Srebrenicas Narben

Gemäss den United Nations High Commissioner for Refugees, (UNHCR) waren 2015 weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von ganz Italien. Mit der Flucht verlieren sie ihr Hab und Gut, jedoch nicht die Liebe und Erinnerungen zu ihrer Heimat. Wie sieht die Zukunft dieser Menschen aus? Wird es für sie eine Möglichkeit geben, in ihre Heimat zurückzukehren?

Am 11. Juli 2015 hat sich das Massaker von Srebrenica zum 20. Mal gejährt. Wir haben ehemalige Flüchtlinge in Bosnien besucht und mit ihnen über ihre Flucht und ihre Rückkehr gesprochen. Wie ergeht es den damaligen Flüchtlingen heute, 20 Jahre nach dem Krieg?

Hier geht es zur Online-Reportage.

Kritik
von Andrea Schädler und Manuela Pfiffner

Idee / Einführung

Statt in einem Praktikum nur die Tonangel zu halten, wollten wir selber ein grösseres Projekt in den Semesterferien auf die Beine stellen. Schnell waren wir uns einig, dass es sich dabei um ein Hilfsprojekt im Ausland handeln sollte. Die Suche stellte sich anfänglich als schwieriger heraus als gedacht. Wichtig war uns dabei, dass beide hinter dem Projekt stehen konnten. Durch Zufall landeten wir dann bei Beatrice Bättig-Staud von der Hilti Foundation in Schaan. Sie stellte und das Projekt von Bauern helfen Bauern vor, welches die Hilti Foundation unterstützt. Schon zwei Tage später sassen wir im Flugzeug nach Bosnien und begannen mit unserer Reportage über ehemalige Flüchtlinge.

Für die Hilti Foundation realisierten wir eine Dokumentation für den internen Gebrauch, welchen wir inzwischen öffentlich zeigen können. Unsere Bedingung für eine Zusammenarbeit war, dass wir losgelöst von der Hilti eine zweite Reportage realisieren dürfen. Dabei war uns war wichtig, dass die begünstigten Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht die Hilti.

Hier geht es zum Hilti Film Houses for Srebrenica.

Herausforderung

Die richtigen Fragen zu stellen ereignete sich schwieriger als gedacht. Zuerst mussten die Antworten übersetzt werden und auf Wiederholungen geachtet werden. Aufgrund des emotionalen Themas konnten die Fragen nicht öfters gestellt werden. Eine Interview Partnerin sprach sehr offen über den Krieg und ihr Leben und als sie vor der Kamera stand, wirkte sie komplett anders. Wir fragten nach einem Statement zur heutigen Situation über das Zusammenleben mit den Serben, zu dem sie sich nicht mehr äussern wollte und abblockte. Daraufhin beendete sie das Interview und die Stimmung am Set kippte schlagartig.

Da wir die Antworten nie verstanden, war es schwierig zu beurteilen, ob diese für den Film geeignet sind oder wiederholt werden mussten. Für uns war jede Wiederholung zu viel, der Übersetzer konnte dies zu Beginn der Dreharbeiten nicht nachvollziehen. Nach dem ersten Tag und mit einem Beispielsvideo wusste er dann Bescheid und achtete besser auf die Wiederholungen.

Der Dreh bei Hashiba war für alle sehr emotional. Für sie war es eine grosse Belastung. Die Frage über die Provokationen seitens der Serben konnte folgedessen nicht wiederholt werden.

Pro Familie haben wir einen, einen weiteren für Schnittbilder (Gedenkstätte usw.) sowie zwei Reservetage eingeplant. Die Anreise zu den Familien nahm oftmals viel Zeit in Anspruch. Damit das Licht nicht zu hell war, durften wir nicht um die Mittagszeit drehen. Der Zeitdruck war dementsprechend hoch. Andrea wurde während den Dreharbeiten krank und so kamen wir trotz zwei Reservetagen unter Zeitdruck. Die Hitze und das starke Sonnenlicht erschwerten unsere Arbeit. Die Aufnahmen gelangen trotz ND-Filter nicht immer wie gewollt. Wir hatten nur ein ND-Filter für zwei Kameras. Entweder waren es sehr heisse Sommertage oder aber es war sehr kalt und regnete stark.

Die Lichtverhältnisse waren in den Häusern nicht optimal. In einem Haus hatte es noch keinen Stromanschluss folgedessen auch kein Licht. Das Licht passend zum Set und zur Stimmung einzustellen fiel und schwer.

Herausfordernd bei Zora war, dass sie sehr ungenau, wage oder gar nicht auf die Fragen antwortete. Folgedessen mussten wir in der Postproduction die Antworten in den Untertitel ergänzen, damit sie für den Zuschauer Sinn ergeben. Zudem passierte uns bei ihr ein Malheur. Beim Dreh dachten wir beide, die andere hat das Haus gefilmt. In der Postproduction stellten wir fest, dass wir keine Aufnahme vom Haus haben. Daher mussten wir mit Schnittbilder vom Haus von Mevlida und Vahid improvisieren. Die Bauern helfen Bauern Häuser sehen alle identisch aus.

Workflow

Recherche / Vorbereitung

Um so ein grosses Projekt trotz sehr kurzfristiger Vorbereitungszeit realisieren zu können, mussten wir sehr flexibel an die Sache herangehen. Uns war es ein wichtiges Anliegen, die Menschen in Srebrenica vor dem eigentlichen Dreh persönlich kennenzulernen. Ohne jegliche Erfahrungen mit traumatisierten Menschen konnten wir nicht einschätzen, wie viel uns die Frauen erzählen und wie weit wir mit den Fragen zum Krieg gehen können. Also reisten wir am 1. Juli 2015 mit Beatrice Bättig-Staud für drei Tage nach Srebrenica und besuchten verschiedene Frauen und Familien, die von Bauern helfen Bauern unterstützt wurden. Schnell wurde uns jedoch klar, dass die Frauen sehr offen mit dem Thema und ihren Verlusten umgingen. Jeweils 2-3 Stunden verbrachten wir bei den Personen, interviewten diese und erstellten so eine erste Vorrecherche für die Reportage.

Wieder zu Hause, machten wir uns daran die Fragen für das Interview vorzubereiten. Dabei unterschieden wir zwischen Fragen für die Hilti Foundation, sowie Fragen für unsere eigene Reportage.

Dreh

Vom 29. Juli - 5. August 2015 reisten wir dann zum zweiten Mal nach Srebrenica, um die Portraits zu drehen. Jeweils einen Tag rechneten wir pro Person/Familie ein. Wir wollten auf jeden Fall genügend Zeit für das Filmen der Interviews, Umgebungen und Eindrücke haben. Almir, ein junger Deutschlehrer aus Srebrenica begleitete uns jeden Tag und fuhr uns zu den Familien. Ebenfalls stand er uns als Übersetzter und Freund jeder Zeit zur Seite. Jeden Abend setze er sich mit uns hin und übersetze die Interviews, welche wir transkribierten.

Postproduction

Die Rohschnitte für die fünf Portraits, sowie das Header-Intro für die Website haben wir aufgeteilt. Damit die Filme einen einheitlichen Stil entwickelten, trafen wir uns alle 2-3 Wochen um uns gegenseitig Feedback zu geben. Auch die Wahl der Musik wurde so getroffen.

Webseite

Da wir die verschiedenen Inhalte in Form von Film, Fotos und Text multimedial aufbearbeiten wollten, entschieden wir uns für eine externe Webseite. Die Filme könnten ohne Webseite kaum bestehen, weil der Kontext zum Krieg nicht gegeben ist. Trotzdem war es schwierig, die geschichtlichen Hintergründe des ganzen Bosnienkrieges einzubinden. Deshalb entschieden wir uns, eine Übersicht über das Geschehene zu geben und auf eine Webseite zu verlinken, die das Massaker von Srebrenica näher beschreibt.

Reflexion

Die Reise nach Srebrenica ist eine Erfahrung, die wir auf keinen Fall missen möchten. Wir haben fachlich aber vor allem menschlich viel gelernt. Wir durften einige Menschen, vor allem starke Frauen, kennenlernen. Rückblickend fallen aber mehrere Details auf, die wir anders machen würden. In Zukunft werden wir auf jeden Fall mehr Recherche betreiben und uns gezielter vorbereiten. Wir merkten erst im Nachhinein, wie wichtig das für die ganze Reportage ist. Vor allem bei einem Thema wie diesem.

Jemand nach dem Tod eines Familienangehörigen zu fragen, erschien uns als respektlos. Da es für sie auch eine Art Therapie ist über die Gehschehnisse zu sprechen, waren die Frauen sehr offen. Während dem Rohschnitt merkten wir, dass tiefgründigere Fragen zum Krieg möglich gewesen wären. Die Antworten wären vermutlich ausführlicher und detaillierter ausgefallen.

Eine Frage wurde nicht unbedingt besser beantwortet, wenn wir diese mehrmals u.a. auch mit anderen Worten stellten. In Zukunft bereiten wir uns besser vor, in dem wir für diese Fälle Reservefragen bereit halten. Die Struktur der Fragen kann auch besser sein. Diese waren zu willkürlich im Kontext zu folgenden Themen gemischt: heutige Situation, Vergangenheit, Blick in die Zukunft, Krieg, Massaker, Famlienangehörige. Aus den einzelnen Antworten eine Story zu kreieren, war dann herausfordernd. Für das nächste Mal müssen wir uns im Voraus mehr auf das Storytelling konzentrieren.

Bei allen Familien haben wir penibel darauf geachtet, dass wir den Ton gut hinbekommen. Bei Hashiba ist der Ton trotzdem schlecht. Obwohl wir den Ton überprüft hatten, waren die Hühner in der Postproduction penetranter zu hören als angenommen. Trotz Bearbeitung in Audition ist es uns nicht gelungen, die Störgeräusche zu entfernen.

Wir haben viel Herzblut in diese Reportage gesteckt und sind uns sicher, dass wir bei zukünftigen Projekten von den gesammelten Erfahrungen profitieren können.

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar