau im Schnitt alle 30 Sekunden (!) überprüft wie sie aussieht, ob die Haare noch sitzen oder wie ihre Beine arrangiert sind. Das dabei ein grosser Teil der Aufmerksamkeit und Denkleistung verpufft bleibt nicht ohne Folgen: So schneiden Studien zufolge stark selbst-objektivierte Leute deutlich schlechter ab in Prüfungssituationen und trauen sich weniger politische Einflussnahme und Führungsfähigkeiten zu. Wundert sich da noch jemand ob einem Frauenanteil von 9.1% im Topmanagement von Schweiz Firmen? Wohl kaum.
All diese Fakten sind seit langer Zeit bekannt. Und trotzdem bleibt der öffentliche Aufschrei aus, wenn die nächste Garde von Magermodels die neueste Winterkollektion präsentiert oder Victoria’s Secret zur aktiven Teilnahme am Schlankheitswahn aufruft. Ändern können dies vor allem Werbetreibende in der Schweiz. Sie entscheiden, welche Bilder und Ideale auf Plakaten und in Spots zum Einsatz kommen. Doch solange der Umsatz unter Einsatz von nackter Haut und stereotypen Bildern so einfach zu holen ist, wird sich daran kaum etwas ändern. Hier käme die Lauterkeitskommission ins Spiel. Sie ist die Instanz die Werbetreibende rügt, wenn eine Werbung als sexistisch eingestuft wird. Doch offenbar hat die Selbstregulierung versagt: Von dreizehn Beschwerden wegen geschlechterdiskriminierender Werbung wurden letztes Jahr neun abgelehnt, auf vier wurde nicht eingetreten. Der Grund dafür sind die Kriterien, wonach sexistische Werbung beurteilt wird. Sie sind lassen viel Spielraum für Interpretation. Zu viel.
Was ist sexistisch?
Ein anschauliches Beispiel liefert ein Zürcher Plakat für Sitz- und Liegemöbel mit einer lasziv blickenden Frau auf Sofas. Das Plakat trägt die Überschrift “Verführung”. Hier wies die Kommission die Beschwerde ab. Als Begründung führte sie an, die Frau sei schliesslich bekleidet und wirke selbstsicher. Dies ist nur eines unter vielen Exempeln das deutlich zeigt, dass die Kriterien nicht ausreichend detailliert formuliert sind. Doch wann ist Werbung denn tatsächlich sexistisch? Ich habe im Auftrag der NGO TERRE DES FEMMES Schweiz Kriterien erarbeitet, die eine Antwort auf diese Frage geben sollen.
Bei der Beurteilung einer Werbung ist es wichtig, dass sie in ihrer Gesamtheit betrachtet wird. Das heisst es reicht nicht zu schauen, ob jemand nackt oder angezogen abgelichtet wurde. Wichtig sind immer auch der Kontext und die verwendeten Stilmittel. Das heisst:
- Wo wird die Werbung gezeigt? Folgendes Beispiel wäre andernorts unter Umständen weniger drastisch. Die Werbung aber dort zu platzieren wo bis vor kurzem der Zürcher Strassenstrich war, ist schlichtweg herablassend und stigmatisiert eine ohnehin diskriminierte Berufsgattung weiter.
2. Welche Kameraperspektive wird verwendet? Je nachdem ob Frosch- oder Vogelperspektive werden Leute vor der Kamera geschwächt oder gestärkt.
3. Wie sind die Objekte im Bild positioniert? Fast alle Objekte die zwischen Beine, Zähne oder in den Mund genommen werden rufen sexuelle Assoziationen hervor.
Weitere Kriterien zur Beurteilung sexistischer Werbung
1. Geschlechterklischees
- Frauen sind zickig, shoppingsüchtig, technisch unbegabt oder sehr emotional
- Männer sind rational, unsensibel, triebgesteuert oder einfach gestrickt
2. Darstellung in Arbeits- und Privatleben
- Männer arbeiten (Familienernährer), Frauen beschäftigen sich (Zuverdienerin)
- Frauen stets in haushaltsnahen Tätigkeiten: Es wird vermittelt dass Frauen in der Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau ihre natürliche Erfüllung finden
- Männer tauchen als Experten auf oder sind Ingenieure, Techniker und Führungspersonen
- Freizeit von Frauen besteht aus Shopping, Schönheit und Kaffeklatsch
- Männer treiben in ihrer Freizeit Sport, erholen sich vom Arbeitsalltag oder widmen sich der Familie
3. Sexualisierung und Gewalt
- Frauen und Männer werden auf ihre Sexualität reduziert
- Frauen werden als Konsumartikel dargestellt, Männer als triebhafte Tiere
- Nur Teile von Körper werden gezeigt (meist Beine oder Brüste)
- Brutales, aggressives oder asoziales Verhalten wird dargestellt oder es wird dazu aufgerufen
- Gewaltbereitschaft wird für Männer und Unterwerfung/Duldung für Frauen als wünschenswert inszeniert
4. Schönheitsideale und Körpersprache
- Frauen sind jung, extrem schlank, weisshäutig, langhaarig, kleinkindhaft
- Männer sind stark, muskulös, reif, markig, omnipotent
- Schönheit ist herstellbar/machbar und scheint wichtig für Erfolg, Karriere oder ein erfülltes Leben
- Männer lachen selbstbewusst, selbstzufrieden, stark und überlegen
- Frauen lächeln unschuldig, unterwürfig, freundlich und verlegen
Rollentausch
Die Beispiele illustrieren die Bandbreite sexistischer Werbung und ihre Facetten anschaulich. Wenn sich die Frage stellt, ob eine Werbung sexistisch ist oder nicht lässt sich oft eine sehr einfache ‘Prüfmethode’ anwenden: der Rollentausch. Man stelle sich die dargestellte Person im anderen Geschlecht vor. Wirkt die Abbildung absurd, unpassend oder lächerlich? Dann ist die Chance gross, dass eine geschlechterdiskriminierende Werbung vorliegt. Hier einige Beispiele:
Die Beispiele zeigen, dass bei der Beurteilung von Werbung viel Tiefenschärfe gefragt ist. Erst wenn wir Sexismus aus unserer Gesellschaft verbannen, wird tatsächliche Gleichstellung aller Geschlechter möglich sein.
Mehr Informationen zu sexistischer Werbung, deren Auswirkungen sowie Möglichkeiten sich dagegen zu wehren sind hier zu finden: www.sexismus.ch