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Studentefueter

Seit 1995 ist der 25. Oktober im Kalender als «Welt-Nudel-Tag» bekannt. Oder wie es für Studierende heisst: Monatsdritter bis Monatsende. Das Klischee, dass sich Studierende nicht gesund ernähren, hält sich konsequent. Doch was, wenn man eine gesunde Alternative anbietet?

Die Fachhochschule Graubünden. Konkreter, das Medienhaus der Somedia. Im ganzen Erdgeschoss werden hier künftige Multimedia Producer ausgebildet. Rund zweihundert sind es zu Spitzenzeiten. Und um 12 Uhr, High Noon, kann man ein interessantes, menschliches Phänomen begutachten. Die Schlange. Ein Studierender nach dem anderen steht an, niemand drängelt, wer zu spät kommt, muss hinten anstehen. Und wofür? Für die wenigen Mikrowellen. Drei an der Zahl, bald soll diese Zahl jedoch erhöht werden.

Drei Mikrowellen auf rund 200 Studierende. Und schaut man auf eine digitale Landkarte, wirkt alles rund herum ähnlich brach. Drei Restaurants in einem halben Kilometer Umkreis. Und ein Restaurantbesuch liegt im Budget eines Studierenden nicht jeden Tag drin. Und weiter? Ein Coop Pronto, Tankstellenshop. Fertigmenüs und Suppe im Becher.

So sieht die Welt der Studierenden tagtäglich aus. Entweder etwas mitbringen oder sich vom kleinen Angebot des Tankstellenshops auf der anderen Strassenseite ernähren. Und was, wenn man den Studierenden ein weiteres Angebot macht?

Vorbereitung:

Auf Anregung durch Liselotte Hofer-Bollinger nahm ich Kontakt mit dem Café Maron auf. Einer Bäckerei, welche gerade beim Bahnhof Chur ihre Filiale hat und neben frischem Brot auch frisch zubereitete Salate und Sandwiches, selbstgemachte Suppen und Wähen anbietet. Und auf Wunsch auch liefert. Rund 40 verschiedene Speisen kann man sich so liefern lassen.

In einem ersten Schritt wurde mit Frau Regula Allamand, der Besitzerin des Cafés ausgehandelt, wie und in welchem Umfang das Experiment stattfinden soll. Während drei Wochen, jeweils an zwei Tagen, war das Fazit. In einem zweiten Schritt wurde das Angebot etwas reduziert, um die Studierenden nicht ganz zu überfahren mit der Reichhaltigkeit. Am Ende standen so 27 verschiedene Esswaren zur Auswahl.

Danach mussten noch die Tage festgelegt werden, an denen die Zmittag-Lieferung angeboten wurde. Vieles sprach für Montag und Dienstag, da gerade durch die Major-Module dann mehr Studierende anwesend sind, da in diesen Blockwochen von Mittwoch bis Freitag keine Garantie besteht, dass man ein Modul besuchen muss. Das Problem hierbei – die Bestellung muss jeweils bis am Vortag um 16 Uhr abgeschickt werden. Da das Café sonntags geschlossen hat, muss es zwei Tage vorher bereits abgeschickt werden. Bei einem Studiengang, welcher auch sehr spontane Änderungen beinhalten kann, ein starkes Gegenargument. Also wurde sich für Dienstag und Mittwoch entschieden, gleich für alle drei Wochen, um eine gewisse Kontinuität zu behalten.

Via Google Drive wurden Bestellformulare, für jeden der sechs Tage eines, kreiert und einmal pro Woche per Mail an die Studierenden verschickt. Und das Projekt konnte während drei Wochen seinen Lauf nehmen.

Ergebnis:

11.44% aller Studierenden haben vom Angebot profitiert.

Anzahl Studierende, die vom Angebot profitiert haben.

Auf den ersten Blick wirkt es ernüchternd. Nur gerade 23 Studierende haben das Angebot genutzt. Wenn man aber die Umstände entschlüsselt, wird diese Zahl gut relativiert:

In der ersten der drei Wochen war die Selbststudiumswoche, in der nur wenige Studierende effektiv in der EduZone sind. In der zweiten Woche hatte etwa das erste Semester Interaktive Medien, was via Livestream von überall gelernt werden kann oder das dritte Semester viele der Fächer in einem anderen Gebäude. Und in der dritten Woche war es bei allen Jahrgängen eine mehrheitliche Kombination aus dem falschen Gebäude oder unterrichtsfreier Zeit.

Bei Feedback-Gesprächen kam ausserdem auf, dass für viele Studierende eben gerade Montag der Tag wäre, bei dem sie auf ein solches Angebot zurückgreifen würden – sie sind am Wochenende bei den Eltern und haben am Montagmittag keine Resten zum Aufwärmen. Was auch gerne genannt wurde, war, dass man schlicht die Erinnerungs-Mails nicht liest – ein altbekanntes Problem bei Studierenden.

86 Menüs wurden im Rahmen des Experimentes geliefert.

Anzahl Menüs, die geliefert wurden.

Doch von denjenigen, die bestellt haben, kam keinerlei negatives Feedback zurück. Viele nutzten das Angebot sogar mehrmals. Insgesamt 86 Menüs gingen so über die Theke. Und der absolute Renner? Die hausgemachte Bündner Gerstensuppe. Fast ein Fünftel aller Bestellungen. Rechnet man die Tagessuppen dazu, kommt man auf stattliche 22% aller Lieferungen.

15 der 86 Bestellungen waren Bündner Gerstensuppen. Vier weitere Tagessuppen.

15 der 86 Bestellungen waren Bündner Gerstensuppen. Vier weitere Tagessuppen.

Das zeigt auch auf, was oftmals als Kritikpunkt angebracht wurde: Das Experiment fand im November statt. Ein kühler, nebliger Monat. Man hat eher Lust auf etwas Warmes als auf einen Salat. Im Mai hätten einige der Nicht-Besteller etwa einen Salat bestellt, so das Feedback. Der Saison angepasstes Essen ist aber auch dem Café Maron ein Begriff – so wurden einige der Speisen während dem Projekt ausgetauscht, um so saisonaler zu sein.

Ein grosser Diskussionspunkt war übrigens – wie könnte es bei Studierenden auch anders sein – der Preis. Allerdings kann man hier kein klares Fazit ziehen. Die Stimmen an «es ist mir zu teuer» hält sich den «das Preis/Leistungsverhältnis stimmt» die Stange. Diejenigen, die etwas konsumiert haben, sind aber definitiv zufrieden.

Ende des Monates wurden dann an die dreissig Kunden die Rechnung gestellt. Mit der Option via IBAN oder via Twint-Applikation zu bezahlen. Während die Mehrheit der Studierenden die Rechnung gleich mit Twint bezahlten, griffen vor allem die Dozierenden und Angestellten der FHGR noch auf die «altbewährte» Methode zurück. Gerade für die grössere Zielgruppe (rund drei Viertel Studierende gegen ein Viertel Angestellte) war damit ein gewisser Komfort geschaffen worden.

Fazit:

Als grosses Fazit, ob sich das Experiment gelohnt hat, kann man sagen: «Ja, aber». Das Angebot wurde geschätzt und es wurde mehrmals gefragt, ob und wann es wieder stattfinden wird. Mit den umgesetzten Kritikpunkten kann man definitiv ein gutes Alternativ-Angebot zu den jetzigen bieten. Denn Studierende sind nicht nur die ganze Zeit am Nudeln essen – die Nachfrage nach gesunden und reichhaltigen Alternativen ist definitiv vorhanden.

(lhu)

Kritik
von Matthias Hug

Aufwand:

Auch wenn dieses Projekt nur nach etwas Text aussieht, beinhaltet das Projekt ansich viele Stunden Aufwand, die ich hier kurz abrunden möchte. (Nicht berücksichtigt sind mehrere Stunden zum Erheben der Daten durch Feedback-Gespräche, Erstellen der Grafiken sowie schreiben und redigieren des Artikels):

  • Vorabsitzungen, Konzept erarbeiten: 2 h
  • Treffen Café Maron, Frau Allamand: 1 h
  • Menüs erfassen, Bestellformulare vorbereiten: 3 h
  • Mail schreiben und beantworten: 1 h
  • Bestellungen erfassen: 3 h
  • Rechnungen erfassen: 3 h
  • Rechnungen, Mahnungen erstellen, versenden: 2 h
  • Z'mittag verteilen: 6 h

Vorbereitung:

Bei der Vorbereitung kann man wenig kritisieren. Das eigens entworfene Konzept hielt stand. Einzig die Wahl des Zeitraumes war etwas unglücklich gewählt. Ich habe hier nur auf den Wochenplan des 5. Semesters geschaut und nicht auf den der unteren Semester.

Für die sechs Daten war Google Drive eine praktische Plattform um die Bestellungen zu erfassen. Wenn das Projekt aber längerfristig durchgeführt wird, müsste etwa eine Homepage aufgesetzt werden.

Durchführung:

Hier gibt es hingegen mehrere Kritikpunkte. Als erstes etwa der Informationsfluss via Mail. Studierende lesen kaum noch Mails. Künftig könnte man hier auf analoge Werbung (etwa Plakate in der EduZone), über die Klassensprecher und Word-to-Mouth-Marketing setzen.

Beim Verteilen der Mahlzeiten gab es drei Probleme. Erstens wurde ein Mal nicht die korrekte Anzahl der Lebensmittel bestellt und es wurde zu spät bemerkt. Das Café Maron lieferte dies problemlos nach, aber es kam zu, für die Studierenden mühsamen, Lieferverzögerungen. Zweitens erfuhr ich erst durch eigene Nachfrage, dass bei einem Bestellwert von unter 65.- CHF eine Lieferpauschale von 8.50 CHF berechnet wird. Drittens ist das Projekt alleine kaum schaffbar. Wäre ich an einem der Daten durch Krankheit oder Vorlesungen verhindert gewesen, hätte jemand für mich einspringen müssen. Dies war zwar mündlich gewährleistet, aber ob es wirklich geklappt hätte, wäre nicht klar gewesen.

Bei den Rechnungen war gerade das Bezahlen via Twint für viele Studierende eine Vereinfachung um die Rechnung fristgerecht zu bezahlen. Nur wenige mussten zum Bezahlen ermahnt werden. Künftig wäre eine Option mit Vor-Ort-Bezahlen praktisch, etwa mit einem QR-Code, welchen man gleich einscannen kann um so den Betrag zu bezahlen.

Fazit:

Das Projekt hat sich definitiv gelohnt, einerseits für die Learnings im Organisieren solcher Projekte, andererseits für die Erfahrungen in der Kommunikation mit einer bestimmten Zielgruppe - jener der Studierenden.

Davon abgesehen hat es gezeigt, dass die Nachfrage nach alternativen Ernährungsquellen in der EduZone (und damit auch für Studierende) vorhanden ist. Studis wollen sich nicht nur möglichst günstig sondern auch etwas abwechslungsreich ernähren.

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