Technikfreak Senior

Wer heutzutage kein Smartphone, keinen Laptop und auch kein anderes, vergleichbares Endgerät besitzt, wird schräg angeschaut. Die einzige Altersklasse, der ein solcher Fauxpas verziehen wird, sind unsere Senioren. Unsere Grossmütter, Grossväter, Uronkel, Grosscousinen und vielleicht Margrit, die alte Dame von nebenan. Eigentlich ist hier das Gegenteil der Fall – man sieht betagte Personen für verrückt an, wenn sie mit einem iPhone in der Hand im Tram sitzen. Was der «Senior-Technikfreak» wohl dazu meint?

Es gibt etliche Stereotypen im Bezug auf ältere Leute. Sie sind langsam, sie hocken nur noch zuhause rum und warten auf ihr Ableben. Und: Sie sind nicht gerade technikaffin. Romano Mondini gehört auch in die Alterskategorie, die von solchen Vorwürfen betroffen ist. Der 89-jährige in der Stadt Zürich wohnhafte Tessiner stellt aber tagtäglich unter Beweis, dass er keinesfalls in eine dieser Schubladen gesteckt werden kann. Er fährt noch immer regelmässig Rennrad und hat wahrscheinlich eine bessere Kondition und mehr Muckis an den «Wädli» als es viele Jungs in ihren «Roaring Twenties» von sich behaupten können. Er engagierte sich bis vor Kurzem als Helfer und Betreuer in einer Schule in Zürich und hilft regelmässig in der Freestyle Halle oder im Vertigo neben seiner Wohnsiedlung aus. Nun gut, man könnte jetzt sagen, dass es viele Alte gibt, die noch aktiv und engagiert sind. Das stimmt wohl auch. Aber Romano hat etwas, was wirklich wenige ähnlich Betagte haben: Eine grosse Affinität für Technik. Er verschickt Nachrichten über den WhatsApp Messenger, schreibt E-Mails auf seinem Computer und tippt manchmal mit annähernd suchtähnlichen Zügen auf seinem Smartphone herum. Ab und zu muss er natürlich auch sein Facebook-Newsfeed checken. Er muss ja schliesslich up to date sein.

Wie kommt es, dass du ein Smartphone der neusten Generation und sogar noch einen ziemlich modernen Computer besitzt? Viele Leute in deinem Alter wollen ja gar nicht erst etwas mit Technik zu tun haben.

Romano: Um mich herum hatten alle Computer und Handys. Du, dein Cousin Manuel, mein Sohn, alle. Dann dachte ich mir: «Jetzt muss ich das auch haben!» Ich fragte mal ein bisschen rum und dann sagte dein Vater, er hätte einen alten Computer, den er nicht mehr braucht und den ich haben könne. Ich hab ihn dann hier eingerichtet und mir das beigebracht. Einen Computerkurs habe ich nie belegt. Das habe ich mir alles selber beigebracht.

Du hast einfach ein bisschen ausprobiert?

Romano: Hier wieder probiert, da wieder probiert. Und wenn da was nicht geklappt hat, wie ich es wollte, habe ich einfach weiterhin probiert bis es funktionierte. Es kam mal einer hier vorbei, ein Computerfachmann, der mich 60 Franken pro Stunde kostete. Ich bat ihn, sich ein Problem anzuschauen, das ich mit meinem Computer hatte. Er hat gesucht und gesucht und nicht herausgefunden, was es war. Als er wieder gegangen war, dachte ich mir: «Gottfriedstutz nomal! Jetzt probier ichs noch einmal.» Und dann hab ichs irgendwie geschafft. Ich kann dir nicht sagen, was ich genau gemacht habe, aber es hat geklappt. Ich gehe nicht systematisch vor. Ich mache einfach etwas und wenns klappt, dann klappts.

Mit dem Handy ist es wahrscheinlich ähnlich, oder?

Romano: Jawohl, mit dem Handy ist es genau gleich. Da habe ich alle Apps installiert, die ich brauche. Fotos, Internet, WhatsApp. Wenn ich bei deiner Grossmutter bin, machen wir viele Kreuzworträtsel. Und wenn wir mal etwas nicht wissen, dann google ich das einfach. Da finde ich sofort die korrekte Antwort. Ich brauche Google sehr oft. Wenn mir etwas wehtut, lese ich Berichte darüber im Internet. Dann weiss ich mehr oder weniger Bescheid.

Du brauchst dein Handy hauptsächlich zur Informationsbeschaffung?

Romano: Ja, um an Infos zu kommen oder um irgendjemandem irgendetwas mitzuteilen. Meinem Sohn, meiner Tochter oder so. Das mache ich mit dem Handy. Oder wenn es etwas Langes ist, schreibe ich ihnen einfach eine E-Mail vom Computer aus. Unsere Kommunikation passiert vollkommen über den Computer oder das Handy. Ab und zu telefonieren wir natürlich auch, klar. Ich muss natürlich auch mein Festnetz ab und zu nutzen. Gestern hatte das zwar eine Störung. Da wollte ich deine Grossmutter anrufen und ihr mitteilen, dass ich heil zuhause angekommen bin. Das Telefon wollte und wollte nicht funktionieren. Zum Glück habe ich ein Handy! So konnte ich sie trotzdem anrufen und ihr Sorgen ersparen. Früher ging man einfach in eine Telefonkabine, um jemanden anzurufen. Jetzt macht das jeder mit dem Handy. Und ausserdem: Wenn du eine Telefonkabine finden willst, musst du zuerst ein paar Kilometer weit gehen.

Wirst du nie komisch angeschaut, wenn du dein supermodernes Handy aus der Tasche holst? Deins ist sogar neuer als meins! 

Romano: Ja, die schauen schon. Wenn ich mit jemandem irgendwo sitze und die zücken ihr modernes Handy, dann nehme ich meines auch in die Hand, um denen zu zeigen, dass auch die Alten das können. Da provoziere ich gern ein bisschen. Die schauen dann schön blöd aus der Wäsche. Das ist lustig im Tram. Jeder kommt rein mit dem Handy in der Hand und wenn ein alter Mann wie ich auch ein Smartphone hat, finden die das komisch. Für uns Alten ist das natürlich auch eine ganz andere Welt heute. Alles ist technisch.

Eigentlich gehörst du ja zu denjenigen Personen, die den technischen Aufschwung, den plötzlichen Internetboom, das erste Handy und sogar schon das Aufkommen des Radios miterlebt haben. Gab es einen Punkt, an dem dir die Technik Angst machte?

Romano: Ja, natürlich. Es ist schwierig für uns, in dieser Zeit zu leben. Für euch Jungen ist das ganz normal, weil ihr gar nichts anderes kennt. Aber wir Alten stossen immer wieder an etwas an, bei dem wir sagen: «Das hatten wir nicht.» Nein, ich muss mich korrigieren. Es ist nicht schwierig, aber belastend. Manchmal versteht man die Welt nicht mehr. Aber dann probiere ich halt wieder rum, bis es klappt.

(le)

Kritik
von Laura Lüthi

Ziel
Das Multimedia Production Studium bietet mir sehr viel Abwechslung, was ich eigentlich in allen Lebensbereichen sehr schätze. Im Bezug auf das Studium gibt es aber noch zwei Bereiche, die meiner Meinung nach besser abgedeckt werden könnten. (Das hier kann auch gleich als leises Appell an die Studienleitung gesehen werden) Wir lernen nicht wirklich, wie man fotografiert, was in vielen Bereichen der Tätigkeit als Multimedia Producer einmal von Vorteil sein könnte. Und: Wir schreiben zwar viel, haben aber nur selten die Gelegenheit, wirklich für ein reales Projekt journalistisch tätig zu sein. Einer dieser beiden «Mängel» habe ich in dieses Digezz Projekt packen wollen. Den Journalismus.

Umsetzung
Romano Mondini ist der Lebenspartner meiner Grossmutter. Man könnte sagen, er ist mein «Ersatzopa». Daher habe ich eine enge Beziehung zu ihm, was die Terminfindung für dieses Interview vereinfachte und die Chancen auf ehrliche und offene Antworten seinerseits erhöhte. Ausserdem hatte ich schon eine grobe Vorstellung, worüber er sprechen werden würde. Ich konnte mich gut vorbereiten.

Für ein nächstes Mal
Romano wusste zwar, worum es in meinem Interview gehen würde. Er hatte aber die Fragen vorher nie zu Gesicht bekommen und hat deshalb manchmal ein bisschen drumherum geredet. Aber so ist er. Er erzählt sehr gerne, was ja auch eine gewisse Authentizität schafft. Für ein nächstes Mal würde ich meinem Interviewpartner aber vielleicht die Fragen im Voraus schon einmal vorlegen, um sicher zu stellen, dass sich die Person weiss, worauf sie sich einlässt. Ausserdem würde ich ein nächstes Mal direkt Fotos von meinem Interviewpartner machen, die thematisch mit dem Interview zusammenhängen. Hier ging es mir zwar lediglich um den Text. Bilder machen aber ein Interview trotzdem interessanter.

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