Slow Motion – Ästhetik in Zeitlupe

Schon wieder ein Musikvideo in Slow Motion? Dieses Mal nur mit Möwen? Seitdem man sogar mit dem iPhone die Möglichkeit hat, Videos in Slow Motion aufzunehmen, hat sich die Anzahl solcher Clips im Netz vervielfacht. Dies sollte uns jedoch nicht daran hindern, das Ganze aus einer anderen Perspektive anzugehen.

Wir spielten schon länger mit dem Gedanken, uns mit einer Slow Motion Kamera auseinanderzusetzen, jedoch wollten wir nicht einfach Melonen platzen oder Patronen durch irgendwelche Gegenstände jagen lassen. Als der Sänger von Pedro Lehmann auf uns zu kam und seine Vorstellungen für einen Videoclip schilderte, sahen wir die Zeit gekommen, dies in diesem Projekt zu tun. Obwohl Slow Motion Aufnahmen wie Sand am Meer auf verschiedensten Kanälen zu finden sind, war für uns sofort klar, dass die Umsetzung nur in dieser Aufnahmeart funktionieren wird. Uns war es wichtig, Slow Motion als Ausdrucksform einzusetzen. Mithilfe dieser Aufnahmeart sollte im Endprodukt mehr Platz der Ästhetik eingeräumt werden sowie das Ganze entschleunigen. Die heutigen Videoclips leiden meist an einer Reizüberflutung, was wir in unserem Clip vermeiden wollten. Mit der Sony NEX-FS700EK entstanden Aufnahmen, die für das menschliche Auge ansonsten nur noch am Rande sichtbar sind.

Null Grad, zwei Drehtage, sechs Liter Café, acht Stunden Videomaterial und zwölf Kilogramm Brot später:

Kritik
von Ramon Schneider und Sven Wüst

Idee:

Die Ostschweizer Band Pedro Lehmann brauchte für ihre neue Single “You Don’t Know My Mind” einen Videoclip. Nachdem der Sänger der Band seine Vorstellungen und Ideen geäussert hatte, wurde uns schnell bewusst, dass wir die Möwen in Slow Motion filmen möchten. Mit dieser Technik können Dinge sichtbar gemacht werden, die das menschliche Auge im Normalfall nicht wahrnehmen kann.

Konzept:

Kamera: In der Konzeptionsphase machten wir uns Gedanken über die Machbarkeit dieses Videoclips. Uns war bewusst, dass wir mit einer normalen Spiegelreflexkamera von Canon oder Nikon keine Slow Motion Aufnahmen machen können. Um dies umzusetzen, benötigten wir eine Kamera, welche imstande ist, sehr viele Bilder pro Sekunde aufnehmen zu können.

Auf der Suche nach einer geeigneten Kamera stiessen wir auf die Seite des Kulturbüros St. Gallen. Dieses Büro, welches es auch in anderen Städten gibt, wird von Migros Kulturprozent betrieben und bietet unkomplizierte Unterstützung für Kulturschaffende durch nützliche und erschwingliche Dienstleistungen. Wir entschieden uns für die Sony NEX-FS700EK, da diese Kamera bis zu 240 Bilder pro Sekunde in FullHD aufnehmen kann. Mit einem zusätzlichen Metabones-Adapter war es uns sogar möglich, alle handelsüblichen Canon-Objektive anzubringen.

Location: Damit wir viele Möwen an einem Ort zusammenbringen konnten, mussten wir in der Nähe eines Seeufers drehen. Nach der Erkundung mehrerer Orte entschieden wir uns schlussendlich für die Landiwiese in Zürich. An dieser Location stimmte einfach alles, weshalb wir auch in Kauf genommen hatten, dass allenfalls mehr Leute dort unterwegs sind. Zu unserem Glück war es an den Drehtagen noch ziemlich kalt, sodass im Endeffekt wenige Menschen unterwegs waren.

Workflow / Erkenntnisse:

Vor Ort: Da unsere Hauptprotagonisten Möwen waren, konnten wir die Szenen wenig beeinflussen. Wir mussten uns den Gegebenheiten anpassen und zwei Tage lang mit der Kamera auf die Tiere draufhalten, mit der Hoffnung, gute Aufnahmen zu erhalten. Dies führte unter anderem dazu, dass die Dreharbeiten merklich länger dauerten, als von uns im vornhinein angenommen. Da wir von frühmorgens bis spätnachmittags gefilmt hatten, wechselten die Lichtverhältnisse ständig. Dies ist leider auch im Endprodukt gut ersichtlich.

Die Kamera war für uns Neuland. Da sie speziell nur für die Drehtage ausgeliehen wurde, hatten wir leider vor Drehbeginn keine Möglichkeit uns ernsthaft mit der Kamera auseinanderzusetzen. Dadurch haben wir erst am zweiten Tag Funktionen entdeckt, die uns die Arbeit immens erleichtert hätten. So haben wir bemerkt, dass man mit der Sony NEX-FS700EK nicht nur einfach auf REC drücken kann um eine Slow Motion Aufnahme zu starten, sondern dass man die letzten 15 Sekunden, die gerade geschehen sind, auch rückwirkend speichern konnte.

Das Teleobjektiv, das wir dabei hatten, war kaum zu gebrauchen für unsere Aufnahmen mit den Möwen. Die Möwen waren viel zu schnell und unberechenbar unterwegs, als dass wir sie hätten mit dem Teleobjektiv einfangen können.

Post Production: In erster Linie mussten wir sehr viel Bildmaterial durchschauen und selektionieren. Da wir mit 240 Bilder pro Sekunde gefilmt hatten und diese anschliessend auf 25 Bilder pro Sekunde heruntergerechnet haben, entstanden enorm lange Sequenzen. Aus einem 15-Sekunden-Clip mit 240 fps wurde somit ein 144-Sekunden-Clip mit 25 fps. Dies haben wir enorm unterschätzt. Schlussendlich hatten wir an die acht Stunden Filmmaterial, welches wir auf vier Minuten reduzieren mussten.

Zudem mussten wir viel Zeit in das Colorgrading investieren, da die verschiedenen Lichtverhältnisse sich negativ auf das Endprodukt ausgewirkt haben. Oft mussten wir auch gute Aufnahmen in die Tonne treten, da auch mittels Colorgrading kein einheitlicher Look mehr machbar gewesen wäre.

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