Unnatural

Eine Kombination natürlicher Künstlichkeit.

Unser Konzept war es, die Gegensätze Natur und Stadt mit entgegengesetzten Lichtquellen zu verbinden. Das Licht des Feuers soll die urbane Gegend glutrot erscheinen lassen. Die kugelrunden Lampen würden wiederum in einer verzauberten, moosbedeckten Schlucht das organische System der Natur mit synthetischem Licht ausgestalten. Die Serie soll Neuheit in nüchterne und pragmatische Natur bringen und das altbekannte Element des Feuers Ruhe und Moderne in städtischen Raum.

Die Schlussbilder der Serie sind hier zu sehen:

(mm)

Kritik
von Ann Ziegler und Kevin Wildhaber

Die Idee

Unser Konzept war es, die Gegenpole Natur und Stadt mit entgegengesetzten Lichtquellen zu verbinden – eine Kombination natürlicher Künstlichkeit. Das Licht des Feuers soll die urbane Gegend glutrot erscheinen lassen. Die kugelrunden Hauslampen würden wiederum in einer verzauberten, moosbedeckten Schlucht das organische System der Natur mit synthetischem Licht ausgestalten. Die Serie soll Neuheit in eine nüchterne und pragmatische Natur bringen und das altbekannte Element des Feuers in städtische Ruhe und Moderne.

 

Umsetzung

Bevor wir zur Realisierung des Projekts fortschreiten konnten, war der erste Schritt die Konzeption und Planung auszufeilen. Unser Fotografie Projekt sollte innerhalb von zwei Tagen an zwei unterschiedlichen Locations entstehen. Bei der Auswahl der Orte war die Verbindung von Natur und Urbanität ausschlaggebend, was uns für die erste Location nach Avers Juf, in die Berge Graubündens und nach Zürich City als zweite Location brachte.

Nach einer Phase intensiven Brainstormings stellten wir ein kleines Storyboard zusammen, um eine Materialliste und einen groben Zeitplan erstellen zu können. Dadurch war es uns auch möglich, die Ansprüche und Ideen des Anderen anzuhören, um einen gemeinsamen und befriedigenden Konsens zu finden. Es war jedoch schon früh klar, dass wir mit ziemlich identischen Vorstellungen in dieses Projekt gestartet sind.

Der erste Shooting Tag begann folglich im wilden Avner Tal, wo wir nicht nur eine ganze Kameraausrüstung, sondern auch Lampen und einen Benzingenerator mitschleppten. Trotz umweltunfreundlichem Charakter des Benzingenerators, ermöglichte uns das gute Ding an den beliebigsten Orten in der Natur Strom für die Lampen her zu zaubern. So fingen wir an die Lampenkugeln im Tal anzuordnen und die Szenerie für die geplanten Bilder einzurichten.

Das ganze Set-up wurde mit einem männlichen und einem weiblichen Model belebt, die nacheinander vor die Linse standen. Als wäre das künstliche Licht der Lampen im abgelegenen Walde gang und gäbe, sassen die Models zufrieden und mit einer natürlichen Entspanntheit im Moos und lasen neugierig in einem Herr der Ringe Buch mit feuerrotem Einband.

Die Situation am zweiten Tag in Zürich, hätte nicht unterschiedlicher sein können. Von der tiefen, ländlichen Dunkelheit ins omnipräsente Leuchten der Stadt. Wir richteten uns auf dem Hardturm Areal, wo einst ein Fussballstadion die Attraktion für Fussballbegeisterte war, für das zweite Shooting ein. Auf der heutigen Stadionbrache haben sich Künstler ans Werk gemacht und den grauen Überresten etwas Farbe geschenkt. Der feuerrote Skatepark erschien uns als ein geeigneter Ort, da er in Kombination mit der Dunkelheit einen intensiven Kontrast schuf. Da es zur Abwechslung auch einmal in Zürich regnete, wurden unsere Fähigkeiten ein Feuer zu erzeugen, besonders auf Probe gestellt. Nach einer Weile war klar: Es stand ein eindeutiges Eins zu Null für den Regen und wir mussten auf unseren guten Freund, den Benzinkanister, zurückgreifen. Schon eindrücklich was ein Guss Benzin bewirken kann. Die Flammen brannten lichterloh auf dem Areal und das Knipsen unserer Kameras hallte durch die Nacht. Einige Stunden später waren die Bilder im Kasten und wir begaben uns müde, aber glücklich auf den Heimweg.

Der zweite Teil der Umsetzung erfolgte in der Nachbearbeitung der Bilder. Dies gliederten wir wiederum in zwei Sparten: das Editing der Naturbilder, bei welchen weitere Lampen realitätsgetreu eingebaut werden mussten und die Bearbeitung der Stadtbilder, bei welchen das Augenmerk vor allem auf die Farbkorrektur fiel.

In einem ersten Schritt musste bei den Naturbildern das Umgebungslicht jeder Lampe imitiert werden. Da wir uns in Lightroom(LR)/Camera Raw(CR) weitaus wohler fühlen und demnach auch besser damit klarkommen als in Photoshop(PS), entschieden wir diesen Schritt in einem dieser Programme durchzuführen. Anhand der real platzierten Lampen, konnten wir ableiten, wie das von ihr ausgehende Licht die Landschaft beleuchtet. Mit mehreren Pinselebenen konnte so ein Helligkeitsverlauf erstellt werden. Wir haben bewusst mehrere Ebenen erstellt und auf den Einsatz von Transparenzstufen verzichtet, da diese bei allfälliger Nachbearbeitung nur mühsam zu korrigieren/anzupassen wären. Der klare Vorteil der Wahl von LR oder CR ist die direkte, nicht destruktive Bearbeitung der RAW-Datei. Ein etwas lästiger Nachteil hat sich darin gezeigt, dass sobald die Lampen in PS eingefügt werden sollten und sich eine Unregelmäßigkeit in der Lichtführung zeigte, musste die Origialdatei wieder in LR oder CR angepasst und die Lampen-Layer in PS erneut eingefügt werden. Mithilfe von Ebenenmasken in PS war es möglich nicht destruktive Anpassungen bei Lampenform und Farbe auszuarbeiten. Weiter konnte Tiefe geschaffen werden indem man die Lampe hinter Steine, kleine Büsche und Grashalme retuschierte. Zu guter Letzt erstellten wir noch eine Ebene, in welche wir mit Hilfe des Pinselwekzeuges Kontraste und dunkle Stellen verstärkten. Dies taten wir mit der Farbe Schwarz und der Transparenzeinstellung «Darken». Wir erstellten diese Ebene, weil geplant war die Bilder zu drucken. Da wir aber keinen kalibrierten Bildschirm zur Hand hatten, hätten wir im Falle unbefriedigter Druckergebnisse in dieser Ebene Anpassungen vornehmen können ohne das Bild selbst zu manipulieren.

Die Nachbearbeitung der feuerroten Bilder des Hardturmareals erforderte primär eine ausgiebige Farbkorrektur und Farbabstimmung. Da wir mit zwei verschiedenen Kameras, auch wenn beide von Nikon waren, fotografiert haben, zeigte sich das rot auf den Bildern der einen Kamera in mehr orange Tönen, auf den anderen in mehr violetten Tönen ab. Der Farbstich des gesamten Bildes konnte durch Anpassung der Temperatur- und Tintregler oberflächlich aufeinander abgestimmt werden.

Für kleinere Flächen oder Details kam uns das Pinseltool zu Gunsten, mit welchem es ganz gezielt möglich ist auserwählte Stellen in der Farbe zu verändern.

Da die meisten Bilder mit einem hohen ISO-Wert aufgenommen wurden, konnten wir ein bisschen der Körnigkeit durch den „noise reduction“ Regler herausnehmen.

Zudem mussten alle Bilder aufgehellt und geschärft werden.

 

Herausforderungen

Während des ganzen Projekts hiess es experimentieren, Kompromisse suchen und vor allem: improvisieren.

Bereits das Set Up der Lampen am ersten Tag stellte uns vor Probleme, die ein Elektriker wohl schneller behoben hätte. Die erst an diesem Tag erworbenen Tischlampen wollten einfach nicht angehen. War es fehlende Spannung des laut dröhnenden Benzingenerators? War es ein defektes Kabel? Eine beschädigte Glühbirne? Oder ein defektes Element am Schalter? Empirisch gingen wir der Sache auf den Grund. Es zeigte sich, dass ein Teil im Schaltergehäuse veraltet oder beschädigt war. Kurzerhand ausgetauscht, gingen die Lichter im bereits düsteren, moosbewachsenen Wald an.

Nun hatten wir mit den unterschiedlichen Kabellängen zu kämpfen, was uns aber nicht lange am weiteren Vorgehen aufhielt. Obwohl wir genügend Zeit eingeplant hatten, war das Licht in diesem Teil des Tals bereits sehr spärlich.

Wir mussten uns entscheiden: Wollen wir mit tiefer Blende arbeiten und so auf Detailreichtum und Schärfe verzichten oder die ISO-Werte erhöhen und verstärktes Bildrauschen riskieren. Um möglichst viele verschiedene Perspektiven und Brennweiten abdecken zu können, verzichteten wir im nur mühsam begehbaren Waldabschnitt auf ein Stativ. Somit standen Belichtungszeiten über einer 1/50 Sekunde nicht mehr zur Auswahl. Wir wussten, nach den zeitintensiven Vorbereitungen musste es nun schnell gehen, denn heller würde es nicht mehr werden. Aufgrund der immer dunkler werdenden Landschaft, erübrigte sich das Entweder-Oder mit Blende und ISO. Mit der Zeit war sowohl der ISO höher als geplant als auch die Blende tiefer als gewollt. Durch Improvisation und bewusster Motivwahl mit Augenmerk auf die tiefe Blende gelangen uns einige, in unseren Augen, sehr gelungene Bilder. Wie im Rausch rannten, kletterten und krochen wir durch Wald und Unterholz um den perfekten Winkel zu finden, ohne dem Foto-Partner ins Bild zu «latschen» oder in eine der zahlreichen, mit Moos und Gras bewachsenen Felsspalten zu stürzen und sich zu verletzen.

Der zweite Tag versprach andere, dennoch nicht weniger herausfordernde Situationen. Obwohl wir beide Shooting Locations vorab inspiziert haben, konnten wir auf Grund des regen Stadtlebens nicht alle geplanten Orte abarbeiten. Wieder war Improvisationstalent und die Ortskenntnis, in diesem Fall von Ann, die Rettung. Kurzerhand wechselten wir zum Hardturm Areal. Auf dem Weg dahin begann es zu regnen. Wir sahen unser Projekt schon scheitern, als uns der Anblick des feuerroten Skateparks und der etwas verwahrlosten Umgebung einen neuen Motivationsschub verlieh. Um nicht die komplette Ausrüstung hinaus in den Regen zu schleppen, beschränkten wir uns auf die Kamera, eine kleine Auswahl an Objektiven und einen Sack mit Feuerholz. Vergeblich versuchten wir ein Feuer auf herkömmliche Weise zu entfachen.

Benzin.

Der Benzinkanister, der noch fast voll war, schien die Rettung zu sein. Ungeachtet der Umweltverträglichkeit und des persönlichen Risikos eröffneten sich uns ungeahnte Motive für das Feuer in urbaner Umgebung. Trotz der meterhohen Flammen, zwangen uns die Lichtverhältnisse erneut in mehr als grenzwertige ISO-Bereiche. An diesem Abend kam erschwerend hinzu, dass wir mindestens 1/100 Sekunde belichten mussten/wollten, um die Struktur der nur kurz aufflackernden Stichflamme festhalten zu können. Obwohl Feuer durch eine etwas längere Belichtung ebenfalls sehr spannend aussehen kann, waren wir uns einig, dass der raue, scharfe Look weitaus besser zu unserem Projekt passt. Nicht zuletzt, weil wir darin erneut den Kontrast zum Vortag suchten. Die Fotos des zweiten Tages mussten sich deutlich von der Weichheit und Harmonie des sanft beleuchteten Waldes abheben. So störte es uns im Nachhinein auch nicht hohe ISO-Werte zu nutzen, da eine leichte Körnung sehr gut passt.

Weitaus andere Ansprüche stellte das Editing. Da wir bis anhin beide die Maxime verfolgten, den grössten Teil der Bildgestaltung und des Bildlooks am Set/Location zu definieren und zu erarbeiten, verlangte vor allem die Bearbeitung der Waldbilder unseren Photoshop Skills alles ab.

Da es uns nicht möglich war die ganzen Lampen mitzubringen, finanziell wie auch platztechnisch, fügten wir weitere im Nachhinein ein. Wie verhält es sich mit der Helligkeit einer Lampe, wenn sie weiter weg und eventuell in einer leichten Unschärfe liegt? Wie viel Gausscher Weichzeichner braucht es, dass die Schärfentiefe natürlich wirkt? Wo platziert man die Lampe um die Tiefe und Plastizität nicht zu verlieren?

 

Fazit

Unsere Serie haben wir ebenfalls für die Photo 17 eingesandt. Leider wurde sie dort, gemäss Antwort, aufgrund fehlender Austellungsplätze abgelehnt. Trotz dieses kleinen Rückschlags sind wir mit unserer Arbeit absolut zufrieden. Einerseits erachten wir das Ergebnis als äusserst gelungen, andererseits konnten wir beide viel aus diesem Projekt für zukünftige fotografische Arbeiten mitnehmen. So sind wir uns zum Beispiel sicherer im Umgang mit der eigenen Ausrüstung, vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen geworden. Bildrauschen kann durchaus Charme haben. Photoshop wird in Zukunft bei uns beiden einen höheren Stellenwert geniessen. Unser Stil, den wir uns bisher angewöhnt/erarbeitet haben, wird in Zukunft wohl vermehrt einen etwas surrealen Charakter haben, da wir uns mit einem spannenden Werkzeug befasst haben, das kreative Möglichkeiten fernab der Realität eröffnet. Zudem dürfen wir beide einen unglaublich nützlichen, neuen Helfer in unserem Repertoire begrüssen: den Benzingenerator. Wer hätte gedacht, dass ein Gerät das pragmatischer, lauter und verschwenderischer nicht sein könnte, ein so kreatives Instrument sein kann. Nicht zuletzt hat sich ein tolles Team gebildet, dass hoffentlich noch viele gemeinsame Arbeiten hervorbringen wird.

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