The Burn – Ein Erfahrungsbericht

45 Grad Celsius, keine einzige Wolke in Sicht, trocken und überall dieser kleine, feine Staub. In dieser menschenfeindlichen Landschaft findet jährlich das «Burning Man» statt, welches 75’000 Besucher anzieht.

«Wieso tun sich das die Leute überhaupt an?» Dies war mein erster Gedanke, als meine Freundin mir das erste Mal vom «Burning Man» erzählte. Sie war auch noch nie da, jedoch hörte ich in ihrer Stimme die Faszination, die sie für diesen Event hatte. Bei genauerer Recherche stellte ich fest, dass niemand wirklich erklären konnte, was das «Burning Man» nun genau ist. Ein Musikfestival? Eine Kunstausstellung? Eine übergrosse Ansammlung von Hippies? Eine utopische Stadt in der Wüste? Nach dem Event würde ich sagen: All dies und noch viel mehr. Die «Burning Man»-Organisation beschreibt das Event jedoch so: Burning Man is a community. A temporary city. A global cultural movement based on 10 practical principles:

  1. Radical Inclusion
  2. Gifting
  3. Decommodification
  4. Radical Self-reliance
  5. Radical Self-expression
  6. Communal Effort
  7. Civic Responsibility
  8. Leaving No Trace
  9. Participation
  10. Immediacy

Erst, nachdem wir uns entschieden hatten am Event teilzunehmen, wurde mir langsam bewusst, wie viel «Arbeit» dies mit sich bringen würde. Vieles musste bis ins kleinste Detail geplant werden. Da wir Studierende sind, konnten wir uns ein halbes Jahr vorher bereits für «Low-Income Tickets» anmelden, welche wir zum Glück auch erhielten. Der Wohnwagen musste ebenso bereits sechs Monate im Voraus gebucht werden, da diese sonst alle ausverkauft sein würden. Wir suchten Foren nach Packlisten ab, die wir auf unsere Bedürfnisse überarbeiteten. Entstanden ist eine Excel-Liste mit fast 200 Zeilen, unterteilt in verschiedene Kategorien.

Pack-Liste

Einmal in LA angekommen, ging alles sehr schnell. Wir hatten zwei Nächte Zeit, um uns vom Jetlag zu erholen, bevor es mit dem Camper auf die Strasse ging. Eine achtspurige Strasse, um genau zu sein, mit einem acht Meter langen Wohnwagen. Eine ganz schön spannende Angelegenheit für uns. Insbesondere deshalb, da unser geplanter Weg von 2000 Kilometern ungefähr den in meinem Leben bis dahin total gefahrenen Kilometern entsprach. Die nächsten drei Tage verbrachten wir hauptsächlich im Auto und in den Walmart-Super-Centers. Der Vorbereitungsstress nahm stetig zu, je näher wir nach Reno kamen. Der ganze Boden unseres Campers musste abgeklebt werden, wie auch alle Fenster. Eine etwas mühselige Arbeit, jedoch zahlte sich diese im Nachhinein beim Putzen aus. Als wir dann mitten in der Nacht vom 25. August 2019 erschöpft aufbrachen, hatten wir kurz Zweifel, ob sich das Ganze lohnen würde. Dieser Gedanke verliess uns aber mit dem ersten Sonnenaufgang in der Wüste von Nevada.

Vor uns zeigte sich eine endlose Schlange von roten Lichtern. Die erste Stunde von Reno in die Wüste war relativ ruhig, doch jetzt nahm der Verkehr stark zu. Wir hatten uns entschlossen, Sonntag um drei Uhr morgens aufzubrechen, damit wir hoffentlich noch vor dem grössten Ansturm auf dem «Burning Man»-Gelände ankamen. Dies stellte sich als die richtige Entscheidung heraus, denn effektiv standen wir etwa drei Stunden still. Die komplette Fahrt von Reno aus dauerte knappe sechs Stunden. Nach der Ticketkontrolle wurden wir erstmals von sogenannten «Greeters» begrüsst. Die merkten natürlich auf Anhieb, dass es sich bei uns um Neulinge handelt. Also mussten wir traditionsgemäss erstmal auf dem staubigen Boden einen «Staubengel» machen. Der Staub werde in dieser Woche allgegenwertig sein, weshalb man sich besser bereits daran gewöhnen solle. Danach durften wir noch mit einem Metallstab auf eine grosse Glocke schlagen und etwas in die weite Welt hinausschreien. Völlig perplex von dieser Bitte, rief ich den Standardspruch, den mir die «Greeters» vorschlugen: «I’m a Burner now.»

Als wir einen Platz gefunden hatten, löste sich die von den letzten Tagen gesammelte Anspannung. Vor allem die Landschaft wirkte sehr surreal. Ich hatte ständig das Gefühl, ich sei auf einem Filmset von Mad Max oder etwas ähnlichem. Nicht nur wegen der Wüste und den Staubstürmen, sondern auch wegen den vielen Art-Cars die mit Musik und Flammenwerfern durch die Gegend fuhren. Zu allererst fingen wir damit an, alle Fenster mit reflektierender Folie abzukleben, um unseren Camper wenigstens ein klein wenig von der Hitze zu schützen. Danach bereiteten wir unsere Fahrräder für die Dunkelheit vor, indem wir sie mit LEDs vollklebten. Nun waren alle Vorbereitungen erledigt und wir waren wahrhaftig bereit für die kommende Woche.

Während dem Verfassen dieses Textes ist mir aufgefallen, dass es mir ähnlich erging, wie den Menschen, die ich bei meiner Recherche gefunden hatte. Es fällt mir relativ schwer, das «Burning Man Festival» in Worte zu fassen. Um trotzdem einen kleinen Einblick zu gewähren, folgt eine Auflistung, wie ein Tag in dieser Woche ausgesehen hatte:

  • 09.30 Uhr: Die Hitze im Wohnmobil wird unerträglich. Zeit, um einen Bagel zu essen und rauszugehen.
  • 12.00 Uhr: Ich bin bereits 3km mit dem Fahrrad durch die Wüste gefahren. Ein Camp verteilt Crushed-Ice in verschiedenen Geschmacksrichtungen, inklusive Wodka, welches wir natürlich dankend annehmen. Wir ruhen uns kurz im Schatten des Camps aus, bevor wir wieder weitergehen.
  • 13.30 Uhr: Ein «Dust Storm» kommt auf. Wir setzen uns auf den Boden, mit dem Rücken zum Wind, setzen unsere Staubmaske und Ski-Brille auf und warten ab. Nach gefühlten 15 Minuten klärt die Sicht ein wenig auf und wir machen uns auf den Weg in die Mitte des Events, das «Central Camp».
  • 14.30 Uhr: Wir hören uns einen Vortrag über die Anfänge des «Burning Man» an. Die Gründer erzählen auch von den Schwierigkeiten, die sie heutzutage haben, um das Event weiter durchführen zu können.
  • Auf dem Weg zurück zum Wohnwagen, kommen wir an einem Camp vorbei, welches Hotdogs ausgibt. Wir stehen hinten an, unterhalten uns mit den anderen, bis wir zufrieden mit den Hotdogs in unseren Händen weiter zu unserem Camper gehen.
  • 16.00 Uhr: Powernap.

 

  • 18.30Uhr: Mit genügend Wasser und etwas zu Essen, nehmen wir unsere Fahrräder und fahren in die Wüste, weg von der Menschenmasse. Den Sonnenuntergang von dort aus zu beobachten ist einfach atemberaubend. Obwohl 75’000 Menschen so nah sind, fühlt man es hier nicht. Alles ist sehr ruhig und ausserirdisch.
  • Zurück beim Wohnwagen, noch vor dem Einbruch der Nacht, bereiten wir unser Abendessen zu: One-Pot-Pasta.
  • 20.30 Uhr: Wir ziehen uns für die Nacht um, denn von den 45 Grad Celsius tagsüber ist nichts mehr zu spüren. Der Thermometer nähert sich nun eher dem Gefrierpunkt.
  • 21.00 Uhr: Mit LEDs an den Fahrrädern und uns selbst brechen wir auf. Die Orientierung ist völlig weg und wir fahren nur noch den blinkenden LEDs, Lasern und Flammenwerfern hinterher.
  • Irgendwo mitten in der Wüste stehen Art-Cars mit ca. zehn Meter hohen Lautsprechern. Es gibt genauso viel zu entdecken wie tagsüber, vielleicht sogar noch mehr.
  • ??.?? Uhr: Zurück im Wohnwagen. Höchste Zeit, bis 9.30 Uhr die Augen zu schliessen.

Was mir am «Burning Man» besonders gefiel, war, dass jede Person ein komplett anderes Erlebnis haben wird. Es ist wie ein Querschnitt durch die Gesellschaft und von jedem Typen gibt es mindestens eine Person. Wie ausgefallen oder normal deine Interessen sein mögen, die Chance ist sehr hoch, dass du diese irgendwie ausleben kannst. Dies war am Anfang jedoch auch eine der grossen Schwierigkeiten. Man blättert durch das Eventbüchlein von 200 Seiten und realisiert, dass man niemals alles sehen und erleben kann. Es war eine Woche geprägt von extremen Kontrasten und komplett neuen Erfahrungen. Kurios fand ich auch, dass Besucher ihre Kinder und Babys mitnahmen. Doch all diese Dinge tragen dazu bei, dass das «Burning Man» mehr als nur ein Festival wird.

Die Fülle von Erfahrungen und Erlebnissen ist in so einem Bericht gar nicht darstellbar. Dies war jedoch auch nicht mein Ziel. Die Cinemagraphs, die in dieser Woche entstanden sind, erzählen ihre eigenen Geschichten. Sie versuchen, genauso wie der Text, einen kleinen Teil dieser verrückten Woche darzustellen und einen Einblick in eine fremde Welt zu gewähren. Ich hoffe auch, dass sie eine gewisse Neugierde wecken, um andere zu ermutigen, die gleiche Reise anzutreten. Sie erfordert viel Planung, jedoch ist es die Mühe auf jeden Fall wert.

 

(bae)

Kritik
von Kaan Baki

Idee

Bei der Planung der Ferien war mir bereits klar, dass ich unbedingt etwas für Digezz machen wollte. Die Chance, Bilder schiessen zu können, die man nicht jeden Tag zu sehen bekommt, konnte ich mir nicht entgehen lassen. Auch die Entscheidung, dies in Form von Cinemagraphs zu machen, fiel sehr früh, da es eine mediale Form ist, die mir sehr gefällt.

Vorgehen

Das grösste Problem war der alkalische Staub, welcher in jede noch so kleine Öffnung gelangt und vor allem der Elektronik schwer zu schaffen macht. Deshalb hatte ich auch nur meine GoPro dabei. Gut verschlossen in einem Druckverschlussbeutel, war sie in einem der Schränke versteckt. Ich wartete auf den perfekten Tag. Da ich möglichst spezielle Bilder haben wollte, sollte es zwar staubig sein, aber nicht so sehr, dass man nichts mehr sah. Als an einem Morgen der Wind relativ stark war, beschloss ich, an diesem Tag auf die Suche nach interessanten Bildern und Orten zu gehen.

Es half mir sehr, von Anfang an zu wissen, dass ich Cinemagraphs produzieren wollte und nicht irgendeine Form von Videos oder Fotos. Dadurch konnte ich sehr spezifisch nach interessanten Motiven Ausschau halten. Ich war auf der Suche nach Shots, welche viel Bewegung beinhalteten, die ich dann im Nachhinein zum Stillstand bringen konnte. Ich denke, dass genau dieser Kontrast dazu geführt hat, dass ich sehr zufrieden mit dem entstandenen Produkt bin.

Der Text, bei dem ich über meine persönlichen Erfahrungen berichte, entstand erst nach einem Gespräch mit den Dozierenden. Es war sehr schwierig, auszusuchen, was ich genau beschreiben wollte. Weshalb ich einfach versuchte, einen kleinen Einblick zu gewähren, aber mich auch auf die Reise dorthin fokussierte, da ich den Hauptteil vom «Burning Man» mit Bildern erzählen wollte.

GIF vs Video

Bei diesem Projekt wurde mir erst richtig bewusst, wie mühselig und veraltet das GIF-Format ist. Riesige Dateien und ein grosser Qualitätsverlust, da nur 256 Farben dargestellt werden können. Auch Photoshop hatte seine Mühe beim Exportieren und ich musste jedes Mal mehrere Minuten warten, wenn ich die Exporteinstellungen verändert hatte. Nach einer Weile gewöhnte ich mich aber an den «Grainy-Look» und fand sogar Gefallen daran. Irgendwie verlieh es meinen Cinemagraphs noch einen gewissen Charm. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob diese Meinung nur durch den Zeitaufwand kommt, der mit der Erstellung verbunden war. Insbesondere der Export war ein sehr langwieriger Prozess. Ich probierte jegliche Einstellungen aus, um zu sehen, welche Version mir am besten gefiel. Photoshop stürzte ausserdem sehr oft ab, weshalb ich die GIFs stark kürzen musste und die Auflösung um mehr als 50% verringert habe.

Fazit

Ich bin sehr froh, dass ich es riskiert habe, meine GoPro mitzunehmen. Cinemagraphs sind nicht mehr neu und viele kennen sie schon. Doch durch die surrealen Motive bieten die entstandenen Bilder meiner Meinung nach trotzdem einen Mehrwert. Zwar sind mir nicht alle gleich gut gelungen, was auch mit der Qualität der verschiedenen Aufnahmen zu tun hatte, jedoch erzählen sie ihre eigenen Geschichten, was wahrscheinlich noch viel wichtiger ist.

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