VJ in Action

Sie sind rasende Reporter, Kameraleute, Interviewer, Cutter, Ton-Experten und vieles mehr. Und das alles meist gleichzeitig und innerhalb eines 8-stündigen Arbeitstages. Videojournalisten sind stets auf Trab und bemüht, ihre Zuschauer über die aktuellen Geschehnisse aus ihrer Umgebung auf dem Laufenden zu halten. Eine Text- und Video-Reportage über einen spannenden, abwechslungsreichen und oftmals auch stressigen und nervenaufreibenden Job.

Der Arbeitstag von Corina Borer beginnt selten vor 9 Uhr morgens. Dann findet in der Tele M1 Redaktion im AZ Medienhaus in Aarau die tägliche Redaktionssitzung statt. Corina ist 25 Jahre alt, hat Journalismus studiert und arbeitet seit zwei Jahren als Videojournalistin beim Aargauer Regionalsender. Ein Job, den sie gerne und mit viel Leidenschaft ausübt.

Um herauszufinden, was denn ein Videojournalist den ganzen Tag so macht, habe ich bei Tele M1 angefragt, ob ich einen VJ einen Tag lang bei der Arbeit begleiten dürfe. Corina hat sich freundlicherweise gerne zur Verfügung gestellt. So tauche ich kurz vor 9 Uhr mit meiner Kamera im AZ Medienhaus auf und lerne die ersten Reporter und Redakteure kennen. Ich falle nicht weiter auf mit meiner Kamera, könnte genau so gut einer der VJs sein. Erst als ich die Kamera zum ersten Mal auf Corina richte, kommen einige fragende Blicke in unsere Richtung. Schliesslich ist es nicht gerade üblich, dass ein VJ wie Corina vor statt hinter der Kamera steht.

Jobangebot bei der Redaktionssitzung

Kurze Zeit später sitze ich mit den VJs und dem Tageschef an einem Tisch. Er stellt mich vor und bereits erhalte ich ein halbernst gemeintes Jobangebot vom Ausbildungschef. VJs sind scheinbar sehr gefragt. Ob ich nicht gleich bei ihnen einsteigen wolle. Ich lehne dankend ab und meine, dass ich erst mein Studium abschliessen wolle. Dann solle ich mich doch in einem Jahr nochmals melden, wird mir aufgetragen.

Dann geht es zurück zum Tagesgeschäft. Mögliche Themen für die Newssendung “Tele M1 Aktuell” um 18 Uhr werden diskutiert. Corina hat einen Tipp erhalten, dass eine gefährliche Raupe in der Gegend ihr Unwesen treibt. Wie gefährlich kann eine Raupe schon sein, denke ich mir. Nicht gerade die spannendste Story. Aber das ist nun mal das, was die Zuschauer eines Regionalsenders sehen wollen. Nicht dass ihr Garten am Ende von so einem Ungeziefer zerstört wird und niemand hat sie gewarnt.

Breaking News: Blocher tritt zurück!

Corina macht sich also an die Recherche für diese Story während ich neben ihr sitze, die Kamera stets auf sie gerichtet, um ja keinen entscheidenden Anruf zu verpassen. So richtig zum Laufen kommt die ganze Sache noch nicht, aber Corina ist gekonnt dabei, sich etwas aus den Fingern zu ziehen. Etwas neidisch verfolge ich mit einem Auge die Geschehnisse im Hintergrund. Da scheint plötzlich grosser Aufruhr zu herrschen. Christoph Blocher tritt als Nationalrat zurück, höre ich diskutieren. In dem Moment surren Corinas und mein Handy beinahe gleichzeitig und bestätigen die Meldung. Na das wäre ja einiges spannender für meine Reportage als diese Raupe, denke ich mir. Allerdings scheint Corina die VJs nicht zu beneiden, die jetzt in hellem Aufruhr versuchen, Interviewtermine zu vereinbaren und wie von der Tarantel gestochen aus der Redaktion stürmen. Da hat sie es doch einiges gemütlicher.

Gegen Mittag habe ich mehr als genügend Aufnahmen von Corinas Recherche im Kasten und wir machen uns endlich auf den Weg zu einigen Interviewterminen. Auf einer Autobahnraststätte essen wir zu Mittag und unterhalten uns über unsere Ausbildungen. Ich würde gerne wissen, wie sie zu der Stelle bei Tele M1 gekommen ist und was sie für ihre Zukunft geplant hat. Sie fragt mich über meinen Studiengang aus.

Nach dem Essen folgen einige Interviewtermine. Sie filmt ihre Interviewpartner. Ich filme sie wie sie ihre Interviewpartner filmt. Einige schauen etwas komisch, als wir mit zwei Kameras auftauchen. Corina lässt sich von mir aber nicht aus dem Konzept bringen. Schliesslich weiss sie genau, wie so etwas abläuft.

Wenn die Mutter anruft

Wir machen eine regelrechte Rundreise durch die Kantone Aargau und Solothurn. Aarau, Egerkingen, Härkingen, Olten… Corina erzählt mir, dass sie viel herum kommt und sich in der Gegend fast schon besser auskennt als in ihrer Heimat Basel. Zwischendurch klingelt immer wieder ihr Handy. Der Tageschef will wissen wie sie voran kommt. Er sei immer so nervös, dass etwas nicht klappe, erklärt sie mir. Daher die vielen Anrufe, die fast an Kontrollanrufe einer besorgten Mutter erinnern. Sie beruhigt ihn stets mit einer Gelassenheit, die ich faszinierend finde.

Ob sie immer so locker sei, frage ich sie. Ob sie nie Angst habe, den Sendetermin um 18 Uhr zu verpassen. Sie sagt, darüber mache sie sich keine Sorgen. Ich gebe mich nicht zufrieden und frage was denn passiere, wenn ein grosser Stau es unmöglich macht, rechtzeitig in die Redaktion zurückzukommen. Sie lächelt und sagt, dann sei das eben so. Ändern könne man es sowieso nicht.

Viel Dreck und eine rebellische Kuh

Heute läuft aber alles glatt. Um 16 Uhr sind wir zurück in der Redaktion und Corina sagt mir, dass das mehr als genügend Zeit sei, um ihren Beitrag fertigzustellen. Da habe sie schon ganz anderes erlebt. Eine ihrer Kolleginnen kommt auch gerade an und erzählt, wie sie heute bis zu den Knien in Dreck watend auf einer Weide eine Kuh filmen musste, die vor einigen Tagen ausgebrochen und für Unruhe gesorgt hatte. Da hatten wir es doch einiges angenehmer. Auch vom Stress rund um Christoph Blochers Rücktritt nehmen wir nur am Rande Notiz. Corina ist konzentriert dabei, ihren Beitrag zu schneiden. Man merkt, dass sie dies schon hundertmal gemacht hat. Nebenbei nimmt sie sich auch noch Zeit, um einem Praktikanten zu helfen. Sie hat alles unter Kontrolle und wird auch mit kleinen Schwierigkeiten spielend fertig.

Pünktlich zur Sendung ist ihr Beitrag bereit. Erst jetzt tauscht sie einige Worte mit ihren Kollegen aus, die einiges abgekämpfter aussehen als sie und ihr erzählen, wie sehr sie von der Rücktrittsmeldung von Blocher auf Trab gehalten wurden. Um Punkt 18 Uhr ist der ganze Spuk für alle VJs dann endgültig vorbei. Sie sitzen gemeinsam auf dem Sofa und schauen sich die Sendung an, die einen Stock unter ihnen gerade live aufgezeichnet wird. Noch vor fünf Minuten standen viele von ihnen am Rande eines Nervenzusammenbruchs, jetzt sitzen sie ganz entspannt da und sind schon wieder zu Scherzen aufgelegt. Dass ich noch immer mit laufender Kamera um sie herum husche, nehmen sie gar nicht mehr wahr.

Der Reiz des Jobs

Danach ist der Tag sowohl für Corina als auch für mich zu Ende. Ich frage sie noch, ob sie es denn nicht blöd fand, dass ihre Kollegen eine spannende Story über den Rücktritt eines Nationalrates verfolgt haben, während sie sich mit einer harmlosen Raupe beschäftigen musste. Sie sagt, sie fände das gar nicht langweilig, sondern berichte sogar sehr gerne über solch kleine, vergleichsweise banale Ereignisse aus der Region.

Dann geht sie nach Hause. Die Arbeit lässt sie vollumfänglich im Büro zurück. Nur wenn sie Pikettdienst hat, muss sie erreichbar bleiben, falls in der Nacht etwas welt- oder eben regionbewegendes passiert. Morgen wird ihr Tag auf den ersten Blick gleich wie der heutige aussehen. Die Routine und Abläufe sind meist dieselben. Und trotzdem sei es jeden Morgen wieder ein Gang ins Ungewisse, weil niemand wisse, was der Tag bereit hält. Das mache diesen Job eben aus, sagt sie.

Am 9. Mai 2014 habe ich im Rahmen des Moduls “Filmisches Erzählen” Corina Borer einen Tag lang bei ihrer Arbeit als VJ bei Tele M1 begleitet und eine Reportage gedreht. Darin wollte ich den Arbeitsalltages eines Videojournalisten dokumentieren. Es war ein spannender und lehrreicher Tag und entstanden ist eine meiner Meinung nach interessante Reportage über den Alltag eines VJs:

Kritik
von Angela Kopp

Idee / Ausgangslage

Dieser Digezz-Beitrag ist eine Mischung aus einer Text- und einer Video-Reportage. Die Video-Reportage ist im vergangenen Semester im Modul "Filmisches Erzählen" entstanden. Da sie sehr gut bewertet wurde und ich das Thema "Alltag eines Videojournalisten" für die Zielgruppe von Digezz sehr spannend und passend finde, habe ich mich entschieden, daraus einen Digezz-Beitrag zu machen.

Eine blosse Einbindung des Videos und einige kurze Textzeilen dazu empfand ich allerdings als nicht ausreichend. Zudem wollte ich im Artikel auch nicht dasselbe behandeln, das im Video zu sehen ist. Also habe ich mich entschieden, auch aus dem Text eine Reportage zu machen. Dabei wollte ich den Fokus allerdings auf meinen Besuch in der Tele M1 Redaktion und meine Erfahrungen dabei legen und nicht wie im Video auf die Arbeit der Videojournalistin.

Umsetzung Videoreportage

Die Vorgaben für das Projekt im Modul "Filmisches Erzählen" lauteten, eine Reportage zu drehen und dabei besonders die Merkmale dieser Dokumentationsform zu berücksichtigen und einzubauen. Bei der Themensuche bin ich über Beziehungen in Kontakt mit dem Aargauer Regionalsender Tele M1 gekommen und konnte vereinbaren, dass ich einen Tag lang einen der VJs bei der Arbeit begleiten durfte.

Mehr oder weniger auf gut Glück bin ich an diesem Tag dann mit der Kamera losgezogen. Bisher hatte ich nur sehr wenig Erfahrung im Bereich Film/Video und verliess mich daher mehrheitlich auf meine Intuition. Im Unterricht und bei der Recherche habe ich gelernt, dass dies beim Filmen von Reportagen keineswegs eine falsche Herangehensweise ist. Denn da die Geschehnisse möglichst wirklichkeitsgetreu, eben so wie sie gerade passieren, gezeigt werden sollen, kann man nicht wirklich etwas planen sondern muss vielmehr einfach die Kamera drauf halten und abwarten, bis etwas Spannendes passiert.

Nach anfänglicher Nervosität, auch weil ich beobachtet von Profis auf keinen Fall etwas falsch machen wollte, lief das Filmen im Verlauf des Tages immer besser. Ich hatte Glück, dass meine Protagonistin sehr aufgeschlossen und hilfsbereit war. Da sie selber täglich mit Filmen zu tun hat, gab sie mir auch gerne Tipps und war geduldig, wenn etwas nicht gerade funktioniert hat.

Nach diesem Aufnahmetag hatte ich eine Fülle an Material, da ich wie gesagt die Kamera oftmals einfach laufen liess und in dieser Zeit nicht immer viel Spannendes passiert war. Die grösste Herausforderung war nun also, das Material zu filtern und Brauchbares und Interessantes herauszusuchen. Dies stellte sich als eine der aufwendigsten Phasen heraus. Die Entscheidung, welche Aufnahmen sich am Ende zu einer interessanten Geschichte ergeben würden und welche ich besser weglassen sollte, fiel mir meist sehr schwer. Wieder verliess ich mich dabei mangels bisheriger Erfahrung auf meine Intuition.

Am Ende hatte ich einen Rohschnitt, von dem ich alles andere als überzeugt war. Ich war daher sehr überrascht, als der Dozent sehr zufrieden war. Er gab mir einige Inputs für den Schnitt sowie den Text, welche ich anschliessend umsetzte. Den Text habe ich selber aufgenommen und anschliessend unter das Video gelegt. Dies ist schon eher eine meiner Stärken und fiel mir daher nicht allzu schwer.

Auf die Farbkorrektur habe ich gänzlich verzichtet. Einerseits weil ich auch damit kaum Erfahrungen hatte, andererseits sollte die Reportage die Wirklichkeit ja auch so authentisch wie möglich wiedergeben. Am Ende war ich trotz anfänglicher Unsicherheiten und Zweifel sehr zufrieden mit meinem Endprodukt.

Umsetzung Textreportage

Da das Schreiben zu meinen Stärken gehört, fiel es mir nicht besonders schwer, das Erlebte an diesem Tag schriftlich zu dokumentieren. Obwohl der Besuch bei Tele M1 beim Verfassen des Textes bereits mehrere Monate zurücklag, konnte ich mich noch gut daran erinnern. Wieder habe ich darauf geachtet, alles möglichst so wiederzugeben, wie es passiert ist und dabei meine Erfahrungen zu schildern. Hier konnte ich nun auch Punkte reinnehmen, welche ich bei der Video-Reportage weglassen musste oder erst gar nicht gefilmt hatte. Ausserdem habe ich bei der Text-Reportage auch etwas Subjektivität einfliessen lassen.

Endprodukt / Kritik

Ich bin mit dem Endergebnis der Video-Reportage sehr zufrieden. Trotz wenig Erfahrung ist es mir grösstenteils gelungen, die Merkmale von Reportagen umzusetzen und so das Ziel des Kurses zu erreichen. Dies ist zwar mehrheitlich unbewusst geschehen, aber gerade das hat meiner Meinung nach das Ergebnis aufgewertet. Zugegebenermassen hatte ich auch etwas Glück, dass mein intuitives Vorgehen am Ende nicht komplett schief ging. Beim nächsten Mal würde ich daher noch etwas mehr Zeit in die Vorbereitung investieren.

Ein Punkt, der an diesem Digezz-Beitrag zu bemängeln ist, ist womöglich die fehlende Aktualität. Die Reportage wurde im Mai vergangenen Jahres gedreht, während dieser Beitrag über ein halbes Jahr später veröffentlicht wurde. Dies wird jedoch dadurch wettgemacht, dass das Thema "Alltag eines Videojournalisten" nach wie vor ein aktuelles Thema ist, weil VJ einer der möglichen Berufe für MMP-Studierende und junge Menschen mit journalistischer Ausbildung ist.

Hier verwandelt sich das eher langweilige und banale Thema des Berichtes, den die Videojournalistin an diesem Tag gemacht hat, wiederum zu einem Vorteil. Hätte sie über den Rücktritt von Nationalrat Christoph Blocher berichtet, wäre eine Veröffentlichung sieben Monate danach doch eher ungünstig. Bei einer Story über eine Raupe ist dies jedoch kein entscheidender Faktor.

Schlussfazit

Während des ganzen Projektes habe ich sehr viel gelernt. Es hat mir gut getan, einmal alleine und auf mich selbst gestellt mit der Kamera zu arbeiten und daraus am Ende ein brauchbares Produkt zu erstellen. Zudem fand auch ich es spannend, einmal zu sehen, wie ein Arbeitsalltag eines Videojournalisten abläuft.

Aus diesem Grund denke ich, dass das Thema dieses Digezz-Beitrages auch für die Zielgruppe von Digezz interessant und lehrreich ist.

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