Traust du deinen Ohren?

Dem Ton kann der Mensch nicht entkommen. Jedermann kennt unzählige Geräusche, mit denen bestimmte Erlebnisse assoziiert werden. Geräusche wie Dröhnen, Trommeln, Klatschen, Reifenquietschen, Detonieren, «Boom» usw. verursachen sofort gewisse Bilder im Gehirn. Trotzdem wird dem Ton bei der Produktion eines Videos häufig viel zu wenig Beachtung geschenkt.

Jeder Blockbuster, jeder Werbespot, jede Dokumentation lebt von den Geräuschen und vom Ton. Selbst der Stummfilm war ohne Begleitmusik undenkbar. Der Ton und die Geräusche sind jedoch mehr als blosse Untermalung. Selbst George Lucas, welcher mit der Star-Wars-Trilogie neue Wege des Sounddesign eingeschlagen hatte, sagte: «Der Ton ist der halbe Film.» Bei ihm wurden die Geräusche vom Nebendarsteller zur Hauptfigur erklärt.

Frage: Was passiert, wenn dich deine Ohren wirklich übers Ohr hauen?

Bitte Kopfhörer für besseres Sounderlebnis anziehen. Es lohnt sich!

Die Geräusche in den 5 obigen Videos sind ausschliesslich von uns erzeugt worden. Während den Videoaufnahmen haben wir bewusst das Mikrofon abgeschaltet und die Videos im Nachhinein mit Haushaltsutesilien nachvertont. Wenn Ihr wissen wollt wie, dann schaut in der Kritik nach.

Kritik
von Marco Egger und Milo Ruder

Ausgangslage / Idee

Während der schon mehrfach produzierten Filmprojekte ist uns immer mehr aufgefallen, dass die Rolle des Tons wichtiger ist, als viele meinen. Der Ton und die Geräusche sind vielfach unbefriedigend: Der Film kann noch so schön sein – wenn der Ton nicht zum Bild passt, zerstört er das ganze Video.

Uns ist auch aufgefallen, dass wir den richtigen Umgang mit der Aufnahme und Weiterverarbeitung des Tons nie richtig gelernt haben. Die Rede war stets vom schönen Bildausschnitt. Dies hat uns veranlasst, uns genauer mit dem Thema «Ton in Videos» auseinanderzusetzen.

Fasziniert von der Wirkung des Tons, beschlossen wir, den Ohren der Zuschauer einen Streich zu spielen, indem man den Bildern nachträglich vertonte Aufnahmen unterlegt. Die Frage, ob dabei im Gehirn dieselbe Stimmung erzeugt wird, wollen wir anhand dieses Beitrages klären.

Recherche / Planung

Schnell sind wir bei unserer Recherche auf Bastelanleitungen für Kindergärten und den Beruf «Geräuschemacher» in Hollywood gestossen. Diese Spezialisten verfügen über einen riesigen Fundus an verschiedensten Gegenständen aller Art, mit denen sie die benötigten Töne und Geräusche produzieren und erzeugen können.

Eine wilde Schlägerei oder eine epische Schlacht können sie mit ein paar unspektakulären Gegenständen wahrheitsgetreu imitieren.

Ein kreativer Werbespot des Vegi-Restaurants Hiltl hat uns zudem inspiriert, jedoch wollten wir mit selber gedrehtem Bildmaterial arbeiten. Darum haben wir uns entschieden, mehrere Stimmungsbilder in der Natur zu drehen – sei es ein gemütliches Lagerfeuer am Rhein oder ein Spaziergang durch den tiefen Schnee.

Hiltl - Sound Designer

Technische Umsetzung

Nach einer längeren Reise durchs halbe Bünderland (Pässe, Täler usw.) hatten wir die Filmszenen im Kasten, und wir machten uns an die effektive Arbeit: das Produzieren der Geräusche.

Eine saubere Tonaufnahme von den selbst erzeugten Geräuschen erschien uns als sehr wichtig. Als Audio-Rekorder verwendeten wir einen «Zoom H5», an welchen wir ein Rode-Richtmikrofon anschlossen. Dies ist eine sehr portable und einfache Lösung, mit der wir dennoch qualitativ hochstehende Aufnahmen machen konnten.

Mit dem Programm Adobe Audition haben wir unsere erzeugten Geräusche zugeschnitten und bearbeitet. Mit der Lautstärke der Geräusche konnten wir eine gewisse Räumlichkeit herstellen. Wird ein bestimmter Ton kontinuierlich lauter, so nimmt unser Gehör diesen als auf uns zukommend (als Bewegung) wahr.

Letztendlich konnten wir die Bilder gut auf den Ton schneiden und unsere kurzen Videos herausrechnen.

Verwendete Materialien

Bei der Auswahl der Materialen, die wir für die Geräuscherzeugung benötigten, war sehr viel Kreativität gefragt. Wir konnten uns einiger Tipps aus dem Internet bedienen, jedoch waren bei Weitem nicht alle unsere Versuche erfolgreich.

Beispielsweise Schneegeräusche mit einem Sack Mehl zu erzeugen, tönte in der Theorie relativ logisch, stellte sich aber in der Praxis als völlig unbrauchbar heraus.

Hier mussten wir auf eine Schüssel mit Salz zurückgreifen.

Hier die verwendeten Materialien:

Brennendes Feuer:
Zerbrechen einzelner Zahnstocher
Rascheln mit kleinen Plastiksäcklein
Zerdrücken von Alufolie

Wind:
Blasen in Gläser mit unterschiedlichen Durchmessern
Blasen in eine gefüllte Glasflasche
Das Gefäss muss mehr oder weniger gefüllt sein.
Nicht geeignet sind leere PET-Flaschen.

Bächlein:
Wasser aus einer Giesskasse über Steine in einer Schüssel giessen.
Je grösser die Schüssel oder das Gefäss, desto authentischer wird der Ton. Dabei ist viel Fantasie gefragt.

Fluss:
Herumexperimentieren mit verschiedensten Stärken des Wasserhahnens und der Duschbrause in verschiedenen Gefässen.

Schritte im Schnee:
Die Faust in eine mit Salz gefüllte Schüssel drücken.
Mehl in einer Schüssel und in einem Stoffsäcklein funktioniert nicht.

verwendete Materialien

Drehorte

Julierpass, Marmorera-Stausee, Lenzerheide, Chur, Rheinufer Chur

Herausforderungen

Das integrierte Mikrofon des Zoom H5 ist sehr gut für Ambiance-Geräusche, jedoch war es nicht geeignet für einzelne Geräusche, da es jene im Hintergrund von jenen im Vordergrund separierte. Vorsichtigerweise haben wir ein Richtmikrofon mit einer höheren Richtwirkung bei der Technikausleihe besorgt. Erst dann waren wir mit der Qualität der Aufnahmen deutlich zufriedener.

Alle Versuche, Regen und Hagel als Geräusche authentisch herzustellen, sind uns misslungen. Darum haben wir nach längerem Experimentieren verzichtet, diese Beispiele in unserem Beitrag zu integrieren. Der Versuch, eine gewisse Menge Reis in eine Kartonschachtel kontrolliert fallen zu lassen, missglückte – und auch als wir gefrorene Erbsen auf Backpapier rieseln liessen, war das Geräusch weit entfernt von authentischem Hagel.

Die Bearbeitung des Tons war eine weitere Herausforderung, da wir zuvor nur rudimentär mit Adobe Audtion gearbeitet hatten.

Als grösste Herausforderung stellte sich das Geräusch des Bachs und des Flusses dar. Beide Geräusche tönen gleichmässig. Die kleinste Ungleichheit im Ton zerstört das gleichmässige Fliessen des Wassers. Je grösser das Gefäss mit Wasser war, desto ruhiger und realistischer tönte danach die Aufnahme. Ein Fluss hat ein tieferes Rauschen als ein kleiner Bach. Durch Loopen des Tons und mithilfe einiger Hall-Effekte konnten wir ein genügendes Resultat erzielen.

Fazit

Dank des ganzen Projekts wurde unser Bewusstsein für die Töne und Geräusche sehr gestärkt. Uns ist nun klar, wie wichtig qualitative Tonaufnahmen sind. Wir werden in Zukunft vermehrt ein Augenmerk auf die Gestaltung der Audiospur legen. Ab jetzt werden nicht nur die Augen der Zuschauer verwöhnt, sondern auch die Ohren kommen zum Zug.

Als weitere wertvolle Erfahrung für unsere Tätigkeit als Filmschaffende sehen wir die Erkenntnis und Wahrnehmung des Berufs «Geräuschemacher». Funktioniert eine Tonaufnahme aus irgendeinem Grund nicht und möchte man nicht auf die Freesounds-Library zurückgreifen, dann kann man den Ton immer noch selbst produzieren.

Wir merken uns:
Unser Gehör lässt sich tatsächlich mit Finessen aus der «Geräuschemacher-Trickkiste» täuschen, im Allgemeinen aber nur bei sehr authentischen Tönen.

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